© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

Leserbriefe

Zu: "Wer an ein Tabu rührt, muß vernichtet werden", Interview mit Reinhard Günzel, JF 10/04

Ehr- und würdeloser Minister

Ich habe Ihr Interview mit dem General Günzel gelesen und danke Ihnen herzlich dafür, daß diesem aufrechten Manne endlich Gelegenheit gegeben wurde, zum unverschämten, ehr- und würdelosen Verhalten eines deutschen Ministers Stellung nehmen zu können. Dem General ist unumwunden zuzustimmen: die Bundeswehr ist durch und durch politisiert und offenbar bereit, jedes noch so absurde politische Ziel zu schlucken. Aus eigenem Erleben weiß ich, daß Patriotismus nicht mehr zu den Grundtugenden des Soldaten zählt. Selbst das Soldatische geht vielen Kameraden ab, die nichts anderes antreibt, als täglich nur ihren 7,5-Stunden-Job abzureißen.

In einer Diskussion mit Studenten fiel vor einiger Zeit die Frage zur Motivation der Wehrmacht, in Stalingrad zu kämpfen bis zum Untergang. Ich versuchte es mit der Antwort, daß die Landser wohl dachten, dort an der Wolga werde für Deutschland gekämpft. Aus der Runde der Studenten erfolgte Hohngelächter! Das blieb ihnen zweifellos im Halse stecken, als wenig später der bekannte Spruch von Minister Struck durch die Medien geisterte, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt.

General Günzel hat recht: die Bundeswehr hat sich die Erfahrung der Helden des 20. Juli 1944 zu Herzen genommen. Niemals mehr soll es Widerspruch, ja Widerstand aus den Reihen der Soldaten gegen das "Primat der Politik" geben. Den "mündigen Bürger in Uniform" gibt es nicht!

Olaf Haselhorst, Hamburg

 

Hochachtung

Im Interview sagt General Günzel: "Einmal werden die Etablierten den Bogen überspannen". Ja, so wird es sein. Die Antisemitismuskeule verliert zunehmend an Wirksamkeit. Noch kann man ein ganzes Volk damit bewußtlos schlagen, aber wie lange noch? Für mich verkörpert General Günzel beste soldatische Tugenden, insbesondere Tapferkeit und Mut. Er hat unser aller Hochachtung verdient.

Zum Schluß noch ein Wort zu unserem Herrn Verteidigungsminister Struck, der so gerne und ausführlich über "Anstand" spricht: Sie haben einen untadeligen Offizier der Bundeswehr grundlos beschädigt, zerstört und beseitigt. Damit haben Sie die Schlagkraft der Truppe und zugleich die Sicherheit des Landes gefährdet. Und Sie waren dazu nicht legitimiert, denn Ihre Anschuldigung des Anti-Semitismus kann spätestens mit der Einstellung der diesbezüglichen Strafverfahren gegen Hohmann nicht länger aufrecht- erhalten werden. Falls Sie also den Begriff "Anstand" auch für sich gelten lassen wollen, dann treten Sie zurück und entschuldigen sich bei General Günzel. Alles andere wäre in höchstem Maße unanständig.

Dr. Joachim Bullinger, Offenbach

 

Keine Treue

Mit der Stimme des Bundesministers für Verteidigung hat die juristische Person Bundesrepublik Deutschland gesprochen. Ein hochdekorierter General ist nach 41 tadellosen Dienstjahren von der Bundesrepublik Deutschland unehrenhaft entlassen worden. "Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden", so steht im Paragraph 1 des Soldatengesetzes. Hat der Staat hier durch die unehrenhafte Entlassung des Generals (unter erniedrigenden Umständen!) nicht seine Treue unter Beweis gestellt? Was soll einem durch den Kopf gehen, der erst vor ein paar Jahren geschworen hat, "der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen"? Das Soldatengesetz hat recht: Die Treue soll gegenseitig sein!

Valentin Werbitz, per E-Post

 

Hacken zusammennehmen

Heeresinspekteur Gudera soll seinen Abschied, neben der Affäre Günzel, auch wegen der vom Vereidigungsminister angeordneten neuen Heeresstruktur genommen haben, die er nicht vertreten zu können meint. Der ehemalige Generalinspekteur und derzeitige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, General Kujat, wagte es, seinen Respekt vor dieser Entscheidung Guderas auszudrücken. Prompt folgte der Vorwurf des Ministers, Kujat habe keinerlei Personalvorgänge in der Bundeswehr zu kommentieren, worauf der gehorsamst dem Minister versicherte, "geistig die Hacken zusammenzunehmen" und das Ungehörige seiner Äußerung einzusehen!

Adalbert Taufler, München

 

Mündige Bürger fehlen

Ein gehorsamer Soldat mit Geschichtsbewußtsein, Liebe zum Vaterland, Opfermut, Vertrauen in die demokratische Lebensordnung wird gesinnungsdiktatorisch, willkürlich aus dem Dienst gejagt. Wen wundert angesichts solchen Demokratieverständnisses die sich ausbreitende Politik- und Staatsverdrossenheit in dieser Republik? Führen durch Erschrecken, Entmündigung, Verbreiten von Angst - wahrhaft vertrauensbildende Maßnahmen durch die Partei, die sich als Lehrmeister der Demokratie aufspielt.

Es ist traurig, aber gewiß: Dieser "demokratischen Gesellschaft" fehlen die erforderlichen souveränen, mündigen Bürger. Sonst gäbe es einen Sturm der Proteste, eine riesige Welle der Solidarität, vor allem in der "Armee aus Staatsbürgern". Herr Struck und seine Genossen müssen sich dieser Unmündigkeit bewußt sein, sonst würden sie nicht so dreist handeln.

General Günzel gehört meine ganze Sympathie. Deutschland braucht Männer wie ihn und Abgeordnete wie Martin Hohmann. Gerade weil sie Ecken und Kanten haben, nicht aalglatt spuren, sind sie prädestiniert, an vorderster Front die Freiheit nach außen und innen zu verteidigen.

Theo Hirschboeck, per E-Post

 

Vorbildlicher Soldat

Hätte die Bundeswehr nach Abgang der Kriegsteilnehmer nur ein paar Dutzend Generale vom Format eines Reinhard Günzel gehabt, müßte man sich weniger um sie Sorgen machen.

Die ehrlose Behandlung dieses vorbildlichen Soldaten paßt in eine Zeit des Wertewandels und zu einer Truppe und ihren Führern, in der die Gegeneliten längst dominieren und wo Zivilcourage zwar noch gefordert, aber dort wo sie gewagt wird, zur Ausgrenzung führt.

Konrad Zimmer, Königsberg in Unterfranken

 

Für den Papierkorb

Durch die neue Reform der Bundeswehr werden die eigentlichen Probleme bestimmt wieder nicht gelöst. Allein die angestrebte Gesamtstärke von 250.000 Mann ist vor dem Hintergrund des europaweiten Trends zu (kleineren) Berufsarmeen, und der (angeblich) knappen Kassen nicht zu halten. Auffällig auch das Ungleichgewicht von Einsatz-, Stabilisierungs- und Basiskräften. Man kann die letzteren auch "Etappe" nennen. Und über einer immer kleiner werdenden Truppe baut sich ein immer größer werdender Apparat von Stäben, Dienststellen und Ämtern auf. Die begonnene Neuplanung dürfte somit wieder für den "Papierkorb" sein.

Soviel bisher über Strukturen, Ausrüstung und natürlich Geld geredet wurde, sowenig wird über die innere Verfassung der Bundeswehr diskutiert! Offenbar ein Tabuthema. Ausgenommen natürlich, wenn Rechtsradikalismus gewittert wird. Ein halbes Jahrhundert innere Führung hat Spuren hinterlassen. Und so manchem Staatsbürger in Uniform kam das für den Auftrag erforderliche Berufsbild abhanden. Kein Wunder, über Jahrzehnte wurde verkündet: "Der Friede ist der Ernstfall". Oder auch: "Die Bundeswehr ist ein notwendiges Übel." Wer aber an der letzteren These Anstoß nahm, war nach Meinung des großen Reformers von Baudissin "politisch zurückgeblieben"! Neu ist: Soziale Forderungen, können inzwischen auch mit Trillerpfeifen und Transparenten (in der Öffentlichkeit und in Uniform!) artikuliert werden.

Johann Troltsch, Kempten

 

 

Zu: "Die Türken fühlen sich als Europäer", Interview mit Faruk Sen, JF 09/04

Asylregelung außen vor

Die auf eine Mitgliedschaft seines Herkunftslandes gerichteten Bestrebungen des Leiters des Zentrums für Türkenstudien, Faruk Sen, sind sicher, unabhängig von den zahlreichen gewichtigen Ablehnungsgründen, nachvollziehbar. Seine Ausführungen zu unseren Problemen mit dem hier lebenden türkischen und türkischstämmigen Bevölkerungsteil - wie Ghettobildung, Sprachprobleme, fehlende schulische und berufliche Qualifikation etc. -, die er durch verstärkte Integration und Chancengleichheit meint lösen zu können, sind angesichts einer nach wie vor verfehlten Zuwanderungspolitik, fehlender finanzieller Mittel sowie einer beharrlichen Integrationsunwilligkeit und -unfähigkeit der Betreffenden ebenso realitätsfern wie die hierzu sattsam bekannten Auslassungen unserer etablierten Politikerklasse. Im übrigen wurde in diesem Gespräch leider versäumt, darauf hinzuweisen, daß immer noch türkische Staatsbürger an der Spitze der Asylbewerber in Deutschland stehen und die Türkei immer noch kein Rücknahmeabkommen für abgelehnte Asylbewerber mit der EU hat. 

Rolf Bauer, Stuttgart

 

Fremde Begriffe

Seit Jahrzehnten wird das Thema Zuwanderung bei uns erschreckend leichtsinnig behandelt: entweder engstirnig merkantil oder ideologisch berauscht. Der Steuerungsbegriff Bevölkerungsdichte, der zum Handwerk der Stadt-, Regional- und Landesplanung gehört, ist den Politschwätzern fremd. Man will ein Zuwanderungsgesetz ähnlich wie Kanada und die USA. Sind diese Leute von allen guten Geistern verlassen? Die USA haben eine Bevölkerungsdichte um die 28 Einwohner pro Quadratkilometer (E/km2) - so wie Deutschland einst im 13. Jahrhundert. Heute leben wir Deutschen dichtgedrängt mit einer vielfach höheren Dichte von durchschnittlich ca. 230 E/km2. Bei rund 76 E/km2 liegt die vergleichsweise dünnbesiedelte Türkei.

Nach ökologischen Mindesterfordernissen darf Deutschland 60 Millionen haben. Was wir in Deutschland und in den Nachbarländern schon lange brauchen, sind harte Obergrenzen der Bevölkerungsdichte, die jegliche Art von Zuwanderung verbieten und sofortige Rückführungen auslösen müssen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten sind. Diese harten Obergrenzen müssen verbindlich - auch in der Verfassung - festgeschrieben und durchsetzbar sein, wenn wir Katastrophen vermeiden wollen.

Vergessen wir nicht: Sinn und Zweck des vereinten Europa sind nicht die Wünsche einer kurzsichtigen Wirtschaft, sondern vorrangig die Vermeidung von kriegsähnlichen Zuständen und Krieg.

Jochen Weber, Kirchheim

 

 

Zur Meldung: "Schneiderhan für Wehrpflicht-Armee", JF 08/04

Pazifismus nötig

Aus der Sicht als Frontsoldat des Zweiten Weltkriegs muß ich dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, widersprechen, wenn er sich gegen eine Abschaffung der Wehrpflicht einsetzt. Vielmehr müßte er das Ziel aller sich für die sogenannte "neue Weltordnung" verantwortlich fühlenden Politiker und Militärs sein, den Militarismus nicht nur zu reformieren, wie es Verteidigungsminister Peter Struck anstrebt, sondern gänzlich und weltweit abzuschaffen.

Denn die lange Spur von Greuel und Grauen, die der Krieg in der Geschichte der Menschheit hinterlassen hat, ist so ungeheuerlich, die Not und das Elend, das er verursacht, so entsetzlich, seine Formen bis hin zu dem durchaus möglichen Ruin der Menschheit so zerstörerisch, die Energie, ihn zu führen, derart verschwenderisch, daß es nicht übertrieben scheint, im Krieg die Verkörperung des Bösen an sich zu erblicken. Was immer an Gemeinheit, Grausamkeit, Hinterlist, Lüge und Bosheit Menschen einander zufügen können, im Krieg wird es geplant, organisiert, perfektioniert, verherrlicht, ja belohnt. Alles, was in Friedenszeiten nur Abscheu und Ekel erregen könnte, muß monatelang trainiert werden, ehe Menschen als Soldaten zum Kriegseinsatz fähig werden.

Die Geschichte lehrt, daß es keinen anderen Weg gibt als den der Hinwendung zu einem konsequenten Pazifismus, um der Menschheit endlich den lang ersehnten Frieden zu bringen.

Franz Wellschmidt, Waldbrunn

 

 

Zu: "Genugtuung über die riesige Zahl von Toten geäußert" von Lothar Groppe SJ, JF 08/04

Harris unschuldig?

Daß die Kunst- und Zufluchts-Stadt an der Elbe als Angriffsziel bestimmt wurde und im Feuersturm des 13. Auf den 14. Februar 1945 unterging, lastet die Nachwelt bekanntlich dem Oberkommandierenden des britischen Bomberkommandos, Arthur Harris, an und ließ ihn mit dem Beinamen "Bomber-Harris" in die Kriegsgeschichte eingehen. Er soll für den tausendfachen Bombentod der Dresdner und der von ihnen aufgenommenen Ostflüchtlinge verantwortlich sein und damit in der Nähe von Kriegsverbrechern stehen.

Zeitzeuge O'Flanagan versichert dagegen in seinem Bericht, daß diese Schuldzuweisung ungerecht und Harris von der Benennung Dresdens als Angriffsziel selbst überrascht worden sei. Er habe deswegen das Luftfahrtministerium ausdrücklich um Bestätigung des Befehls gebeten und dabei erfahren, daß man dort "nur Anweisungen weitergebe , die man von den für die höhere Kriegführung Verantwortlichen erhalten habe." "Das Bomberkommando", so O'Flanagan, "hatte Dresden niemals als Ziel vorgesehen" Als Beweis für die Richtigkeit seiner Aussage führt er die Tatsache an, "daß die gebräuchlichen Zielkarten, wie sie für alle zu erwartenden Einsätze vorbereitet wurden, nicht zur Verfügung standen." Welchen Rang die "für die höhere Kriegsführung Verantwortlichen" bei den Westalliierten hatten, deutet ein persönliches "Memorandum" US-Präsident Roosevelts "für Marschall Stalin" vom 8. Februar 1945 an. Darin ist von der erbarmungslosen Luftkriegführung gegen Deutschland und den "Möglichkeiten für ähnliche Angriffe von Basen auf dem von den Sowjets kontrollierten Territorium aus" die Rede. Und das wenige Tage vor der verheerenden Angriff auf Dresden, an dem sich bekanntlich neben britischen auch amerikanische Flugzeuge beteiligten.

Deren offizielle Kriegs-Chronologie bringt über den Angriff auf Dresden nur den trockenen Hinweis, daß es am "14. Februar einen Angriff der 8. Luftflotte mit annähernd 1.300 schweren Bombern auf Dresden, Chemnitz, Magdeburg und Hof gegeben hat, bei welchem zahlreiche Ziele getroffen und 20 (deutsche) Jagdflugzeuge zerstört worden" seien.

Dr. Alfred Schickel, Dunsdorf

 

Coventry war militärisches Ziel

Die Bombardierung von Coventry läßt sich aus mehreren Gründen nicht mit der Bombardierung Dresdens vergleichen. Bei den Deutschen stand nicht die Verbreitung von Entsetzen und Tod im Vordergrund, sondern das militärische Ziel - man vergleiche die geflogenen Flugzeugmuster, und nur die deutsche Luftwaffe hatte bei Kriegsausbruch Sturzkampfbomber und entwickelte schon früh raffinierte Zielfindungsverfahren! In Coventry sollten die Short-Flugzeugwerke, die kurz vor der Fertigstellung eines viermotorigen Bombers standen, entscheidend getroffen werden. Dazu wurde Coventry mit Funkleitstrahlen ins Visier genommen, und auf diesen Funkleitstrahlen flogen die ersten Bomberverbände aus Vannes (Westfrankreich) Coventry an. Mit zwei weiteren Funkleitstrahlen aus dem besetzten Benelux bekamen die Bomberbesatzungen das Signal zum Ausklinken der Bomben. Das Ergebnis: Die Short-Werke in der Innenstadt von Coventry wurden so schwer getroffen, daß sie für die nächsten Monate ausfielen. Leider kam es auch zu Kollateralschäden an anderen Gebäuden; Coventry, das 1939 schon 213.000 Einwohner hatte, mußte nach fast zehnstündigem Angriff nur 568 Tote beklagen - bezogen auf die Einwohnerzahl waren das 0,25 Prozent der Bevölkerung. Heute würde man das einen "chirurgischen Schlag" nennen. Ganz anders funktionierte das Target Area Bombing der Briten. Man bombardierte nicht das eigentliche Ziel, sondern ein Zielgebiet von etlichen Quadratkilometern - ein Kriegsverbrechen! Übrigens wurde die Enttrümmerung Dresdens noch zu DDR-Zeiten bis 1968 fortgesetzt und danach abgebrochen. Bis dahin nicht erreichte Keller wurde zugeschüttet und planiert.

Reinhard Wick, Bielefeld


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