© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/04 02. April 2004

PRO&CONTRA
Kampf gegen den Terror verstärken?
Norbert Geis / Wolf R. Dombrowsky

Die Furcht vor dem Terror, der plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht und zuschlägt, begleitet uns Tag und Nacht. Es muß nicht erst zum großen Krieg kommen, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Die anonymen Mächte des Terrors, die an allen Orten präsent sein können, verfolgen uns bis in unseren gewöhnlichen Alltag hinein.

Die Politik darf nicht untätig warten, bis der nächste Schlag folgt. Der Staat muß alles unternehmen, um das Leben der Menschen zu schützen, auch wenn dies auf Kosten der Freizügigkeit und liebgewordener Gewohnheiten geht. Alles Zögern wäre unverantwortlich. Die Terroristen suchen den aus ihrer Sicht größtmöglichen Erfolg. Sie greifen an, wo sie Menschenleben in großer Zahl treffen können. Das zeigen die menschenverachtenden Anschläge vom 11. September 2001 in New York, von Riad, Jakarta, Bali, Istanbul und von Madrid. Deshalb müssen wir solche Plätze, wo sich Menschen ansammeln, in Fußballstadien, in Fußgängerzonen, aber auch auf Messegeländen und Märkten, wie der geplante Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von Straßburg gezeigt hat, besonders schützen. Warum sollen auf Bahnhöfen nicht ähnliche Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen werden können, wie auf Flughäfen?

Es muß möglich sein, Terrorverdächtige oder extremistische Ausländer ohne langes Ermittlungsverfahren und ohne Verurteilung sofort aus Deutschland ausweisen zu können. Es war von Rot-Grün falsch, das Werben für terroristische Vereinigungen straffrei zu stellen. Ebenso falsch war die Anweisung des Auswärtigen Amtes, bei Visaanträgen ohne Rücksicht auf unsere Sicherheit im Zweifel zu Gunsten des einreisewilligen Ausländers zu entscheiden. Geradezu abwegig ist die Diskussion, wann die Bundeswehr die Polizei im Kampf gegen den Terror unterstützen darf und wann nicht. Der Staat muß alle Kräfte mobilisieren, um Terroranschläge zu verhindern.

 

Norbert Geis ist CSU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Innenausschuß.

 

 

Wären da nicht die Opfer, die Angehörigen und die Hinterbliebenen, man müßte den Terroristen von Madrid dankbar sein, daß sie endlich wahr werden ließen, was man ihnen seit dem 11. September unterstellte. Der Kampf gegen den Terror hatte sich als nackte Lüge erwiesen, der das, was uns heilig sein sollte, im Irak in den Staub trat oder andernorts aus dem Rollstuhl schoß. Sehen so Demokratie und Menschenrechte aus? Ist dies die Alternative zu Scharia und Dschihad? Beinahe wäre die Fratze zum Vorschein gekommen, wäre "dieses" Madrid nicht gewesen. Gott sei Dank!

Verständlich, daß man so nicht denken, die Fratze nicht sehen will. Da hofft man lieber gedankenlos, zu Hause vom Terror verschont zu bleiben, weil Deutschland gegen den Irak-Krieg war. Doch auch die Hardliner mögen nicht wirklich nachdenken, wenn sie statt dessen einen guten Vorwand finden, das Grundgesetz ändern zu können. Was bei wichtigeren Reformvorhaben unmöglich ist, bei ein bißchen Terror wird es zum Gebot der Stunde: Die Armee im Innern aufmarschieren zu lassen. Was sind uns unsere Grundsätze eigentlich wert? Denkt eigentlich noch jemand daran, wenn er Scanner an Bahnhöfen, Überwachungskameras auf allen Plätzen, Sky-Marshalls in Flugzeugen, biometrische Merkmale in Ausweisen, Ausweisung auf Verdacht und präemptives Umbringen befürwortet? Was wird aus all den Mitteln, wenn wir ihre Zwecke nicht mehr diskutieren, was wird aus uns, wenn wir schießen, ohne vorher zu fragen? Antiterrormaßnahmen müssen zwangsläufig Kontrollmaßnahmen im Vorfeld sein, doch werden sie, wenn man die dazu möglichen technischen Mittel in Betracht zieht, zu einer Gesellschaft führen, der dereinst das Kopftuch als läppische Harmlosigkeit erscheinen wird. Wir sollten endlich diskutieren, welches Leben uns welche Maßnahmen wert sind und mehr noch, welche Werte bestimmte Maßnahmen dem Terror auf makabre Weise in die Hände arbeiten!

 

Dr. Wolf R. Dombrowsky ist Psychologe und Katastrophenforscher an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.


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