© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/04 13. Februar 2004

Selbsthilfe für deutsche Interessen
Enteignungen I: Die Preußische Treuhand will die Eigentumsansprüche der Heimatvertriebenen gebündelt auf EU-Ebene durchsetzen
Kurt Zach

Die "biologische Lösung" der Vertriebenenfrage findet vorerst nicht statt. Lange Zeit sah es so aus, als ginge die - unterstellte oder tatsächliche - Strategie der Bundesregierungen gleich welcher Couleur auf, die Ansprüche der deutschen Heimatvertriebenen auf Rückgabe des geraubten Eigentums und Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts auszusitzen, bis sie sich im Laufe der Zeit durch Aussterben der "Erlebnisgeneration" von selbst erledigen möchten.

Der bevorstehende EU-Beitritt Polens und der Tschechei hat indes den Forderungen der Vertriebenen eine neue Perspektive gewiesen. Die Preußische Treuhand bündelt die Eigentumsansprüche heimatvertriebener Schlesier, Ostpreußen und Pommern, um sie auf EU-Ebene durchzusetzen - wenn es sein muß, will sie bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen (siehe auch Interview auf Seite 3). Um diese Ziele verwirklichen zu können, wurde die Rechtsform einer Handelsgesellschaft gewählt. Am 14. Dezember 2000 wurde die Preußische Treuhand GmbH gegründet, an der die Landsmannschaften Ostpreußen und Schlesien mit zusammen 50 Prozent beteiligt sind; das restliche Kapital haben Funktionsträger im Vertriebenenbereich eingelegt. Am 18. September 2001 wurde die Treuhand GmbH zu einer KG a.A. (auf Aktien) erweitert und wirbt um Unterstützung bei Landsleuten und anderen Interessierten, die sich durch das Zeichnen von Aktien beteiligen können.

Alarmstimmung auf der polnischen Seite

Wohlweislich haben Deutschland und Polen in allen bisher geschlossenen Verträgen die Regelung der offenen Vermögensfragen vermieden. Der Grenzanerkennungsvertrag von 1990 spricht bewußt nicht von einer "Gebietsabtretung" - die hätte nämlich die Bundesrepublik Deutschland zum Adressaten der Entschädigungsforderungen der aus den Oder-Neiße-Gebieten vertriebenen Deutschen gemacht. So bleibt die Verantwortung für die völkerrechtswidrige Konfiskation deutschen Privateigentums bei Polen. Deutsche Eigentümer, die seit der allmählichen Öffnung des Landes in den Achtzigern versuchten, ihr Recht zu bekommen, ernteten die unterschiedlichsten Abfuhren durch die polnischen Behörden. Mit rechtlicher oder diplomatischer Unterstützung durch den eigenen Staat durften sie kaum rechnen - auch, weil die Forderungen gern als für das "verarmte" Polen unbezahlbar und unrealistisch abgetan wurden. Mit dem EU-Beitritt des Landes am 1. Mai 2004, der Polen den EU-Rechtsnormen zum Schutz des Privateigentums unterwirft, verliert dieser Vorwand jedoch seine Plausibilität.

Die Schwierigkeit, Rechtsansprüche geltend zu machen, weil viele Eigentümer sterben, ohne ihre Titel eindeutig an die Erben weiterzugeben, beschäftigt die Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen schon seit längerem. Die Schaffung einer Organisation, die die Eigentumsansprüche der einzelnen Vertriebenen individuell sichern kann und diese treuhänderisch für die jeweiligen Vertriebenen oder deren Erben rechtlich und wirtschaftlich handhabt, lag daher in der Luft.

Nicht zufällig orientierte man sich am Vorbild der Conference on Jewish Claims against Germany (Claims Conference) für die zu schaffende Selbsthilfeorganisation, die kraft ihres politischen und finanziellen Einflusses auch dort tätig wird, wo eine persönliche individuelle Wahrnehmung der Eigentumsinteressen nicht möglich ist. Die Vertriebenen, so die Überlegung, "hätten mit dieser bevollmächtigten Vertretung der einzelnen Anspruchsinhaber ein strategisches Instrument zur Sicherung und Durchführung der Rückgabe des konfiszierten Eigentums".

Aus den Zinsen des eingebrachten Kapitals soll der Geschäftsbetrieb der Preußischen Treuhand bestritten werden - freilich werden bisher alle Funktionen, vom Geschäftsführer bis zur Bürohilfe, ehrenamtlich ausgeübt. Mit zunehmendem Erfolg ihrer Arbeit hofft die Organisation, zurückgegebenes Eigentum treuhänderisch zu verwalten und z. B. die Verpachtung an Partner vor Ort zu regeln - durchaus auch an den bisherigen Nutznießer. Ein besonderes finanzielles Risiko, so die Treuhand, besteht für die Beteiligten über das eingelegte Kapital hinaus nicht.

Während die Bundesregierung sich offenkundig weiterhin im Ignorieren der Eigentumsprobleme übt, ist die polnische Seite durch diese und andere Aktivitäten deutscher Alteigentümer durchaus in Alarmstimmung geraten. Durch eilige Verkäufe der bisher nur verpachteten konfiszierten Immobilien versucht sie fünf Minuten vor EU-Beitritt noch Fakten zu schaffen.

Andere, wie die Stadtväter von Warschau, stellen Gegenrechnungen mit astronomischen Wiedergutmachungsforderungen für Kriegsschäden auf - die freilich streng genommen mit den individuellen Ansprüchen enteigneter Privatleute rechtlich wenig zu tun haben. Gleichzeitig versuchen einige Medien Panikstimmung zu verbreiten und das Schreckgespenst einer "juristischen Aggression" der Deutschen an die Wand zu malen.

Schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung

Bei den Treuhändern gibt man sich davon wenig beeindruckt. Restitution sei die einfachste Lösung, und sie sei in vielen Fällen machbar, sagt Alexander von Waldow. Niemand hindere den polnischen Staat doch daran, von den Kommunisten konfiszierte Forsten und landwirtschaftliche Betriebe, die sich heute noch in seiner Hand befinden, an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. "Wir wollen in erster Linie unser Eigentum wieder aufbauen und nur dort, wo das nicht möglich ist, eine Entschädigung", sagt von Waldow. Der Architekturprofessor vertritt die Pommersche Landsmannschaft, die die Preußische Treuhand mit einer namhaften Einlage unterstützt und selbst beitreten will, im Aufsichtsrat.

Der Pommer findet es paradox, daß die Bundesregierung zum Schutz vor solchen Menschenrechtsverletzungen, wie sie die deutschen Vertriebenen erlitten haben, Soldaten in alle Welt entsendet, in der Frage der völkerrechtswidrigen Konfiskation deutschen Eigentums aber untätig bleibt. Unterstellt, daß die Regierung nicht aus guten Gründen schweige, sondern aus Bequemlichkeit, müsse man ihr allerdings den Vorwurf machen, selbst Menschenrechtsverletzungen zu begehen, wenn sie derart eklatanten Rechtsbrüchen nicht begegne, folgert von Waldow. Dementsprechend sieht auch die Preußische Treuhand ihre Tätigkeit als Akt der "privaten Selbsthilfe", da die Regierung nicht bereit sei, sich für die berechtigten Rückgabeansprüche der deutschen Heimatvertriebenen und ihrer Nachkommen einzusetzen. Daß die Vertretung nationaler Interessen privat organisiert werden muß, ist zweifellos eine deutsche Besonderheit. Schröders oft gehörter Appell, "mehr Eigenverantwortung" zu übernehmen, ist bei den Initiatoren der Preußischen Treuhand offenkundig auf fruchtbaren Boden gefallen.

 

Preußische Treuhand: Werstener Dorfstraße 187, 40591 Düsseldorf, Internet: www.preussische-treuhand.de.vu


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