© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/04 05. März 2004

Ole siegt für Angela
Der CDU-Wahlerfolg in Hamburg stärkt auch Parteichefin Merkel den Rücken
Peter Freitag

Welch ein Sieg durch Oles Fügung. Die CDU ist in Hamburg mit einem Ergebnis von über 47 Prozent Zustimmung für einen risikoreichen Wahlkampf stattlich belohnt worden. Sowohl inhaltlich als auch strategisch hatten die Christdemokraten alles auf eine Karte gesetzt: Personalisierung statt thematischer Polarisierung, absolute Mehrheit statt Leihstimmen-Kampagne zugunsten möglicher Koalitionäre.

Kritiker, die Ole von Beust bisher für ein politisches Fliegengewicht hielten, wurden vom Ersten Bürgermeister Lügen gestraft. Bei der Bürgerschaftswahl im Herbst 2001 hatte die CDU noch ein miserables Ergebnis von lediglich 26 Prozent eingefahren. Nur mit Hilfe des Aufsteigers Ronald Schill und einer schwachen FDP konnte die CDU die Führung im Senat übernehmen und die Sozialdemokraten, damals noch stärkste Fraktion, ausstechen. Eine Koalition mit den "Rechtspopulisten", die den Hauptanteil zum Sieg über Rot-Grün beitrugen, hatte ausgerechnet der liberale von Beust schon frühzeitig - gegen den Willen großer Teile der eigenen Partei - nicht ausgeschlossen. Den Vorwurf, er sei bloß Bürgermeister von Schills Gnaden, ließ Beust an sich abprallen. Scheinbar unbeeindruckt ertrug er die vermeintlichen oder tatsächlichen Eskapaden des Populisten und wartete auf die Gelegenheit, sich des ungeliebten Partners zu entledigen.

Selbst wenn der Verdacht, der Bürgermeister habe den Konflikt mit Schill und den Bruch der Koalition von vornherein geplant, überzogen erscheint, erwies sich Ole von Beust im vergangenen Herbst als ein mit allen Wassern gewaschener Politprofi, dem der unerfahrene Schill nicht gewachsen war. Nach seiner ruhmlosen Entlassung ließ Schill in naiver Verkennung der politischen Realitäten die Muskeln spielen. Als er andeutete, den koalitionären Frieden zu stören, gab er dem Ersten Bürgermeister den ersehnten Anlaß, zum Entlastungsschlag auszuholen und auf dem Höhepunkt seines Ansehens als durchsetzungsstarker Politiker die Bürgerschaft auflösen zu lassen. Zuvor hatte er noch den Spitzenmann des zweiten Koalitionspartners, Bildungssenator Lange (FDP), entlassen und so die Verantwortung für die mißratene Bildungspolitik geschickt auf die Liberalen abgewälzt. Diese mußten denn auch bitter dafür zahlen, indem die Wähler sie mit einem Wahlergebnis von unter drei Prozent abstraften.

Zu allem Überfluß tat die Partei Rechtsstaatlicher Offensive von Beust dann auch noch den Gefallen, sich durch einen internen Zerfleischungsprozeß selbst zu marginalisieren. Mit dem Ausschluß Schills aus Fraktion und Partei gerierten sich Mettbach, Nockemann und Konsorten als Paladine des Bürgermeisters, die sich aus der "babylonischen Gefangenschaft" eines treu ergebenen Koalitionspartners nicht zu befreien vermochten. Als Wurmfortsatz der Union wurden sie politisch obsolet und bekamen vom Wähler, was sie verdienten: noch nicht mal ein halbes Prozent.

Das Wagnis der vorzeitigen Neuwahlen hat sich für die CDU voll ausgezahlt: Die Wähler, die 2001 der FDP oder der Partei Rechtsstaatlicher Offensive ihre Stimme gegeben hatten, wechselten fast vollständig zur CDU und bescherten ihr einen Zuwachs von mehr als 20 Prozent. Daß die vom Wähler abgestraften Sozialdemokraten das knappe Überspringen der 30-Prozent-Marke schon als Teilerfolg werteten, zeigt erst das wahre Ausmaß ihrer Niederlage in der einstigen roten Hochburg. Die meisten ihrer Wähler blieben den Wahlurnen fern, weswegen die Wahlbeteiligung mit 68 Prozent auch niedriger als bei der letzten Bürgerschaftswahl war. Außer zur CDU wechselten nicht wenige frühere SPD-Wähler zu den Grünen, die ihr Ergebnis auf über 12 Prozent verbesserten, jedoch unterhalb der Prognosen blieben.

Den rot-grünen Oppositionsparteien war es nicht gelungen, durch inhaltliche Schwerpunkte dem CDU-geführten Senat am Zeug zu flicken. Die Themen Kindertagesstätten und Unterrichtsversorgung sind zwar in den Befragungen von den meisten Wählern als vom Senat nicht zufriedenstellend gelöst bezeichnet worden, dennoch spielten sie offensichtlich bei der Wahl keine entscheidende Rolle. Das liegt zum einen daran, daß schon der bis 2001 amtierende rot-grüne Senat hier keine ansprechenden Lösungen gefunden hatte, zum anderen standen die damit verbundenen Probleme bereits zu lange auf der politischen Tagesordnung; man war ihrer - so drängt sich der Eindruck auf - längst überdrüssig.

Auswirkungen hat das Hamburger Ergebnis auch auf die innerparteiliche Ausrichtung der Union. Erinnern wir uns: Nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 erhob CDU-Chefin Angela Merkel die Forderung, ihre Partei müsse sich jenseits der typisch christdemokratischen Klientel mehr an den Bedürfnissen neuer Wählerschichten orientieren, für die sie beispielsweise in Großstädten lebende Singles anführte. Genau diesen Anspruch setzte von Beust in die Tat um. Die Hamburger CDU sei, so jubelte einer ihrer jungen Funktionäre, "mehr denn je auf dem Weg zu einer modernen Großstadtpartei".

Dafür hatte man sich sogar im wahrsten Sinne des Wortes einen neuen Anstrich verpaßt: Mit einem knalligen Orange kam die CDU jetzt erstmalig daher und signalisierte Pop statt Biederkeit. Zur Wahlkampfzentrale machte man fernab aller in Geschäftsstellen herrschenden Bürotristesse eine "urbane Wahlkampflounge" unter den Alsterarkaden mit der programmatischen Bezeichnung "Café Ole".

An der Ausgestaltung des Wahlkampfes war von seiten des CDU-Bundesvorstands der nordrhein-westfälische Landeschef Jürgen Rüttgers beteiligt, der die Erfahrungen des Hamburger Erfolgs sicher für die in seinem Bundesland anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen nutzen wird. Mit Rüttgers hat ein enger Vertrauter Merkels seine Finger im Spiel gehabt, was der Parteichefin und ihrem innerparteilichen Kurs ohne Zweifel den Rücken stärkt. Ihr Flügel im Bundesvorstand geht somit gestärkt aus der Hamburger Wahl hervor; wie schon nach der erfolgreichen Landtagswahl in Niedersachsen vor einem Jahr ist es auch jetzt wieder ein Signal der norddeutschen (liberaleren) an die süddeutschen (konservativeren) Landesverbände der Union: Seht her, auch wir können (absolute) Mehrheiten gewinnen!

Auswirkungen davon werden im Ringen um einen Kompromiß für das Zuwanderungsgesetz und in der Behandlung der Frage eines möglichen EU-Beitritts der Türkei zu spüren sein. Die Chancen, in beiden Fällen innerhalb der CDU eine härtere Linie, gar ein Wahlkampfthema durchzusetzen, haben sich damit verschlechtert. Auch das ist ein Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl.

Foto: CDU-Chefin Merkel, Wahlsieger Ole von Beust: "Auf dem Weg zu einer modernen Großstadtpartei"


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