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22/04 21. Mai 2004
Frisch gepresst Jammer-Ossis. Während in Berlin in den letzten Mauerschützenprozessen eher milde Strafen gegen die "kleinen" Täter gesprochen wurden, sind die "großen" Verantwortlichen verhältnismäßig ungeschoren davongekommen. Das sehen ehemalige DDR-Größen anders. Günther Sarge, Präsident des Obersten Gerichts in Ost-Berlin, oder der MfS-Hauptabteilungsleiter Karli Coburger und sein Stasi-Kollege Horst Bischoff betrachten sich als Opfer einer "politischen Strafverfolgung infolge der Deutschen Einheit". In einer Aufsatzsammlung wird die "in der jüngsten deutschen Geschichte" beispiellose "Verfolgungsmaschinerie" angeklagt, die in den beigetretenen Ländern "mit fremdem Recht" als unerbittliche "Siegerjustiz" Hand in Hand ging. Mit der "Dämonisierung, Kriminalisierung und Denunzierung" solle - so das Fazit des Buches - "die Möglichkeit einer demokratischen Alternative zur Bundesrepublik ein für allemal delegitimiert werden". Die Larmoyanz erklimmt mit den vom Ex-DDR-Bildungsminister Werner Engst und dem letzten Direktor der Volkskammer Herbert Kelle gesammelten "erschütternden und eindrucksvollen Erlebnisberichten von direkt Betroffenen der politischen Strafverfolgung durch die bundesdeutsche Justiz" ihren schaurig-schönen Höhepunkt (Siegerjustiz? Die politische Strafverfolgung infolge der Deutschen Einheit. Kai Homilius Verlag, Berlin 2004, 734 Seiten, gebunden, 34 Euro). Jürgen Habermas. Unter den zahlreichen Einführungen in das Werk des bundesdeutschen Staatsphilosophen Jürgen Habermas ist die vorliegende Arbeit von Rolf Wiggershaus die beste. Der sechzigjährige Publizist Wiggershaus hat vor zwanzig Jahren schon eine ausgezeichnete Gesamtdarstellung der "Frankfurter Schule" geliefert, so daß die Habermas-Monographie, die rechtzeitig zu dessen 75. Geburtstag am 18. Juni erschienen ist, für ihn vermutlich eine bessere Fingerübung bedeutet hat. Rätseln darf der Leser jedoch über die Bebilderung, für die der Verfasser vermutlich nicht verantwortlich ist. Drängen sich doch im zweiten Teil des Bändchens gerade jene Aufnahmen, die Habermas nahezu ostentativ mit jüdischen Denkern zeigen respektive ihn in einen entsprechenden Kontext versetzen, etwa bei der Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Jerusalem oder beim Besuch des Jüdischen Gemeindezentrums in Paris (Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2004, 156 Seiten, Abbildungen, 8,50 Euro). |