© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/04 21. Mai 2004

"Ich bin angewidert"
Der australische Weltkriegsveteran Alexander McClelland über Gefallenengedenken hierzulande und im Ausland
Moritz Schwarz

Herr McClelland, Sie sind alliierter Veteran des Zweiten Weltkrieges und kennen Deutschland seit Ihrer Gefangenschaft 1941. Empfinden Sie Genugtuung, wenn Sie die hierzulande zahlreich geschändeten und verwahrlosten Gräber und Ehrenmale Ihrer ehemaligen Feinde sehen?

McClelland: Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, ich bin angewidert. So etwas ist nicht zu fassen. Wissen die Leute, die so etwas tun, eigentlich, was die Alten im Krieg durchgemacht haben? Ich habe zum Beispiel an der Schlacht von Rethymnon auf Kreta teilgenommen. Es war ein Desaster: die Hälfte meiner Kameraden und alle angreifenden deutschen Soldaten wurden ausgelöscht.

Wie erklären Sie sich den Haß gegen die ehemaligen deutschen Soldaten hierzulande, während Sie, der durch die Wehrmacht so viele Kameraden verloren hat, Verständnis zeigen?

McClelland: Wer mir mißbehagt, sind die Leute, die den Krieg vom Zaun gebrochen haben, aber nicht die, die ihn führen mußten. Die deutschen Soldaten mögen für die falsche Regierung ins Feld gezogen sein, aber sie haben für ihr Land gekämpft. Diesbezüglich war da kein Unterschied zwischen Ihren und unseren Soldaten. Ich war Freiwilliger ebenso wie zum Beispiel die jungen Leute, die sich zur Waffen-SS gemeldet haben. Also warum macht man den deutschen Veteranen heute Vorwürfe? Heute nennt man sie gerne "Kriegsverbrecher", ich würde sagen, sie waren Patrioten.

Wie gehen die Australier mit dem Gedenken an ihre Gefallenen um?

McClelland: Sie wissen vielleicht, daß Australien und Neuseeland während des Ersten Weltkrieges in Gallipoli an der kleinasiatischen Küste eine Katastrophe erlebt haben. Dieser Gedenktag wird heute noch groß begangen.

Warum halten Sie Gefallenengedenken überhaupt für wichtig?

McClelland: Man gedenkt der Soldaten, die ihr Leben für das Land gaben. Ansonsten liegen die Verdienste der Wehrmacht auf der Hand: Ohne die Wehrmacht wäre die Rote Armee bis Großbritannien vorgestoßen. De facto haben die Deutschen Westeuropa vor dem Kommunismus gerettet. Man täusche sich nicht, in gewisser Weise geht der Frieden, den wir heute in Europa haben, wohl auch auf diese Tatsache zurück. Aber ich weiß, diese Tatsache entspricht natürlich nicht mehr der politisch korrekten Auffassungen von heute.

Warum "funktioniert" das Gefallenengedenken in Deutschland nicht mehr?

McClelland: Deutschland hat den Krieg verloren. Das Problem ist aber, daß Menschen auf etwas stolz sein müssen, und an dieser Notwendigkeit ändert sich nichts, nur weil man den Krieg verloren hat.

1941 gerieten Sie in deutsche Kriegsgefangenschaft. Wie haben Sie die Deutschen erlebt?

McClelland: Ich bin von den Deutschen stets wie ein Mensch behandelt worden. Und das auch von der gewöhnlichen Bevölkerung - erstaunlicherweise auch nach schweren Bombenangriffen. Auch dann fiel kein böses Wort.

Eine für deutsche Ohren erstaunlich "sanfte" Darstellung.

McClelland: Bei einer Gefangenenüberführung per Eisenbahn bin ich einmal aus dem Schlaf erwacht - mein Kopf an der Schulter meines deutschen Wachtposten und sein Kopf an mich gelehnt. Bei einem meiner Ausbruchsversuche wäre ich beinahe im Schneetreiben erfroren. Deutsche Zivilisten bargen mich und retteten mir das Leben. Auf der anderen Seite habe ich erlebt, was Propaganda ist. So sagte man uns jungen Soldaten zu Anfang: "Geht hin und vernichtet die gottlosen Nazis!" Später las ich auf den Koppelschlössern deutscher Gefallener den Satz "Gott mit uns". Von da an schoß ich, weil sie sonst mich erschossen hätten. Übrigens habe ich später in Großbritannien bei der Arbeit für mein Buch "The Answer is Justice" Bücher mit Abbildungen deutscher Uniformen gesehen, auf denen das Motto "Gott mit uns" unleserlich gemacht worden war - so weit ging das. Und schließlich sah ich eine Fernseh-Dokumentation über ein Massaker an alliierten Kriegsgefangenen in der sogenannten Kleinen Festung des Konzentrationslagers Theresienstadt, wo ich schließlich interniert worden war. Doch meine 55 Kameraden und ich haben alle überlebt. Ich frage mich, von welchem Massaker sprechen da einige Historiker?

 

Alexander McClelland geboren in Maitland/Australien, kämpfte ab 1939 als Freiwilliger in Afrika, Griechenland und auf Kreta. 1941 geriet der Gefreite in deutsche Gefangenschaft, flüchtete mehrfach und wurde schließlich im KZ Theresienstadt interniert.

 

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