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22/04 21. Mai 2004
Justitiable Politikberatung gerät ins Wanken Politische Entscheidungen müssen nicht nur durch Wahlen demokratisch legitimiert, sondern auch rational im Lichte vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. Den Bundesministerien stehen hierzu eigens Ressortforschungseinrichtungen zur Verfügung. 2002 flossen etwa 1,29 Milliarden Euro in 52 Forschungsanstalten - das sind 11,6 Prozent dessen, was der Bund insgesamt für Forschung und Entwicklung ausgibt. Ob die in diesen Forschungsanstalten geleistete Arbeit qualitativ hochwertig und damit ihr Geld wert ist? Antworten versucht der Wissenschaftsrat der Bundesregierung in einer Anfang 2004 vorgelegten Studie zumindest mit Blick auf die zwölf Bundesforschungsanstalten, die dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) unterstehen. Wie der Wissenschaftsrat schreibt, sind die Bundesforschungsanstalten zwar auf bestimmte Ziele hin weisungsgebunden, aber nicht hinsichtlich der angewandten Methoden und Ergebnisse. Besonders wichtig sei daher, daß entsprechende Forschungseinrichtungen an die Wissenschaftsgemeinde angebunden sind und sich hier messen lassen. Doch genau das sei nur ungenügend der Fall. Auch personell zeichne die Ressortforschungseinrichtungen eine "institutionelle Abgeschlossenheit" aus. Der wissenschaftliche Nachwuchs habe in den untersuchten Bundesforschungsanstalten kaum noch die Möglichkeit, Karriere zu machen, so daß eine besorgniserregende Überalterung stattfinde. Interne Qualitätskontrollen fänden nicht statt. Alles in allem also ein vernichtendes Urteil. Die Liste mit den Verbesserungsvorschlägen ist entsprechend lang. Um nur einige der markantesten zu nennen: Auf Hausberufungen sollte in den nächsten fünf Jahren völlig verzichtet werden. Ausschreibungen von Forschungsprojekten sollen vorgenommen werden und über einen Fonds finanziert werden. Weg von der teuren Bürokratenforschung Damit werden dann auch die Bundesforschungsanstalten vom Privatisierungstrend eingeholt, wo es nicht gerade um hoheitliche Aufgaben geht, die etwa 20 bis 25 Prozent der Arbeit ausmachen. Die Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen wie den Universitäten sollen verstärkt werden. Hierzu sei eine höhere Konzentration der Bundesforschungsanstalten und auch eine räumliche Nähe zu Universitäten wichtig. Forschungsarbeiten müssen vermehrt in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht und so der Wissenschaftsgemeinde zur Diskussion gestellt werden. Die konstruktiv gemeinte Kritik an den Bundesforschungsanstalten, die dem BMVEL unterstehen, wirft die Frage auf, wie es um die Ressortforschung in Deutschland insgesamt bestellt ist. Denn es liegt in der Verantwortung der Politik, die Qualität der von ihr genutzten wissenschaftlichen Beratung zu sichern. Im Sinne dieser Frage hat dann auch die FDP-Bundestagsfraktion am 13. Februar diesen Jahres eine umfassende Qualitätskontrolle vorzunehmen beantragt und einen Bericht der Bundesregierung angefordert. Hierzu müßte eine vergleichende Analyse der jeweiligen Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu Forschungseinrichtungen vorgenommen werden, die nicht dem BMVEL unterstehen. Das legt zumindest der Wissenschaftsrat nahe. Damit wird dann ein Prozeß angestoßen, der von der teuren Bürokratenforschung wegführt hin zu höheren Qualitätsstandards und einer höheren Effizienz. Die Offerte der FDP-Bundestagsfraktion macht deutlich, daß es Aufgabe der Politik bleibt, Mängel in der Ressortforschung der Ministerien zu thematisieren und damit letztlich auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten zu beheben. Das muß dann aber logischerweise auch auf Länderebene relevant sein. Daran erinnert allein schon der Vorgang, der aufmerksamen Lesern der JUNGEN FREIHEIT nicht entgangen sein dürfte: Einer der führenden Vertreter der methodisch "harten" empirischen Sozialforschung, Erwin K. Scheuch, nennt in einem - kurz vor seinem Tod der JF 44/03 gegebenen - Interview einzelne wissenschaftliche Referenten beim Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen als fachlich inkompetent beim Namen. Das schreibt die besagte Behörde aber in den Wind und gegen die JF gewendet in ihren aktuellen Verfassungsschutzbericht hinein. So immunisiert sich eine Behörde gegen die Wissenschaft zugunsten politischer Präferenzen. Daraus spricht deutlich die gemäß Wissenschaftsrat der Bundesregierung generell vorhandene Sorge von Bundesministerien, sie könnten den "direkten Durchgriff auf seine Einrichtungen und leitenden [oder auch nur referierenden] Wissenschaftler einbüßen". Eine qualitativ hochwertige und damit justitiable Politikberatung gerät aus einer solchen Sorge heraus ins Wanken. Übrig bleibt, konsequent zu Ende gedacht, was Scheuch in einem seiner Buchtitel aus dem Jahre 1992 als "Cliquen, Klüngel und Karrieren" bezeichnet. Es gibt also weiterhin viel zu erforschen, auch die Forschung selbst und ihre Rahmenbedingungen. |