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22/04 21. Mai 2004
Nachrufe auf Carl Gustaf Ströhm (II) Unbestechlich Carl Gustaf Ströhm erinnerte mich an die "gute alte Zeit" des Springer-Verlages. Ich war damals "kleiner Redaktionsleiter" der Bild-Zeitung in Bremen, er "der große" Osteuropa-Korrespondent des Verlegers. Ich verschlang seine Berichte aus dem Osten. Dem Verlag hatten wir uns beide mit Haut und Haaren verschrieben. Nach dem Tode des Verlegers verstanden wir beide lange nicht, daß politisch eine "neue Zeit" bei Springer angebrochen war. Bei Paul Carell in der Heide waren wir uns vor etwa 20 Jahren das erste Mal begegnet. Carell, der alte Berater von Springer, mußte wohl gespürt haben, daß der damals noch junge Siegerist und der schon "ältere" Ströhm politisch auf ähnlichen Wellenlängen funkten. Jahre später trafen wir uns bei Andreas Mölzer, einem Berufskollegen und FPÖ-Streiter. "Springer-Verlag und der Linkskurs in Europa": Wieder einmal unsere Lieblingsthemen im Mittelpunkt. Und wieder führte Ströhm das Wort. Carl Gustaf Ströhm konnte sich nicht kurzfassen. Weder im Text noch im Gespräch. Jedem anderen Journalisten nehme ich das übel. Ihm nie. Ihm stand dieser Raum zu. Ströhm hatte etwas zu sagen. Mehr als nur Stichworte. Es gibt Ideen, die lassen sich nicht "kurzfassen". Vor einem Jahr wollte ich ihn in Kärnten besuchen. "Laß uns bei Ströhm stoppen", schlug ich meinem Freund Andreas Skorianz von der FPÖ vor, der mir in der Nähe des Ströhmschen Wohnsitzes die alten Gräber der russischen Kosaken gezeigt hatte, die von den Engländern an Stalin verraten worden waren. Wir waren nicht angemeldet - und niemand war im Haus. Seine Tür verschlossen. Ich konnte nicht ahnen, daß sie bald für immer verschlossen sein würde. Er hatte doch noch so viele Ideen im Kopf, wollte mit uns so gern ins "Internet-Fernsehen" einsteigen. Carl Gustaf Ströhm war eines meiner Vorbilder. Joachim Siegerist Joachim Siegerist war Bild-Journalist und ist Vorsitzender des Vereins "Die Deutschen Konservativen" Streiter für die Freiheit Journalisten, die eine Meinung haben, gibt es viele. Manchen genügt sogar die Meinung, auf die Tatsachen kommt es dann nicht mehr an. Andere verstehen das journalistische Tagesgeschäft wenigstens so, daß ihre Meinung nicht die Tatsachen gänzlich verbiegt. Aber nur wenigen ist es gegeben, ihre Überzeugung aus den Tatsachen abzuleiten, die nicht nur Tagesgeschäft sind, sondern über den Tag hinaus weisen. Mit Carl Gustaf Ströhm ist einer dieser wenigen von uns gegangen. Ihm gelang es, jeden Tag aktuell zu sein, weil er die Nachrichten im Kontext der Jahrhunderte verstand, auch im Kontext der Völker und Räume und ihrer Eigenarten. Und natürlich, weil er nicht an selektierten Agenturmeldungen und dem metropolitanen Hotelbarklatsch hing, sondern jeden kannte, alles bereist hatte und Tag um Tag eine schier endlose Menge an Zeitungen - in den Originalsprachen, was für ihn selbstverständlich war - auswertete. Nachrichten stellte er in das Licht der geschichtlichen Erfahrungen. Ein Licht, das vielen zu grell war. Denn Ströhms Analysen hatten die peinlich berührende Eigenschaft, zutreffend zu sein: peinlich für die Tellerrandperspektive deutscher Nachkriegsbehaglichkeit, peinlich für die in den Medien überhandnehmenden Achtundsechziger, peinlich für die Vogel-Strauß-Haltung der in der Ost-West-Spaltung wohleingerichteten Status-quo-Politiker. Wertvoll hingegen für alle, die wissen wollten, was wirklich wichtig war. Volker Schimpff Volker Schimpff ist Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsausschusses und Europa-Sprecher der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag.
Scharfsinnig Carl Gustaf Ströhm - ein klardenkender und vom Zeitgeist unbestechlicher Vertreter seiner Zunft. Nicht ohne Grund hatte ihn Axel Springer zum ständigen Berichterstatter für Südost-Europa für Die Welt geholt und seinen kompetenten Rat geschätzt. Gemeinsam mit dem unvergeßlichen Augsburger Erzbischof Strümpfle hat Ströhm weit vor dem Zusammenbruch des Kommunismus die Bistums-Wallfahrt nach Kiew in die Ukraine geführt, als ein zuverlässiger und erfahrener Kämpfer für die Freiheit Osteuropas. In zahlreichen persönlichen Gesprächen, zuletzt in Wien, auch über das Dilemma der Freiheitlichen Partei bewunderte ich seine scharfsinnigen Analysen und unabdingbare Haltung gegen jede Form der political correctness. Für verantwortungsbewußte Patrioten war er stets Orientierungshilfe in orientierungsloser Situation. Herbert Fleißner Dr. Herbert Fleissner ist Chef der Buchverlage Langen Müller Herbig in München und Wien.
Klarer Blick Ich schätze mich glücklich, Carl Gustaf Ströhm in den neunziger Jahren kennengelernt zu haben - an der Seite von Franjo Tudjman, dem ersten Präsidenten Kroatiens. In seinen Artikeln und in zahlreichen Gesprächen mit ihm waren seine Standpunkte immer klar und deutlich - und vor allem fundiert begründet! Seine Schlußfolgerungen waren weitreichend und häufig provokant. Für uns Kroaten in der Vojvodina waren sie sehr hilfreich. Durch seinen Abschied ist die Menschheit ist um einem aufrichtigen, ehrlichen und mutigen Mann mit klarem Blick und feinem Gefühl für die Benachteiligten ärmer geworden. Er hat mit seiner Arbeit tiefe Spuren hinterlassen. Bela Tonkovic Mag. Bela Tonkovic ist Präsident der Demokratischen Union der Kroaten in der Vojvodina (DSHV) und Vizepräsident der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV).
Viel Neues Wo habe ich Carl Gustaf Ströhm das letzte Mal getroffen? Natürlich auf der Straße, unvorbereitet, unverhofft und doch immer freudig überrascht. Von ihm erfuhr man immer eine Menge Neues und Erstaunliches über Osteuropa - mehr und Interessanteres als sonst aus den Medien. Ich traf ihn manchmal in Wien, das letzte Mal mitten in Budapest, in der Fußgängerzone nahe dem Roosevelt tér. Mit ihm starb einer der letzten wirklich kenntnisreichen Journalisten der Szene in Ost- und Mitteleuropa. Wolfgang Seiffert Prof. Dr. Wolfgang Seiffert lehrte bis 2003 am Zentrum für deutsches Recht der russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.
Aufrecht Es ist jetzt drei Jahrzehnte her, daß ich Carl Gustaf Ströhm zum ersten Mal traf - bei der Deutschen Welle in Köln. Er leitete damals deren Osteuropaabteilung. Danach trafen wir uns immer wieder bei verschiedenen Gelegenheiten im damals kommunistischen Osteuropa, wo wir uns akkreditieren ließen, obwohl wir genau wußten, daß wir ununterbrochen beschattet wurden. Er gehörte zu jener Garde aufrechter Männer, die in der westeuropäischen Presse den Menschen die Realitäten im kommunistischen Imperium nahebrachten. Und als wir uns dann in späteren Jahren nach der Implosion des "Reiches des Bösen" wiedersahen, schauten wir uns in die Augen und lächelten uns an - in der Genugtuung, den Kalten Krieg in den Medien mit gewonnen zu haben. Ivan Denes Ivan Denes war von 1972 bis 1981 Archivar und Redakteur im Axel Springer Verlag und ist heute Chefredakteur der "Konservativen Deutschen Zeitung". |