© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/04 07. Mai 2004

Meldungen

Neue Zeitschrift startet mit einem Denkmalsturz

GÖTTINGEN. Im Rückblick auf die Rezeption des angeblichen "Monumentalwerkes" von Hans-Ulrich Wehler (Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 2003), lag der Rezensent mit seinem publizierten Verriß (JF 48/03) offenbar einmal nicht quer zum Zeitgeist. Nach einigen Gefälligkeitsbesprechungen, unter denen die Volker Ullrichs in der Zeit, Wehlers publizistischem Knappen, wurde es ungemütlich für den Bielefelder Emeritus. Ausgerechnet sein alter Hausverlag, Vandenhoeck& Ruprecht, hielt es nun für angebracht, den Start einer neuen Zeitschrift (Zeithistorische Forschungen, 1/04) mit herber Wehler-Schelte zu verknüpfen. Höflich, aber bestimmt stürzen ihn dort junge Zeithistoriker vom Thron. Sein anachronistisch wirkender "Glaube an die konsensuale Kraft der aufklärerischen Vernunft" sei dafür verantwortlich, daß er weniger eine Gesellschaftsgeschichte Weimars und des Dritten Reiches, sondern eine "retrospektive 'Gesellschaftstherapie'" biete. Hier sitze jemand nur "über die Vergangenheit zu Gericht", was zu gefährlichen Defiziten und Kurzschlüssen führe. Gestützt auf "Besserwissertum" und vermeintlich "normative Unfehlbarkeit eigener politischer Wertmaßstäbe" sei Wehler unfähig, sich auf die historiographisch fruchtbare Perspektive der Zeitgenossenschaft einzulassen. Vielleicht, so erklärt Lucian Hölscher keck, wolle er sich nicht gern an den "Wandel der politischen Weltanschauung erinnern, die er selbst, seine Familie, seine nächsten Freunde durchlaufen haben".

 

EU: Unionsbürger kaum mehr als eine Randfigur

SEELZE. Der "Unionsbürger" sei weder eine Randfigur des Integrationsprozesses noch gar ein Untertan Europas. Mit dieser frohen Kunde kontert Armin Hatje die auch unter deutschen Geschichtslehrern nicht unbekannte Euroskepsis in deren Hausorgan Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (3/04). Vor dem Hintergrund der laufenden Debatte über die im Dezember 2003 auf Eis gelegte EU-Verfassung muß Hatje jedoch zugleich eingestehen, daß der faktisch eben doch randständige "Unionsbürger" alle seine ihm zugestandenen papierenen Rechte schon deshalb nicht effektiv wahrnehmen könne, weil ihm die komplizierte Ausgestaltung seiner Partizipationschancen eine "klare Zurechnung politischer Verantwortlichkeiten" erschwere. Um dies in Zukunft zu verbessern, setzt Hatje auf so alte wie unsichere Rezepte einer "Stärkung der Funktionsfähigkeit der Organe" und des EU-Parlaments. Die zentrale Frage, ob damit angesichts von 27 Staaten und 500 Millionen Menschen wirklich "notwendiges Vertrauen" zu erzielen ist, muß Hatje unbeantwortet lassen.

 

Klassiker im Angebot: Karl Loewenstein

MÜNCHEN. Einen neuen politischen Klassiker offeriert der Lübecker Politologe Robert van Ooyen: Karl Loewenstein (Zeitschrift für Politik, 1/04). Ihn neben Jellinek, Schmitt, Kelsen, Smend und Heller zu rücken, wie er es mit diesem 1933 emigrierten Schüler Max Webers versucht, mag vielleicht etwas übertrieben und seiner Entdeckerfreude geschuldet sein. Tatsächlich ist der Verfassungsrechtler Loewenstein, der im Dienst der US-Regierung 1945/46 an der "Entnazifizierung" deutscher Gesetze mitwirkte, ein beachtenswerter Theoretiker des Neo-Pluralismus, dessen pragmatisches Staats- und Politikverständnis in seiner Generation eher untypisch war.

 

Erste Sätze

Zu den frühesten Erinnerungen, die sich meinem Gedächtnis eingeprägt haben, gehört eine Seereise.

Theodor Kaftan: Erlebnisse und Beobachtungen, 2. Aufl. Gütersloh1931


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