© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/04 09. April 2004

Breslau und Danzig glichen Hamburg und Köln
Die meisten Werke über die Zerstörungen des Bombenkriegs wiesen bisher kaum die Schäden in den Städten jenseits von Oder und Neiße aus
Reinhard Mummelthey

Im letzten Jahr präsentierte diese Zeitung in ihrer Schwerpunktausgabe "Der Tod fiel vom Himmel" (JF 8/03) eine Übersicht über die Verluste durch den alliierten Bombenterror während des Zweiten Weltkrieges. Dabei wurde jedoch Ostdeutschland mangels direkt zugänglicher Informationen weitgehend ausgespart, da das Ergebnis der Reichswohnungszählung von 1939 bis heute in ihrer Gesamtheit nur in Archiven einsehbar ist, aber auch die Ergebnisse der polnischen Wohnungszählung von 1946 nicht in offiziellen polnischen Volkszählungsbänden zu finden sind.

Durch Recherche im Bundesarchiv in Berlin beziehungsweise durch Hilfe der Universität Posen, die entsprechende Veröffentlichung aufzufinden, kann nun zumindest der Verlust an Wohnraum dokumentiert werden. Auch das Ortslexikon des Reichsgaus Danzig-Westpreußen mit entsprechenden Angaben aus dem Jahre 1943 konnte zu dieser Übersicht beitragen und damit einen Vergleich des Wohnraumbestandes vor, während und nach dem Krieg gestatten. Die Ursachen für den sehr starken Rückgang an Wohnungen sind vielfältig. Einerseits sind es wie in West- und Mitteldeutschland die alliierten Bombenangriffe, andererseits litten viele ostdeutsche Städte unter direkter Kriegseinwirkung, die zu den großen Verlusten geführt hat. So wurden im Falle des bis Mai 1945 umkämpften Breslaus, aber auch in anderen "Festungen" wie Graudenz, Posen und Thorn die erheblichen Zerstörungen im Stadtbild durch militärische Kampfhandlungen und Artilleriebeschuß verursacht.

Selbst nach Ende der Kämpfe gegen die deutschen Truppen wurde in Städten mit deutscher Minderheit wie Bromberg und Posen, von nationalpolnischen Widerständlern gegen die Rote Armee weitergekämpft. Im Zusammenhang mit der Eroberung Polens hat es immerhin 500.000 Deportierte gegeben, die den kommunistischen russischen und polnischen Machthabern als gefährliches Aufstandspotential galten und in den asiatischen Teil Rußlands deportiert wurden. Prominentestes Opfer des bewaffneten polnischen Widerstandes war der kommunistische Verteidigungsminister Polens Karol Swierczewski noch im Jahr 1948.

Über den heutigen russischen Teil Ostpreußens liegen keinerlei Daten vor, denn nach wie vor werden alle Daten über Wohnungszählungen in Rußland geheimgehalten, um die Defizite der Wohnungspolitik nicht offenzulegen. Allerdings können zumindest die Schätzungen bei Königsberg von einem noch größeren Wohnungsverlust als bei Danzig und Breslau ausgehen. Zum einen lag Königsberg - verglichen mit den Städten des "Reichsluftschutzkellers" Schlesien - günstiger für das britische Bomber Command, weil es über Nord- und Ostsee angeflogen werden konnte. Der Endkampf 1945 erweiterte die Zerstörungen derart, daß weite Teile der Innenstadt total verwüstet waren. Über Insterburg, Memel, Tilsit, Stallupönen und Gumbinnen und andere Städte sind selbst diese Schätzungen schwer anzustellen.


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