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12/04 12. März 2004
Zeitschriftenkritik: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Eine Zeitschrift, zwei Traditionsstränge: Die Neue Gesellschaft wurde 1954 als Theorieorgan der Friedrich-Ebert-Stiftung gegründet. Nach der schweren Niederlage der SPD bei der zweiten Bundestagswahl im Jahr zuvor sollte die linke Opposition im Lande mit einem neuen Debattenblatt "aus der geistigen Enge geführt werden" (Selbstauskunft). Die Frankfurter Hefte entstanden 1946 im linkskatholischen Milieu. Zu ihren Gründern gehörten der Politologe Eugen Kogon, Autor des Buches "Der SS-Staat", sowie die Publizisten Walter Dirks, Walter Maria Guggenheimer und Clemens Münster. 1985 wurden die Frankfurter Hefte von der Neue Gesellschaft übernommen. Chefredakteur ist Peter Glotz, redaktionell verantwortlich Norbert Seitz. Jede Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitschrift (mit zwei Doppelnummern im Januar und Juli) steht unter einem Schwerpunktthema, außerdem gibt es die Sparten Essay, Dokumentation, Kultur und Kritik. Das aktuelle März-Heft widmet sich der "Zukunft der sozialen Errungenschaften". In einem Interview widerspricht Hubertus Schmoldt, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, dem antinationalen Unterton der Fragestellerin: "Was spricht dagegen zu sagen: Damit Europa stark wird, muß sich jedes Land erst mal selber stark machen?" Wie das gehen soll, versuchen Einzelbeiträge zum Umbau des Sozialstaates unter besonderer Berücksichtigung demographischer Entwicklungen, zu Arbeitszeitregelungen, zum Flächentarifvertrag und Kündigungsschutz sowie zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu ergründen. Der Erkenntnisgewinn jenseits von Allgemeinplätzen und sozialdemokratischen Positionsbeschreibungen hält sich allerdings in engen Grenzen. Bemerkenswert ist der Essay von Eckhard Fuhr zum Thema "Patriotismus". Der ehemalige FAZ-Redakteur und jetzige Feuilletonchef der Welt konstatiert, daß "unter den Deutschen die Vaterlandsliebe längst wieder keimt und artikuliert wird". Diesen neuen Patriotismus verortet Fuhr freilich nicht im "absterbenden national-konservativen Milieu", sondern in der gesellschaftlichen "Neuen Mitte". Als Beleg dafür führt er unter anderem den Kinofilm "Good Bye, Lenin!" an. Die peisgekrönte Komödie stilisiert Fuhr zu einem "massenkulturellen Zeichen eines Paradigmenwechsels", gar einer "deutschen Nationalerzählung" hoch, unterschlägt dabei aber jene kritischen Stimmen von SED-Opfern, die dem Film eine Verharmlosung der DDR-Diktatur vorwerfen. Eine Renaissance Stefan Georges sieht der junge Berliner Historiker Sebastian Ullrich (Jahrgang 1975) heraufziehen. Als Indizien gelten ihm die Monographien von Stefan Breuer und Rudolf Borchardt, die Biographie des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Robert E. Norton (JF 35/03), eine zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Konferenzen, die Gründung der Stefan-George-Gesellschaft (1994) und die Einrichtung eines Stefan George-Museums (1996) in Bingen, vor allem aber die Rezeption Georges im deutschen Feuilleton. Die Erwähnung der JUNGEN FREIHEIT in diesem Zusammenhang wäre aber wohl Ausdruck jenes geistigen Klimawandels, vor dem sich der Autor offenbar fürchtet. Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, c/o Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastr. 17, 10785 Berlin. Internet: www.frankfurter-hefte.de . Das Einzelheft kostet 5,50 zzgl. Versand, das Jahresabo 50,60 Euro. |