© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/04 19. März 2004

Frisch gepresst

Schreib-Maschine. Ein neues Interesse an Stefan Zweig ist zu vermelden. Es geht weniger vom Lesepublikum aus, das dem mit vielen Nachauflagen präsenten Erfolgsautor treu geblieben ist. Nun entdecken auch die Literaturhistoriker die "populäre" Biographien am Fließband produzierende "Schreib-Maschine" Zweig. So erscheint seit 1995 der von Knut Beck edierte Briefwechsel, dessen letzter Band in diesem Jahr zu erwarten ist. Gert Kerschbaumer war es also gerade rechtzeitig vergönnt, aus diesen Quellen "exklusiv" Material für seine Biographie des "fliegenden Salzburgers" zu gewinnen. Leider ist Kerschbaumer jedoch vom Alltagswust der Korrespondenz, die Zweigs nach 1933 eskalierende "Beziehungskrise" bis in die Feinheiten steuerrechtlicher Details dokumentiert, erdrückt worden. Gerade im zweiten Teil, der die ersten Schritte in die Emigration beschreibt, fehlt ihm jede Kraft, den Stoff zu strukturieren. Und gegen Ende verliert er sogar die Lust zur Recherche, wenn er das schwache Presseecho nur andeutet, so daß Volker Weidermann (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 4. Januar 2004) folgert: In "Nazi-Deutschland" wurde dieser Tod ignoriert. Kerschbaumer und Weidermann sollten einmal einen Blick in den Westdeutschen Beobachter vom 26. Februar 1942 tun, wo Eugen Skasa-Weiß fast eine Seite erhält, um über die "Konsequenz" des "jüdischen Selbstgerichts im luftleeren Raum" zu triumphieren (Stefan Zweig. Der fliegende Salzburger. Residenz Verlag, Salzburg 2003, 511 Seiten, Abbildungen, 32 Euro).

Horst Janssen. Die Edition privater Tagebücher oder Briefe Verstorbener ist ein heikles Unterfangen. Sie rechtfertigt sich vor allem durch einen Informa-tions- und Erkenntniszuwachs, den Außenstehende bei der Lektüre erfahren. Im Fall des Zeichners und Graphikers Horst Janssen (1929-1995) ist dieses Unternehmen zweimal geglückt. Die Tagebuchnotizen und Briefe an seinen Freund Joachim Fest von Reisen nach Skandinavien (JF 26/01) sowie in die Schweiz und nach Italien (JF 42/02) haben dem Leser interessante Einblicke in Janssens künstlerischen Schaffensprozeß sowie vielfältige Eindrücke von seiner Gedanken- und Gefühlswelt vermittelt. Das läßt sich von dem soeben erschienenen Band mit Briefen an Janssens zeitweilige Lebenspartnerin und Mutter seines Sohnes Adam, Gesche Tietjens, leider nicht sagen. Allzu selten weisen die weit über einhundert Briefe aus den Jahren zwischen 1969 und 1986 über das komplizierte, rein persönliche Beziehungswirrwar hinaus, anderes bleibt trotz der Erläuterungen im Anhang unverständlich. Lesenswert ist allein das Vorwort Gesche Tietjens, das noch einmal den schwierigen Charakter Janssens spiegelt. (Horst Janssen: "Ach, Liebste, flieg mir nicht weg" - Briefe an Gesche. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004, gebunden, 254 Seiten, zahlr. Abbildungen, 22,90 Euro).


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