© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

Entgegen aller Ideologie des Untermenschen
Zwei Werke beschreiben die wohl ungewöhnlichsten Verbündeten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg - Kosaken und Kaukasier
Matthias Bäkermann

In den neunziger Jahren vollzog sich in Rußland ein kurzfristiger Wandel in der Bewertung der Opposition gegen den Stalinismus. Sogar diejenigen, die im "Großen Vaterländischen Krieg" auf der anderen Seite für ihre Völker bzw. gegen die stalinistische Unrechtspolitik gekämpft hatten, traten aus der Acht und Bann heraus, in welcher die vermeintlichen Verräter jahrzehntelang gestanden hatten. Kosaken präsentierten ihre alten Uniformen in der Öffentlichkeit, gedachten ihrer Opfer von Krieg und stalinistischer Verfolgung. Selbst die Überlebenden der russischen Wlassow-Armee oder kaukasische Verbündete des deutschen Feindes erfuhren in Rußland sowohl in Wissenschaft als auch in der Publizistik eine fairere Beurteilung - und mit ihnen ihre militärischen Führer. Dem kommandierenden General der Kosaken, Helmuth von Pannwitz, sollte 1996 sogar eine Rehabilitierung seiner Verurteilung als Kriegsverbrecher zuteil werden. Dieses Urteil wurde 1947 mit fadenscheinigen, heute allesamt widerlegten "Beweisen" ausgesprochen und von Pannwitz darauf noch in der Moskauer Lubjanka hingerichtet.

Der 1938 geborene Journalist Werner H. Krause, als zu unbequem in den siebziger Jahren vom DDR-System inhaftiert, hatte sich vor mehreren Jahren zu dem Thema Kosaken und ihrem Kommandeur von Pannwitz in einem Artikel - wohl etwas oberflächlich - geäußert. Die kritische Leserreaktion eines ehemaligen Angehörigen dieser Einheit motivierte Krause, tiefer in die Materie einzudringen. Mit Erfolg - die nun vorliegende Monographie ist eine detailreiche Fleißarbeit auf der Höhe des Forschungsstandes über den Freiheitskampf des kosakischen Volkes. Dabei versteht Krause es, sich in der literarischen Vermittlung - ähnlich Nikolay Tolstoys Standardwerk von 1977 "Die Verratenen von Jalta" - nicht im Fußnoten-Dschungel zu verwickeln, in den seine akribische Arbeit durchaus hätte abgleiten können. Denn neben allen wesentlichen Publikationen und den zugänglichen Quellen konnte Krause auch auf bisher unveröffentlichtes Material von Zeitzeugen oder deren Angehörigen zurückgreifen. Kritisch ist das Fehlen eines Registers zu monieren.

An der Schnittstelle zwischen Wehrmacht und Kosaken steht natürlich Helmuth von Pannwitz, zuletzt Generalleutnant, der von seinen kosakischen Untergebenen wenige Wochen vor Kriegsschluß ihre höchsteigene Beförderung zum "Feldataman aller Kosakenheere" erfuhr - eine nie zuvor oder danach einem Nichtkosaken zuteil gewordene Ehrung. Der Sohn aus oberschlesischem Adel, dessen Vorfahren schon unter Friedrich dem Großen dienten, nahm bereits in frühester Jugend Kontakt zu Kosaken auf. Direkt jenseits der damaligen schlesischen Grenze zu Rußland und der Pannwitzschen Domäne Bodzanowitz lag eine Garnison von Kosaken, die als Garde des Zaren dessen Westgrenze zum Deutschen Reich sichern sollten. Den Jungen faszinierten früh die tollkühnen Reiter mit ihren fremdartigen Uniformen und archaischen Bärten, denen er bei seinen Grenzgängen begegnete. Einer erneuten Begegnung sollte noch ein halbes Soldatenleben in drei politischen Systemen vorausgehen.

Die Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung in der Sowjetunion ließ den an den Flüssen Don, Kuban und Terek, aber auch bis in die sibirische Taiga siedelnden Kosaken die Besatzung ihrer Gebiete durch die deutsche Wehrmacht im Sommer 1942 wie eine Befreiung erscheinen. Schnell zeichnete sich bei ihnen die Bereitschaft ab, gegen Stalin zu kämpfen. Der Stabsoffizier Helmuth von Pannwitz erkannte als einer der Ersten die Chance, aus diesen Kriegern nützliche Waffenbrüder zu gewinnen. Im Generalstab des Heeres konnte er den späteren Generalfeldmarschall Ewald von Kleist davon überzeugen, eine eigene Truppe mit Freiwilligen unter deutschen Kommando zu formieren.

In dem masowischen Städtchen Mielau (Mlawa) konnte von Pannwitz ab Herbst 1943 die ersten Einheiten aufstellen. Für die deutschen Offiziere - vielfach noch mit militärischen Wurzeln in der Kavallerie - bedeutete die Schaffung einer Kampfeinheit, die auf einer schlagkräftigen Reiterei gründete, eine interessante Herausforderung. Später erwies sich, daß berittene Einheiten in besonderen Einsatzräumen gegenüber den infanteristischen oder motorisierten Einheiten wegen ihrer geländeunabhängigen Beweglichkeit und Schnelligkeit geradezu wie geschaffen waren. Das galt insbesondere im Kampf gegen Partisanen. Zur Enttäuschung der Kosaken wurde demzufolge ihr erstes - und, wie sich zeigen sollte, auch einziges - Operationsgebiet der Brennpunkt Balkan.

Längst waren dort die kommunistischen Tito-Partisanen zu einer derart bedrohlichen Stärke angewachsen, daß zumindest die Einheiten des verbündeten Kroatien vollkommen überfordert waren. Über das damals von Zagreb okkupierte Bosnien übten die Partisanen bereits die Kontrolle aus. Die in die Kosakenregimenter gesetzten Hoffnungen sollten nicht trügen. Sie kämpften in kleinen Einheiten und scheuten weder vor unwegsamem Gelände noch vor sich darin in Sicherheit wiegenden Partisanen zurück. In der großen Offensive im Mai 1944 (Operation Ingeborg) wäre es den Kosaken sogar um ein Haar gelungen, Josip Tito und seinen britischen Verbindungsoffizier Randolph Churchill - Sohn des britischen Premiers - in ihrem Höhlenversteck im nordwestlichen Bosnien gefangenzunehmen.

Ein erwünschter Kampf gegen die Rote Armee blieb den Kosaken vorenthalten. Im Gegensatz zur "Wlassow-Armee", der die Oberste Heeresleitung bis zum Schluß mißtraute und deren Einsatz an der Ostfront sie zu verhindern wußte, bestanden derartige Vorbehalte nicht gegenüber den Kosaken. Vielmehr deutet vieles darauf hin, daß sich ihre Verwendung im Operationsraum Balkan so bewährte, daß ein Abzug in den Osten nicht in Erwägung gezogen wurde. Damit unterschieden sie sich auch von den etwa 100.000 auf deutscher Seite kämpfenden Kaukasiern. Die meisten der in national gegliederten "Ostlegionen" organisierten Verbände von Georgiern, Tschetschenen, Armeniern, Kalmücken, Aserbaidschanern und anderen Kaukasusvölkern kämpften sogar an Schlüsselpositionen der Ostfront, wie bei Perekop auf der Krim. Ein Teil der Kaukasier war im "Sonderverband Bergmann" zusammengefaßt, den der Königsberger Nationalökonom, "Ostideologe" und spätere Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer zusammenstellte und zwei Jahre lang bis Juli 1943 auch kommandierte. Die früheren "Bergmann"-Offiziere Albert Jeloschek, Friedrich Richter, Ehrenfried Schütte und Johannes Semler fassen die Geschichte dieses Verbandes facettenreich zusammen. Nachteilig ist nur, daß kein durchgehender Text entstanden ist, sondern eine Sammlung von Dokumenten, Berichten und Briefen, die stärker den Charakter einer fleißigen Quellenedition als den erzählter Zeitgeschichte trägt. Dabei kam es zwangsläufig auch zu Kürzungen, wie etwa in der Darstellung der einst heftig umstrittenen Rolle Oberländers, der in Denkschriften auf ostpolitischen Gegenkurs zu den "Lebensraum"-Konzeptionen der SS geriet.

Die Kampfeinheiten der Kosaken und Kaukasier zogen im Laufe des Krieges begehrliche Blicke auf sich. Die Führung der Waffen-SS strebte an, die aus diesem Gebiet entstandenen Einheiten - ähnlich den westeuropäischen Freiwilligenheeren - unter ihr Kommando zu stellen. Doch die meisten der "Ostbataillone" und "Ostlegionen" blieben dem Oberkommando der Heeres unterstellt. Bei den Sonderverbänden, insbesondere jedoch bei dem Kosakenkorps gab es ab Juli 1944 eine teilweise Zuteilung zur Waffen-SS. Diese Tatsache, aber auch die in der Führung der Waffen-SS kolportierte Behauptung, von Pannwitz sei einer von ihnen geworden, wird in einigen Werken der Sekundärliteratur bis heute dahingehend ausgelegt, daß die Kosaken ab 1944 einen SS-Verband darstellten. Dagegen spricht allerdings, daß die Besoldung bis zum Ende von Heeresstellen vorgenommen wurde und sich auch Dienstgradbezeichnungen, Uniform und Schulterstücke nach 1944 nicht änderten. Krause führt an, daß in der Unterredung zwischen von Pannwitz und Himmler im August 1944 nur die versorgungsmäßige Zuteilung der Kosaken zur SS beschlossen worden sei, um dringend auf dem Balkan benötigte schwere Waffen sicherzustellen.

Mit dem sich immer mehr abzeichnenden Kriegsende drohte den verbündeten Verbänden der Deutschen ein hartes Schicksal. Besonders galt dies natürlich für die dem Herrschaftsbereich Stalins Entstammenden. Da selbst in deutsche Gefangenschaft geratene Rotarmisten als Deserteure behandelt wurden, brauchten sich die Kämpfer auf der Seite von Wehrmacht und SS keinen Illusionen hinzugeben. Die Kosaken, deren Familien sich unweit ihrer Garnisonen und Verfügungsräume aufhielten - zuletzt in der slowenisch-friaulischen Region nördlich von Triest -, hatten deshalb den Ehrgeiz, in ihrer Absetzbewegung im Mai 1945 in den militärischen Bereich der Westalliierten zu gelangen. So entstand nahe der Osttiroler Stadt Lienz eine Lagerstadt mit weit über 20.000 Kosaken und ihren Pferden. Die Führung des Kosakenkorps nahm Kontakt zu den hier vordringenden Briten auf. Mit der Zusage einiger britischer Offiziere, von einer Auslieferung an die Sowjetunion abzusehen, wurde das Kosakenkorps am 12. Mai 1945 entwaffnet.

Allerdings waren die Würfel auf höchster politischer Ebene anders gefallen. Stalin stellte bereits in Jalta sicher, daß die Kosaken seinem Blutgericht nicht entgehen sollten. Bei Judenburg an der Mur fand die Geschichte der Kosaken mit ihrer Auslieferung an die auf der anderen Flußseite wartende Rote Armee ihren tragischen Abschluß. Dramatische Szenen spielten sich ab. Ganze Familien verübten Selbstmord, indem sie sich in die Schlucht der Mur stürzten. Ihr Feldataman von Pannwitz und einige andere deutschen Offiziere ließen sich freiwillig aus dem britischen Arrest an die Sowjets überstellen. Die nun folgende Odyssee "ihres" Volkes konnten sie nur noch teilen - den meisten war der Tod gewiß.

Die geplante Rehabilitierung ihres "Batjuschka General" konnten auch gegenwärtige Vertreter der Kosaken doch nicht mehr erwirken. Die Adaption der glorreichen Geschichte der Sowjetarmee soll im russischen Nationalbewußtsein durch keine störenden Aspekte getrübt werden.

Foto: Kommandierender General des Kosakenkorps Helmuth von Pannwitz in der Uniform seiner Kosaken, 1944: Faire Beurteilung

Werner H. Krause: Kosaken und Wehrmacht. Der Freiheitskampf eines Volkes. Leopold Stocker Verlag, Graz 2003, 320 Seiten, gebunden, Abbildungen, 29,90 Euro

Albert Jeloschek, Friedrich Richter, Ehrenfried Schütte, Johannes Semler: Freiwillige vom Kaukasus. Leopold Stocker Verlag, Graz 2003, 374 Seiten, gebunden, Abbildungen, 29,90 Euro


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