© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/04 05. März 2004

Frisch gepresst

Rußlanddeutsche. Über keine Gruppe in Deutschland lassen sich so PC-frei Klischees verbreiten wie über die deutschstämmigen "Übersiedler" aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die auch in ihren Reihen auftretende Kriminalität und Drogenproblematik werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins mediale Licht gezerrt. So dienen die Rußlanddeutschen als Prügelknaben für die allgemeinen Verwerfungen der multikulturellen Gesellschaft. Den meisten Landsleuten ist die Geschichte dieser heterogenen Volksgruppe, deren Heimat nicht ausschließlich an der Wolga, sondern auch auf der Krim, im Kaukasus und am Pripjet lag, dagegen kaum bekannt. Der seit über zehn Jahren immer wieder im nördlichen Ostpreußen als Betreuer und Lehrer für dort angesiedelte Rußlanddeutsche tätige Götz Eberbach möchte dieses Defizit ausgleichen (Woher? Wohin? Die Wanderungen der Rußlanddeutschen gestern und heute. Eckardschrift 170 der Österreichischen Landsmannschaft, Wien 2003, 110 Seiten, 7,40 Euro).

Ostfront. Bevor Günter Gregorg zum eigentlichen Thema seiner Autobiographie gelangt, dem Kriegserlebnis an der Ostfront, fallen einige Schlaglichter auf seine Jugendjahre in Königsberg. Kleinigkeiten nur, die aber einem Bemühen um nüchtern-realistische Schilderung entspringen. So bekommt der 15jährige als Randfigur die "Reichskristallnacht" mit oder berichtet in fast lakonischer Weise von dem durch den Krieg fast unberührten Alltag in der ostpreußischen Hauptstadt. Das ändert sich nach dem 22. Juni 1941, als auch Gregorg die Uniform anzieht, um im Nordabschnitt der Ostfront als Infanterist zum Einsatz zu kommen. Diese "Stahlgewitter"-Monate werden als Überlebenskampf geschildert, der sich von vielen ähnlichen Berichten nicht abhebt. Haften bleibt jedoch Gregorgs Versuch, die Carpe-diem-Mentalität während eines langen Verwundetenaufenthalts in Königsberg 1943 einzufangen, geprägt vom Reigen feuchtfröhlicher Feiern mit einer auffällig enthemmten Damenwelt (Parole: Überleben! Als Schützenleutnant an der Ostfront. Verlag Siegfried Bublies, Schnellbach 2003, 171 Seiten, 14,95 Euro).

Bekanntschaftsanzeige. Interessant - da gibt jemand eine Bekanntschaftsanzeige auf und dokumentiert die Antworten. Der Autor Elmar Schepers irrt sich allerdings in einer Sache ganz gewaltig. Während er glaubt, mit allerhand Überheblichkeit über die ihm schreibenden Damen zu lästern, gibt er dem Leser einen tiefen Blick in seine eigene Zerrissenheit. Ob er oberlehrerhaft Rechtschreibfehler kenntlich macht oder sich über Nicht-Akademikerinnen lustig macht ("Die Dame möge es doch in ihrem sozialen Umfeld versuchen") - Schepers offenbart sich selbst immer mehr als soziopathischen Härtefall. Für den Leser steigt das Vergnügen in dem Maße, wie er die Chance zu diesem unfreiwilligen Voyeurismus ergreift - außerdem lernt er garantiert, wie man es sich mit der Damenwelt schnell und sicher verscherzen kann (Bekanntschaftsanzeige - Er sucht Sie, Sie sucht Ihn - Ein Ratgeber. Lynx-Verlag, Gauting 2004, 111 Seiten, 10 Euro).


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