© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/04 02. April 2004

Sieg oder Holocaust
David Frum und Richard Perle dokumentieren in gewaltigen Sandkastenspielen ihr Weltbild der Zukunft
Alexander Griesbach

David Frum und Richard Perle, in den USA als ausgesprochene "Neokonservative" bekannt, wollen den USA zum "Sieg im Krieg gegen den Terror" verhelfen. Die Autoren sind ausgewiesene Kenner der Materie: Der Kanadier Frum war Redenschreiber für George W. Bush und hat aufschlußreiche Studien über den Sieg der Republikaner vorgelegt. Zu Richard Perle noch viel sagen zu wollen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Der Ex-Pentagon-Berater hat sich als Rambo der Neokonservativen und führender Kriegstreiber gegen den Irak weltweit "profiliert". US-Medien gaben dem am 16. September 1941 in New York City geborenen Perle, Sohn eines kalifornischen Geschäftsmanns und Enkel jüdischer Einwanderer aus Rußland, den vielsagenden Namen "Prinz der Finsternis".

Frum und Perle haben, neben ihrer neokonservativen Gesinnung, eine weitere Gemeinsamkeit. Beide erlebten in jüngster Zeit einen empfindlichen Karriereknick. Richard Perle mußte seinen Posten als Vorsitzender des halboffiziellen Defense Policy Board räumen, nachdem dessen undurchsichtige Geschäfte mit Saudis öffentlich geworden waren. Frum wurde 2002 die Geschwätzigkeit seiner Frau zum Verhängnis. Sie hatte damit kokettiert, daß nicht US-Präsident George W. Bush, sondern ihr Ehemann den Begriff der "Achse des Bösen" geprägt habe. Der US-Präsident war darüber alles andere als "amused". Sowohl Perle als auch Frum mußten lernen, daß der Kampf gegen das Böse immer wieder von unerwarteten Rückschlägen begleitet wird. Ihrem unverwüstlichen Sendungsbewußtsein taten diese Nackenschläge freilich keinen Abbruch, wie ihr jüngst erschienenes Buch "An End to Evil" (New York, 2003) zeigt. In diesem Opus tauchen Perle und Frum tief in das Herz der Finsternis ein, um den Sieg über das Böse zu erringen.

Die hinter dieser Mission stehende Mentalität bezeichnete Jim Lobe, Korrespondent der Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS) und langjähriger Beobachter der neokonservativen Szene in den USA, als "Hardcore-Neokonservativismus". Dieser kommt, weil auf jede politische Korrektheit pfeifend, in vielen Passagen durchaus erfrischend daher. Frum und Perle reden nicht um den heißen Brei herum. Sie hauen auf den Putz. Mit Petitessen wie dem israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt halten sie sich erst gar nicht auf. Warum? Weil ein Palästinenser-Staat aus ihrer Sicht ökonomisch nicht lebensfähig ist. Über einen derartigen Staat zu reden, lohne sich darüber hinaus überhaupt erst dann, wenn die Terrororganisation Hamas zerschlagen sei, verkünden die Autoren selbstbewußt.

Perle und Frum haben vor allem ein Anliegen: die Sicherheit der USA. Dieses sehen sie durch islamistische Terror-Netzwerke, die von saudischen Geldgebern finanziert werden sollen, bedroht. Deshalb duldet der Krieg gegen den islamistisch motivierten Terror keine Kompromisse und keine Pausen. Er kennt nur ein Entweder-Oder. Entsprechend bleibe aus Sicht von Frum und Perle nur die Wahl zwischen "Sieg oder Holocaust".

Von den USA fordern die Autoren eine grundsätzliche politische Neuorientierung - und zwar nach außen und nach innen. Dafür sei eine Neuausrichtung von FBI, CIA und State Department erforderlich. Diese Institutionen hätten sich in der Vergangenheit vor allem durch Inkompetenz und Strukturkonservativismus "ausgezeichnet". Trotz "Nine Eleven" unterschätzten sie immer noch die Gefahren, die vom islamistischen Terror ausgingen. Frum und Perle fordern deshalb, daß diese Institutionen Kompetenzen an eine neu einzurichtende "Sicherheitsbehörde" abzugeben hätten. Insgesamt laufen ihre Ratschläge auf eine totale Mobilmachung der USA im Kampf gegen den Terror hinaus, die sich auf einen lang andauernden Kampf einzustellen hätten.

Es sind aber nicht nur langbärtige Islamisten mit Sprengstoffgürteln, die die USA bedrohen. Die Liste von Feinden und nicht gelittenen Rivalen der USA ist wesentlich länger. Dazu gehört zum Beispiel Frankreich. Hier sind sich beide Autoren allerdings noch nicht sicher, ob sie es mit einem "Feind" der USA zu tun haben. Direkte Gefahr drohe den USA aber von Staaten wie Saudi-Arabien und Pakistan, seit langer Zeit Nährboden von Korruption und islamischem Fundamentalismus. Kurzen Prozeß sollten die USA mit Staaten wie Syrien, dem Iran oder Nordkorea machen. Hier lautet ihr - wenig diplomatischer - Ratschlag: Hau drauf und Schluß!

Wenn die Schurken dieser Welt eines Tages beseitigt sein werden, sehen Frum und Perle weltweit die Sonne der Demokratie aufgehen. Auch die islamische Welt werde dann einsehen, was sie an der Demokratie hat. Den USA, God's own Country, komme der Auftrag zu, diese Vision einer weltumspannenden Demokratie durchzusetzen. Und zwar unilateral und ohne jede Rücksicht auf das Völkerrecht. Überzeugend wirken die weltumspannenden Phantasien der beiden "Neocons" freilich in keiner Weise. Es bleibt letztlich nebulös, wie beispielsweise der islamistische Fundamentalismus besiegt werden und auf welcher Grundlage sich ein demokratisches Bewußtsein zwischen Marokko und Afghanistan entfalten könnte. Vielleicht handelt es sich auch hier nur um eine weitere jener "Kleinigkeiten", auf die näher einzugehen nicht lohnt. Was zählt, sind die "großen Linien".

Wenn es ganz dumm läuft, sind die hehren Visionen der politisierenden Krawallmacher Frum und Perle am Ende dieses Jahres bereits Schall und Rauch. Wird die Regierung Bush nämlich nicht wiedergewählt, dürfte es auch mit den ersehnten gewaltsamen "Regime-Wechseln", die die Welt für die Demokratie sicherer machen sollen, erst einmal vorbei sein. Auch die bizarre Forderung, das saudische Königreich durch eine Abspaltung der Ölprovinzen am Persischen Golf zu liquidieren, bei gleichzeitiger Errichtung eines schiitischen Separatstaates, dürfte sich in einem derartigen Fall von selbst erledigen.

David Frum, Richard Perle: An End to Evil. How to win the War on Terror. Random House, New York 2003, gebunden, 284 Seiten, 23 Euro

Foto: Richard Perle rechtfertigt die US-amerikanische Politik gegen den Irak: Was zählt, sind die ganz großen Linien


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