© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/04 07. Mai 2004

Zeitschriftenkritik: Pardon
Ich-AG mit Stilbildungspotential
Peter Boßdorf

Gottfried Benn soll einmal sinngemäß gesagt haben, daß jeder Lyriker eigentlich schon froh sein könne, wenn ihm in seinem Leben eine Handvoll Gedichte wirklich gelänge. Die Erwartungshaltung, die man realistischerweise gegenüber Satiremagazinen einnehmen kann, ist eine vergleichbare. Man darf von ihnen kein durchgängiges Feuerwerk der Pointen verlangen, sondern sollte zu würdigen wissen, wenn sie immer wieder einmal ganz besondere Highlights bieten. Titanic etwa (vom Eulenspiegel kann man in diesem Zusammenhang getrost schweigen) verdient daher auch im 25. Jahr des Erscheinens immer noch Respekt, selbst wenn der Trend zum Bilderwitz seit langem unverkennbar ist. Die subversive Kreativität erschöpft sich mehr und mehr in Cartoons, Plakatideen, Foto-Romanen und dadaistischen Aktionen, die anschließend im Heft dokumentiert werden. Satirische Texte, womöglich sogar längere sind Mangelware geworden - den wenigen Ausnahmen ist in der Regel auf Anhieb anzumerken, daß hier nicht die Stärken der Blattmacher und ihrer Mittäter liegen.

In diese Lücke stößt nun Pardon, ein neues Projekt, das sich eines alten Namens bedient, der in der westdeutschen Medienlandschaft vor Urzeiten für Renommee und Auflage stand, nach einem kläglichen Relaunch in den 1980er Jahren jedoch von der Bildfläche verschwunden ist. Gewagt wird der Neustart von einer in Jena ansässigen Ich-AG namens Bernd Zeller, einem ehemaligen Titanic-Kollaborateur, der die nicht unberechtigte Hoffnung hegt, 50.000 Exemplare der ersten Ausgabe abzusetzen, um dann richtig loslegen zu können.

Den wahrscheinlich als professionell empfundenen Gepflogenheiten der allermeisten Newcomer dieser Tage gemäß, versucht auch Pardon, durch prominente Autoren die Aufmerksamkeit potentieller Leser zu gewinnen. Allen voran wird mit Harald Schmidt geworben, sein Beitrag beschränkt sich jedoch auf einen blasierten und luftig aufgemachten Brief an seinen ehemaligen Gagschreiber Zeller, der unfreiwillig deutlich macht, wie wenig wohl von dem, was man an Schmidt schätzte, von Schmidt wirklich stammte. Wiglaf Droste nimmt bieder und brav den von ihm ge- und überschätzten Sebastian Haffner vor jenen in Schutz, die nun seine zu NS-Zeiten publizierten Plaudereien wieder ausgegraben haben. Unter den großen Namen überrascht lediglich und ausgerechnet Roger Willemsen mit einer akribischen Hinrichtung des Oberschmocks Karasek - sie läßt seine Sünden als Softtalker und Tiefgangdarsteller beinahe vergessen.

Das beste im neuen Pardon findet man aber dort, wo nicht in die Schubladen der Promis gegriffen wurde - manches davon verspricht sogar stilbildend zu werden: Die "Aktuellen Nachrichten aus dem Infoticker" lassen die Wirklichkeit durch winzige Korrekturen so erscheinen, wie sie wirklich ist. Die "Presseschau" stellt zusammen, was die überwiegende Mehrheit der Menschen tatsächlich in den von ihr genutzten Medien erfährt. "Leben am Wochenende" präsentiert als Frühstückslektüre den anderen Slobodan Milosevic - den Ratefreund mit gesundem Menschenverstand. Und so weiter. Ein Ziel hat Bernd Zeller also auf jeden Fall schon einmal erreicht: Man möchte mehr davon lesen. Wer will, daß die 50.000er-Hürde genommen wird, kann das Heft für 4 Euro im Handel erwerben. 

Anschrift: Pardon, Ernst-Haeckel-Platz 1, 07745 Jena. Das Abo für 12 Hefte kostet 40 Euro.


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