© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

Sicherheitsrisiken
Ironie als Stilmittel: Zur neuen Ausgabe der "Etappe"
Werner Olles

Als 1988 die erste Ausgabe der Zeitschrift Etappe erschien, bedeutete dies für so manchen Leser die Bekanntschaft mit einer Stilfigur, die einem - zumal in rechtsintellektuellen Kreisen - nicht gerade häufig über den Weg läuft. Die Ironie, darum handelt es sich nämlich, ist aber im gegenwärtigen heillosen Zustand der Gesellschaft, die sämtliche Ideale, Utopien und Theorien arrogant und selbstgefällig in ihrem Spucknapf deponiert hat, die einzige Möglichkeit, der zwischen zynischer Realpolitik und billiger Farce zerriebenen und zur Selbstreflexion verdammten Opposition gegen die fortschreitende Dissoziation alles Politischen zu einer gewissen Neuorientierung zu verhelfen.

Jetzt haben Heinz-Theo Homann und Günter Maschke die siebzehnte Etappe herausgegeben - wobei letzterer ob seiner editorischen Absenz seine "Co-Editorschaft" auf offenbar vorhandene verblüffende spirituelle Fähigkeiten seines Kollegen zurückführt. Auch diesmal werden die Darlegungen zur Lage und die Analysen politischer Leitbegriffe scharfsinnig geführt, ohne dabei im Tonfall scharf zu werden. In einer Welt ohne Zweifel, in der Ratlosigkeit sich erst dann verbreitet, wenn eine Entscheidung gefällt werden muß, wäre es auch ziemlich sinnlos, die alten Leitbegriffe wieder in Umlauf zu bringen, bloße Denkakte als Kampfmittel auszugeben oder nostalgisch-wehmütig das endgültige Ende des abendländischen Weltgeistes zu beschwören. Da ist es tatsächlich besser, die Altkleider endlich abzulegen, die angeblichen neuen Realitäten als hilflose Realitätsversuche zu erkennen und in der Einöde unserer aufgeklärten Gesellschaft die Kulturstürze der letzten vierzig Jahre aufzuarbeiten.

Bereits der erste Text von Sven K. Knebel "GermanCall - Adnoten aus der Hauptstadt" eignet sich hervorragend, um eine kontinuierliche Gesamtentwicklung zu reflektieren, die mit den "Ideen von 1914" begann und mit den "gesinnungstüchtigen" Forschungsprogrammen des neuen Jahrtausends noch lange nicht zu Ende gegangen ist. Zumindest soviel ist klar, die "drei deutschen Experimente des 20. Jahrhunderts", der NS, die DDR und die EU enthüllen sich retrospektiv nicht nur als hemmungslose Traumtänzereien oder realpolitische Ausschweifungen, sondern bezeugen vielmehr die vollkommene Absurdität einer Chronologie, deren sprunghafte Entwicklung regelmäßig mit der Zerstörung sämtlicher kulturellen Traditionen und Institutionen einherging.

Keinen Zweifel, daß "Deutschland, das beste Land der Erde" ist, läßt dagegen Hans Petri. Da im besten Deutschland, das es je gab, Ironiker jedoch bereits als Sicherheitsrisiko gelten und den semi-staatlichen Ordnungskräften der "Antifa" anheimfallen - man erinnere sich nur an den von Schröder eiskalt inszenierten "Aufstand der Anständigen" -, dürfte die Erkenntnis, daß "Afrika das langweiligste Land der Erde, tatsächlich schlimm, der langweiligste Kontinent", "Portugal das Afrika Europas" und "Kanada fast so peinlich wie Afrika" ist, zwar nicht unbedingt zur mythenzerstörenden Aufklärung beitragen, könnte andererseits aber den vielen Rätseln der Zivilisationsgeschichte ein weiteres hinzufügen. Das wäre ja immerhin auch nicht ganz schlecht.

Höchst amüsant zu lesen ist auch "Eine Tour d'Horizon, rechtsherum" von Fédor de Belloc. Weniger als Beitrag zur Ideologiegeschichte geeignet, wird hier verblüffend originell einigen Begriffsverwirrungen vorgebeugt. Von der bürgerlichen bis zur extremen Rechten werden "Ideologien", "Politische Optionen" und "Politische Stile" vorgestellt, ein wahrer Supermarkt rechter Vielfalt, der aber im Gegensatz zu dem versöhnlichen Einheitsangebot der politischen Linken und den erstarrten Chiffren der Linksintellektuellen die Unterschiede nicht verwischt.

Nein, die Staatsideologie des Linksliberalismus, die wie eine zentnerschwere Grabplatte über den proletarischen, klein- und großbürgerlichen und mittelständischen Milieus, über den Eliten und den Massen liegt, wird hier keinesfalls propagiert. Man frönt auch keinem skrupellosen Utilitarismus und bindungslosem Individualismus, und nur wer mit überirdischer Biederkeit gesegnet ist, mag solch eine Auswahl enttäuschungsfester Texte nicht goutieren.

Im toleranztrunkenen Land der Etappenschweine bleibt die Etappe - neben der inneren Emigration - dennoch ein Ort, an dem man die selbstmörderische Borniertheit und das satte Selbstbehagen der Hybridkulturen einigermaßen unbeschadet überstehen kann. Und wenn irgendwann einmal alle Irrtümer aufgeklärt und die herrlichen Wonnen der Aussichtslosigkeit endlich verflogen sind, wird man zwischen Front und Etappe auch nicht mehr unterscheiden können.

Anschrift: Etappe, Postfach 30 04 24, 53184 Bonn. Das Einzelheft kostet 10 Euro, drei Ausgaben 25 Euro.


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