© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/04 07. Mai 2004

Besatzungsmacht USA
Historische Kontinuitäten
Alexander Griesbach

Der 53 Seiten umfassende Untersuchungsbericht der US-Armee, aufgrund dessen bereits im Februar dieses Jahres Ermittlungen wegen kursierender Gerüchte über Folterungen irakischer Kriegsgefangener eingeleitet wurden, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Angehörige des US-Militärgeheimdienstes sollen irakische Kriegsgefangene systematisch gefoltert und gedemütigt haben. Die Folter-Fotos aus dem berüchtigten Bagdader Gefängnis Abu Gharib, die inzwischen um die Welt gehen und mit denen ein schwunghafter Handel betrieben wird, unterstreichen den Tenor dieses Berichtes.

Wie die arabische Welt auf diese offensichtliche Demütigung ihrer Glaubensbrüder reagieren wird, bedarf keiner großen Phantasie. Bei den US-Amerikanern und auch den Briten, die sich ähnlicher Vergehen schuldig gemacht haben sollen, geht die Angst vor Rache um. Diese Angst ist berechtigt, denn die schärfstmögliche Rüge, die die US-Armee sechs mutmaß-lichen Tatbeteiligten erteilt hat, stellt aus arabischer Sicht nur eine weitere Provokation dar. Sicherheitsexperten im Irak befürchten wohl zu Recht, militante Iraker könnten weitere tödliche Anschläge auf die Besatzungstruppen damit rechtfertigen, sie wollten die Demütigungen ihrer Landsleute rächen.

Ins Zwielicht ist auch das Pentagon geraten. Die US-Armee soll schon seit Monaten über die systematische Folterung von Gefangenen im Irak im Bilde gewesen sein. Zu den Mißhandlungen soll es bereits drei Untersuchungen seitens der US-Armee gegeben haben, behauptete US-Journalist Seymour Hersh vergangenen Sonntag gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN. Wie stark das Renommee der US-Armee durch diese Affäre leiden könnte, hat inzwischen wohl auch US-Präsident George W. Bush begriffen, der seinen bisher auffällig schweigsamen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aufforderte, er solle die Bestrafung aller US-Soldaten sicherstellen, die an den Gefangenenmißhandlungen beteiligt waren. Der Präsident wolle "angemessene Maßnahmen gegen die Verantwortlichen für diese entsetzlichen und schändlichen Taten" eingeleitet sehen.

Die aktuellen Mißhandlungen Kriegsgefangener stellen, auch dies sollte nicht vergessen werden, keine Präzedenzfälle dar. Derartige Übergriffe gab es in der US-Militärgeschichte (wie auch in anderen Armeen) immer wieder. Aus deutscher Sicht drängen sich als bekannteste Beispiele die berüchtigten Rheinwiesenlager auf, wo Hunderttausende von deutschen Kriegsgefangenen monatelang unter freiem Himmel, in Dreck und Schlamm und mit schlechter Verpflegung dahinvegetieren mußten. Eine unbekannte Zahl von deutschen Soldaten starb an dieser Behandlung, die allen völker- und kriegsrechtlichen Konventionen Hohn sprach. Heute kann als gesichert gelten, daß diese Lager eine bewußte Form der Strafe und Demütigung gegen die Deutschen darstellten. Weitere Beispiele dieser Art ließen sich leicht anführen. Es gibt hier offensichtlich eine historische Kontinuität, die auf ihre Aufarbeitung wartet.


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