© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/04 30. April 2004

Bundeswehr und Wehrmacht
Letzte Traditionen kappen
Dieter Stein

Das ARD-Magazin "Kontraste" machte vor wenigen Tagen einen erneuten Vorstoß zur Änderung von Kasernennamen bei der Bundeswehr. Ein Skandal sei es, so berichteten alarmiert die öffentlich-rechtlichen Fernsehjournalisten, daß immer noch ein Jagdgeschwader in Neuburg, eine Kaserne in Visselhövede und ein Zerstörer der Marine nach dem hochdekorierten und beliebten, schon 1941 ums Leben gekommenen Jagdflieger Werner Mölders benannt sind.

Wer geglaubt hatte, nach dem Einmotten der unsäglichen "Wehrmachtsausstellung" von Jan Philipp Reemtsma könne durchgeatmet werden, der täuscht sich. Die Wehrmachtsausstellung diente als multimediale Wunderwaffe, um eine seit Anfang der siebziger Jahre eskalierende Auseinandersetzung innerhalb der Bundeswehr um die Traditionsstränge zur Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg quasi - um im Bilde zu bleiben - in eine Entscheidungsschlacht zu führen.

Es geht in den kommenden Jahren auch um das allerletzte Abräumen von ehrenvoller Erinnerung an tapfere Soldaten, die an den Fronten des Weltkrieges gekämpft haben und gefallen sind.

Seit ihrer Gründung hatte die Bundeswehr - stärker noch als die Nationale Volksarmee der DDR - mit sich gerungen, in Zeremoniell und Symbolen an ihre Vorläufer anzuknüpfen. Während die NVA ihre Soldaten schlicht in Uniformen steckte, die sich bis auf das Hoheitszeichen kaum von der Wehrmacht unterschieden, unverkrampft einen von der Wehrmacht weiterentwickelten Stahlhelm einsetzte, vollführte die Bundeswehr verständliche Eiertänze um ihr Erscheinungsbild: So experimentierte man in den Anfangsjahren mit Phantasie-Uniformen herum, in denen die Soldaten aussahen wie amerikanische Postboten. Während die NVA Unter den Linden lustig im Stechschritt paradierte, stolperten die West-Kameraden im laschen Gleichschritt herum "wie die Bürger von Calais" (Adelbert Weinstein).

Dennoch kam man nicht umhin, die (west-)deutschen Streitkräfte in einen minimalen Traditionsstrang zu stellen. Dies symbolisiert nicht zuletzt das Eiserne Kreuz als Hoheitszeichen, das der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1813 zunächst als Tapferkeitsabzeichen gestiftet hatte und das sich unaufhaltsam zu einem allgemeinen Staatssymbol im preußischen Deutschland entwickelte. Die Erinnerung an herausragende und auch von den ehemaligen alliierten Streitkräften verehrte Offiziere der Wehrmacht hielt die Bundeswehr wiederum wach, indem sie Dutzende von Kasernen nach ihnen benannte.

Wenn es nach der Berliner politischen Klasse geht, sollen die Namen systematisch ausradiert werden. Der damalige Kulturstaatsminister Michael Naumann erklärte schon kurz nach Regierungsantritt am 27. Januar 1999 zu den nach "Nazi-Generälen" benannten Kasernen: "Das ändern wir jetzt. Das schwör' ich Ihnen. In zwei Jahren finden Sie keine mehr." Naumann ist heute gemeinsam mit, um in seinem Jargon zu bleiben, "Nazi-Offizier" Helmut Schmidt Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit. Die meisten Kasernennamen blieben verblüffenderweise erhalten. Noch.


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