© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/04 19. März 2004

Die Angst in Prag, Rom und Warschau steigt
Europa: Nach den Terroranschlägen von Madrid werden die Sicherheitsvorkehrungen in den Irak-Kriegs-Ländern verstärkt
Jan Hambura

Nach den schrecklichen Anschlägen in Madrid ist auch die Angst in den anderen Ländern des "Neuen Europa" sichtlich gestiegen - speziell nachdem der spanische Innenminister Ángel Acebes bekanntgegeben hatte, daß in einem "Bekenner-Video" ein arabisch sprechender Mann im Namen des Terrornetzwerks al-Qaida die Verantwortung für die Attentate übernommen und das Blutbad als Antwort auf die Unterstützung Spaniens für den Irak-Krieg bezeichnet habe.

Nach dem Massaker von Madrid wurden daher auch in Polen, dessen Links-Regierung den Irak-Krieg vorbehaltlos unterstützt hatte, die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Obwohl es laut offiziellen Angaben keine konkreten Terrorwarnungen gegen diese Länder gab, wurden in dem künftigen EU-Land die Grenzkontrollen verschärft und die Ordnungskräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Die Überwachung von Flughäfen, Bahnhöfen und anderen Verkehrsknotenpunkten wurde intensiviert.

Der polnische Premier Leszek Miller erklärte, daß die Anschläge von Madrid kein Anlaß für Polen seien, sich aus dem Irak zurückzuziehen. Präsident Aleksander Kwasniewski fügte hinzu, die Anwort auf Terrorismus sei ein kräftiges Europa und ein kräftiges Polen in Europa. Letzten Donnerstag, am Tag der Anschläge, fügte das polnische Parlament, der Sejm, "terroristische Handlungen" als Straftat zum polnischen Recht hinzu.

Das italienische Innenministerium teilte mit, daß bereits kurz nach den Anschlägen die Stadtverwaltungen, Polizeistationen und andere Behörden aufgefordert wurden, ihre Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen. Für den öffentlichen Verkehr jedoch gebe es keine besonderen Schutzvorkehrungen. Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi warnte davor, daß Italien das nächste Ziel der Terroristen sein könne.

Auch in der Tschechei - wie Polen im Irak engagiert - wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht, auch die von Atomkraftwerken und Trinkwassereinrichtungen. Der tschechische Außenminister Stanislav Gross erklärte in Prag, daß seine Regierung auf weitere Informationen aus Madrid warte und ihr Vorgehen davon abhängig mache.

Die polnische Boulevardzeitung Super Express berichtete nach den Anschlägen in Madrid in ihrer Samstagsausgabe, daß Polen schon im Dezember 2003 Anschlagsziel von Islamisten sein sollte. Damals sei Arabern mit deutscher Staatsangehörigkeit die Einreise nach Polen verweigert worden, nachdem die Geheimdienste der USA, Israels, Großbritanniens und Spaniens die Agentur für Innere Sicherheit in Polen vor dem Eindringen von Terroristen nach Polen gewarnt hatten.

Indes bestätigte Miller Berichte, wonach vor Weihnachten letzten Jahres zwei Terroranschläge vereitelt werden konnten. Zu den Einzelheiten äußerte sich der Ex-Kommunist und jetzige US-Alliierte jedoch nicht. Laut Super Express wurde in Spanien bei Personen, die dem Terrorismus nahestehen, ein Video gefunden, auf dem die Bahnhöfe in Danzig und Warschau sehr detailliert zu sehen sind. So seien zum Beispiel alle Ein- und Ausgänge darin sichtbar. Es wird daher davon ausgegangen, daß die Aufnahmen mit einer kleinen versteckten Kamera gedreht wurden.

Ein weiteres potentielles Ziel von Terroristen könnte neben Bahnhöfen erneut der Flugverkehr sein, da im November letzten Jahres in Polen zwei unvollständige Pilotenuniformen geklaut wurden.

Vom 28. bis zum 30. April diesen Jahres - am Vorabend des EU-Beitritts - soll in Warschau der Europäische Wirtschaftsgipfel stattfinden, zu dem der polnische Präsident eingeladen hat. Nun ist eine Diskussion darüber ausgebrochen, inwieweit Warschau im Hinblick auf mögliche Anschläge auf so ein Großereignis vorbereitet sei. Warschaus Oberbürgermeister, der Konservative Lech Kaczynski, hat sich deshalb gegen den Gipfel in der Hauptstadt ausgesprochen.

Als Alternative zu Warschau wurde nun immer wieder die Stadt Posen genannt. Doch statt im Warschauer Kulturpalast soll der Europäische Wirtschaftsgipfel nun wahrscheinlich in einem Hotel im Zentrum Warschaus stattfinden, das leichter zu beschützen sei als der riesige Prachtbau, in dessen unmittelbarer Nähe sich zwei Bahnhöfe und eine U-Bahn-Station befinden.


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