© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/04 05. März 2004

Claus Graf Schenk von Stauffenberg
Die vertane Chance
Dieter Stein

Einen würdelosen Wettlauf haben sich die Fernsehsender ARD und ZDF darum geliefert, wer in diesem Jahr als erstes das Thema 20. Juli 1944 anläßlich des 60. Jahrestages des Hitler-Attentats von Claus Graf Schenk von Stauffenberg bringt. Auswertungen der Quoten von Fernsehspielen zum 50. Jahrestag des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 sollen gezeigt haben, daß derjenige reüssiert, der am frühesten startet.

Deshalb mußte Hitlers Baracke im ostpreußischen Hauptquartier "Wolfschanze" in der ARD am vorvergangenen Mittwoch auch fünf Monate vor dem Jubiläum in die Luft fliegen. Neben Termindruck merkte man dem Film auch eine ebenfalls der Quote geschuldete hastige Verknappung des Stoffes an. Alles sollte in 90 Minuten gepreßt werden, da - auch das Ergebnis irgendwelcher Analysen - der Zuschauer zunehmend "bockig auf Mehrteiler" (Süddeutsche Zeitung) reagiert.

Es ist natürlich wahrlich eine Zumutung, diesen bockigen Bundesbürger des Jahres 2004, der schon vom herrschaftsfreien Diskurs einer Jury unter Dieter Bohlen bei "Deutschland sucht den Superstar" intellektuell überfordert ist, rasch mal eben die Motive des von Stefan George inspirierten "Geheimen Deutschland" und der Männer um den Offizier Stauffenberg zu erläutern. Also läßt man es sein. Guido Knoppsche bunte Bilder und Beziehungskisten-Dialoge des Ehepaars Stauffenberg à la "Landarzt" müssen statt dessen genügen.

Es beginnt ja schon mit der Unmöglichkeit, einem Publikum, dem mit Zeitgeschichte auf dem Niveau von Reemtsmas "Wehrmachtsausstellung" das Urteilsvermögen abhanden gekommen ist, klarzumachen, was es im Jahre 1944 bedeutete, Offizier der Deutschen Wehrmacht zu sein. Was es überhaupt bedeutete, Offizier zu sein! Wie soll man verstehen, was die Wehrmacht im nationalsozialistischen Staat darstellte? Daß sie nämlich ein Raum war, der sich zu einem nicht unerheblichen Teil dem Zugriff des Parteiapparates entzog. Daß es Stauffenberg nur deshalb möglich war, Hunderte von Mitwissern in der Armee zu gewinnen und die Verschwörung am Tag des Attentats eine derartige Ausdehnung quer durch das ganze von Deutschen besetzte Europa erreichte.

Daß bei Filmemacher Jo Baier auch nicht der Ansatz eines Verständnisses für die Sphäre des Militärischen existierte, konnte man allein daran sehen, daß er Wehrmachtssoldaten mit "Heil Hitler" grüßen läßt, einem Gruß, den sich die Armee eben bis zum 20. Juli 1944 (außer bei Anwesenheit Hitlers) vom Leibe gehalten hat! Der NS-Gruß in der Wehrmacht wurde erst als Reaktion auf das Attentat von Hitler befohlen.

Wenn der Regisseur schließlich behauptete, es sei ihm mit seinem "menschelnden" Film darum gegangen, das "Denkmal Stauffenberg zu entmystifizieren", dann liegt er völlig daneben. Der Männer des 20. Juli 1944 wird in Wahrheit nur schamhaft gedacht. Sie schlagen nämlich eine moralische Brücke, die heute unerwünscht ist. Unsere politische Klasse hat sich mit der Kollektivschuld des "Volkes der Täter" abgefunden. Das Gedenken an Stauffenberg, der das Reich vor dem Untergang retten wollte, paßt deshalb nicht ins Bild.


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