© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/04 21. Mai 2004

Leserbriefe

Zu: "Jahrmarkt der Eitelkeiten" von Doris Neujahr, JF 20/04

Nur Spesen

Wenn man die diversen Meldungen zu diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten, der sich Antisemitismus-Konferenz nannte, zusammenfaßt, so kann man wohl das Ganze auf den kurzen Nenner bringen: außer Spesen nichts gewesen. Und wem diese Spesen am Ende geblieben sind, wird wohl nicht schwer zu erraten sein. Außerdem ist es bekanntlich nicht allzu kompliziert, Umfrageergebnisse mittels geeigneter Fragestellung zugunsten des Auftraggebers zu beeinflussen.

Hans Demmeler, Memmingen

 

Logische Zunahme

Frau Neujahr hat sicherlich in einigem recht, ihre Einstellung zur Zunahme des Antisemitismus darf bezweifelt werden. Die Brutalität, mit der Israel im besetzten Palästina gegen die Palästinenser vorgeht, trägt mit Sicherheit nicht dazu bei, den Antisemitismus international zu senken.

Bernhard Kaiser, per E-post

 

 

Zu: "Historische Kontinuitäten" von Michael Wiesberg, JF 20/04

Sadismus mit Tradition

Lange unter Verschluß gehaltene Folterberichte und Fotos von Mißhandlungen schockieren die Welt. Inzwischen steht fest, daß die Sadisten unterm Sternenbanner gleich in mehreren irakischen und afghanischen Kerkern wehrlose Menschen erniedrigen, quälen, foltern und töten. Oft sogar mit Wissen und auf Befehl hoher Geheimdienststellen. Das hat Methode und entspricht langjähriger Praxis. Nicht erst seit Errichtung der Freiluft-Käfige von Guantanamo, schon zuvor in Vietnam, in Korea und in den berüchtigten "Internierungslagern" für Japaner und Deutsche im Zweiten Weltkrieg: Überall haben die USA die Genfer Konvention (und ihre eigenen hehren Grundsätze) brutal mit Füßen getreten. Deutsche Politiker, Kirchenvertreter und Medien wagen es bis heute nicht, an solche Ruhmestaten unserer "Befreier" zu erinnern. Wäre der 8. Mai nicht ein guter Anlaß gewesen, auch darüber zu reden? 

Herbert Rauter, Karlsruhe

 

 

Zu: "Neue Scheindiskussion" von Matthias Bäkermann, JF 20/04

Geöffnete Einfallstore

Matthias Bäkermann ist beizupflichten, wenn er die Verhandlungsrunden in Sachen Zuwanderung als Schmierenkomödie qualifiziert. Der Streit um die von Schily ins Spiel gebrachte und von der Union aufgenommene Sicherungshaft für verdächtige Ausländer, an deren Realisierbarkeit ohnehin niemand glaubt, soll nur die Tatsache vernebeln, daß über die beiden Herzensanliegen vor allem der Grünen längst Einvernehmen zwischen den Parteien besteht.

Es sind dies die "geschlechtsspezifische" und die "nichtstaatliche Verfolgung" als neue asylbegründende Tatbestände. Damit aber werden Einfallstore ins immer noch gelobte Land eröffnet, gegen welche die Zahlen der umstrittenen Arbeitsmigration als geradezu vernachlässigbar erscheinen. Es geht hier nicht etwa um 100 Fälle jährlich, wie uns der Grüne Beck vorlügt, auch nicht nur um die Mädchen und Frauen, die sich wegen vorgeblich oder tatsächlich drohender Beschneidung bei uns niederlassen dürfen (selbstverständlich mitsamt dem solche Praktiken befürwortenden Familienanhang). Der Kreis der Begünstigten ist noch nicht einmal auf die Länder beschränkt, in denen in der einen oder andern Form die Scharia gilt oder in denen es handfeste Vorurteile gegen eine andersartige sexuelle Orientierung gibt, sondern umfaßt letztlich alle Staaten, Regionen und Kulturkreise, deren Bewohnern eine nach deutschen Maßstäben unangemessene Behandlung drohen könnte. Damit ist der größere Teil unserer Welt angesprochen (und eingeladen).

Albrecht Meyer, Koblenz

 

 

Zu: "Der Nachkriegs-Visionär" von Thorsten Hinz, JF 20/04

Verraten gefühlt

Bitte bringen Sie nicht zuviel davon! Ich war Frontsoldat und habe mich verraten gefühlt, auch wenn ich noch jung war.

Hans Rantz, Stolberg

 

Biographische Lücke

Über das Wirken Carl Goerdelers darf man sicherlich geteilter Ansicht sein. Auch kann man darüber streiten, ob die Forderung nach den Grenzen des Jahres 1914 im Herbst 1943 ein Ausdruck maßloser politischer Naivität war, ebenso darüber, ob die etlichen Auslandsaufenthalte Goerdelers - vorgetäuschte Geschäftsreisen, die vom sogenannten "Boschkreis" finanziert wurden - moralisch zu rechtfertigen sind in einer Zeit, während der sich das einfache Volk den brutalen Restriktionen der totalen Kriegführung zu unterwerfen hatte.

Die postume Heiligsprechung Carl Goerdelers in der JF allerdings weist eine nicht unwichtige biographische Lücke über einen Umstand auf, den Hans-Adolf Jacobsen bereits 1961 in seinem "Spiegelbild einer Verschwörung" erwähnte. Dort kann man erfahren, daß der selbsternannte "Generalstatthalter" des Umsturzversuchs des 20. Juli 1944 nach seiner Verhaftung durch die Gestapo durch eine Eingabe an Hitler persönlich versuchte, seinen Kopf zu retten, indem er schrieb: "Wenn wir das Vaterland über alles stellen, was doch unser Glaube ist, so haben wir den 20. Juli als ein Gottesurteil zu achten. Der Führer ist vor fast sicherem Tode bewahrt. Gott hat nicht gewollt, daß Deutschlands Bestand, um dessen willen ich mich ... beteiligt habe, mit einer Bluttat erkauft wird ... Jeder Deutsche in der Reihe der Umsturzbewegung ist nunmehr verpflichtet, hinter den von Gott geretteten Führer zu treten". Das Treuegelöbnis eines Gauleiters der NSDAP hätte nicht pathetischer ausfallen können.

Man kann nur spekulieren, was Graf Stauffenberg, der im Bewußtsein starb, für das "Geheime Deutschland" zu fallen, über diese Haltung Goerdelers gedacht hätte.

Werner Bräuninger, Frankfurt/Main

 

 

Zu: "Gottesstaat auf europäisch" von Friedrich Romig, JF 20/04

Botschaft verfälscht

Der Artikel von Dr. Friedrich Romig stellt eine Verfälschung der biblischen Botschaft dar. Die Kirche als Institution ist kein Vorbild für die Gesellschaft, noch darf die Gesellschaft ein Vorbild für die Kirche sein. Die Kirche steht per definitionem im politischen Sinne außerhalb der Gesellschaft und wartet wie eine Magd auf die Wiederankunft Christi.

Nur er kann und wird das tausendjährige Gottesreich auf Erden errichten (nachzulesen in der Offenbarung des Johannes). Die heutige Kirche sollte nicht versuchen, ihre hierarchische Ordnung auf die Gesellschaft überzustülpen, das Gottesreich auf Erden zu errichten und sich fundamentalistisch in die Politik einzumischen. Dies alles widerspricht nämlich der Bibel selbst. Das Reich Gottes ist vielmehr eschatalogisch zu verstehen und wird erst nach dem Weltende (Apokalypsis)durch Gott respektive Jesus errichtet.

Der Demokratismus, oder besser gesagt die Demokratie, wurde nie von der (katholischen) Kirche abgelehnt, ebensowenig wie der Sozialismus. Im Gegenteil wird letzterer vom progressivem Teil des Klerus als am besten mit der christlichen Botschaft der Toleranz, Internationalität, Nächstenliebe und Gerechtigkeit vereinbar eingestuft. Dies geschieht auch vollkommen zu Recht. Letztendlich kann das Christentum in der Demokratie besser als in irgendeiner anderen Staatsform gedeihen, denn diese ist der sozialen Balance am zuträglichsten und erlaubt eine wahrhaft freie, ideologisch unverschmutzte Ausübung der Religion. 

Hans Meyer, per E-Post

 

 

Zu: "Größe allein genügt nicht" von Alain de Benoist, JF 19/04

Teilweise ein Erfolg

Unter dem Begriff Osterweiterung Europas ist in den letzten Tagen Richtiges und Falsches durcheinander gemengt worden. Da wird an falscher Stelle euphorisch deklamiert wie anderswo pessimistisch polemisiert. Sicherlich war es am 1. Mai 2004 wie bei einer Geburt. Vorhersehbar und absolut sicher ist nichts. Wie könnte es auch sein, bei fast einer halben Milliarde Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen mit eigenen Sprachen, Sitten und Lebensumständen. Unter der Fahne mit dem Sternenkranz haben sich Menschen zusammengeschlossen, die in 22 verschiedenen Sprachen reden. Weil aber die Sprache und das gelesene Wort als die wesentlichen Merkmale einer Kulturgemeinschaft gelten, ist dem beizupflichten, was vor einem halben Jahrhundert nach der Vision von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle als das "Europa der Vaterländer" beschrieben wurde. Was uns heute aufgrund der europäischen Sprachenvielfalt bleiben wird, ist eine lange Zeit gefilterter Information aus politisch gleichgeschalteten und redigierten Medien. Dennoch ist das jetzt Erreichte ein großer Erfolg.

Es ist auch Zeit an den Franzosen Aristide Briand und den Deutschen Gustav Stresemann zu erinnern. Beide paktierten schon 1925 im Vertrag von Locarno für die Beendigung von kriegerischen Feindschaften in Europa. Gewissermaßen vervollständigt wurde der Pakt von Locarno durch den "Berliner Vertrag" zwischen Deutschland und Sowjetrußland im Jahr 1926. Dieser Erfolg ist Stresemann ebenfalls zuzurechnen. Leider erinnern sich heute viel zu wenige daran, daß der ehemalige Reichskanzler (1923) und spätere Außenminister (1926/29) Stresemann zusammen mit Aristide Briand dafür 1926 den Friedensnobelpreis erhielten.

Peter Kopyciok, Kipfenberg

 

 

Zu: "Lötkolben statt Mutterschaft" von Ellen Kositza, JF 19/04

Wesen des Kapitalismus

Im Wesentlichen kann ich den Ausführungen der Autorin voll zustimmen. Ganz und gar nicht einverstanden bin ich jedoch mit Frau Kositzas Begründung. Ein objektiver Bedarf an Arbeitskräften jedenfalls scheint mir nicht gegeben. Das - mit allen Mitteln geförderte - Arbeitslosenheer steht dem entgegen. Und mit abnehmender Bevölkerung, die bei zunehmender Berufstätigkeit der Frauen droht, dürfte auch die Arbeit weniger werden. Warum dann Frauen in Männerberufe?

Die eigentliche Begründung liegt im Wesen des Kapitalismus. Eine seiner Ziele ist, die Menschen durch unselbständige Arbeit in ökonomische Abhängigkeit zu bringen, was bei Frauen mit Kindern gleich doppelt bewirkt wird. Vor diesem Hintergrund ist der "Girls Day" zu sehen - und zu bekämpfen.

Horst Michael Kretschmer, Engen

 

 

Zu: "Komm, Zigány, spiel mir ins Ohr" von Jens Knorr 19/04

Der marxistische Rabbi

Die von der Linken so hochgejubelte Kultfigur, der Philosoph Walter Benjamin, der auch als "marxistischer Rabbi" bezeichnet wurde und in Spanien Selbstmord beging, hat auch unschöne Texte geschrieben, welche Frau Marieluise Beck bestimmt nicht zum Verbot angeregt hätten. Er neigte dem Sowjetsystem in seiner schlimmsten Phase zu. Als der Surrealist André Breton mit Stalin brach, grenzte Benjamin ihn als einen Verräter aus. Während der Jahreswende 1926/27 weilte er in Moskau. Da notierte er in sein Tagebuch: "Die Kirchen sind fast verstummt. Die Stadt ist so gut wie befreit von dem Glockengeläut, das sonntags über unsere großen Städte eine so tiefe Traurigkeit verbreitet."

Und über die am Roten Platz gelegene Basilius-Kathedrale, die Kagonowitsch später niederreißen ließ, notierte er mit Genugtuung: "Man hat das Innere nicht nur ausgeräumt, sondern wie ein erlegtes Wild ausgeweidet. Und anders konnte es wohl auch nicht enden, denn selbst im Jahre 1920 hat man hier noch mit Inbrunst gebetet." (Walter Benjamin, Ges. Schriften, BD.IV/1, S. 344)

Georg Wiesholler, Ottobrunn

 

 

Zu: "Revitalisierung der Nation" von Lothar Penz, JF 19/04

Opfern von Interessen

Lothar Penz hat ja völlig recht, wenn er angesichts der existenziellen Herausforderung durch die fortschreitende Globalisierung eine "Revitalisierung der Nation" für zwingend geboten hält, um das Überleben Deutschlands in Zukunft zu gewährleisten. Doch die spannende, nicht beantwortete Frage bleibt, wie sich ein solcher Sinneswandel zu nationalem Gemeinsinn und Verantwortungsbewußtsein vollziehen soll. Nämlich in einem Staat, der sich bisher nur als Verteiler von gesellschaftlich erwirtschaftetem Wohlstand ansieht und mehr und mehr nationale Interessen internationalen Zielen und Forderungen opfert sowie in einer zunehmend multikulturell geprägten, deformierten und weitgehend entsolidarisierten Gesellschaft sein Zu hause finden möchte. 

Rolf Bauer, Stuttgart

 

 

Zu: "Im Griff der Medien" von Dieter Stein, JF 18/04

Keine Patrioten

Wie soll man die Verhältnisse in Deutschland bezeichnen? Keinesfalls ja wohl als auch nur halbwegs normal. Auch wenn man den Begriff "Zivilisierte Gesellschaft" weit faßt. Hinzu kommt noch eine finanzielle Notlage, die kein Ende nimmt. Aber wie sind wir in diese Lage geraten? Sind die Deutschen wirklich mit solchen Mängeln behaftet, wie man uns glauben machen will? Fragen könnte man aber auch, ob vielleicht andere Erklärungen denkbar wären. Mir geht die Aussage des britischen Premiers Major nicht aus dem Sinn, 1945 sei ein Dreißigjähriger Krieg zu Ende gegangen. Werden die Deutschen seitdem nicht mehr bekriegt? Auch in der Weimarer Zeit wurde nicht geschossen, aber für die Deutschen war trotzdem kein Friede. Wie ist zum Beispiel die "reeducation" einzuordnen mit ihren leider immer noch virulenten Auswirkungen? Könnte das eigenartige Verhalten unserer Machthaber in Politik und Medien darunter fallen? Da war sogar die schlimme Weimarer Zeit deutlich besser. Damals waren - von den Kommunisten abgesehen - die Politiker aller Parteien echte Patrioten.

Gunther Albers, Hamburg

 

 

Zu: "Rechtsstaat liquidiert" von Günther Deschner, JF 18/04

Selbstschutz ist wichtig

Gezeter über die vielfältigen Völkerrechtsverletzungen seit dem Jugoslawienüberfall 1999 ist sinnlos - heute gilt weltweit das Faustrecht. Die wichtigste Lehre daraus wäre, daß jeder Staat, der überleben will, vorrangig seinen militärischen Selbstschutz stark macht (was bei uns ohnehin Grundgesetzauftrag ist, nicht die Verteidigung am Hindukusch) und diese seine Stärke samt seiner wirtschaftlichen und finanziellen Potenzen zum eigenen Wohl einsetzt. Man kann sich allerdings auch relativ friedlich per EU-Globalisierung zum Vollsklaven machen und sein gesamtes Volksvermögen zu einer gigantischen, von anderen verwalteten Entwicklungshilfe umformen lassen.

Das Bonmot Herrn Avnerys, daß der Mord am Hamasführer Jassin "schlimmer als ein Verbrechen, nämlich eine Dummheit" sei, zeugt von einem merkwürdigen Rechtsverständnis. Allerdings jammerte auch Präsident Bush über Saddam, daß der seinen "Dad killen" wollte, setzte aber unverhohlen seine Killer erst auf Bin Laden und dann auf Saddam an.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Krieg dem Atheismus" von Georg Alois Oblinger, JF 17/04

Anekdoten

Was Herr Kreeft in seinem neuen Buch auseinandersetzt, hat Friedrich der Große dem Kardinalbischof von Breslau (nach einer Anekdote) mit den Worten gesagt: "Die Calvinisten behandeln Gott als ihren Diener, die Lutheraner als ihresgleichen, die Katholiken als ihren Herrn". Das Anliegen des in der jungen freiheit kurz besprochenen Buches "Die Jahrhundertdiktatur" (1999) ist der Nachweis, daß der Calvinismus zum Atheismus führen mußte und wir als Menschen ohne Theismus nicht leben können, keine Kultur haben. Denn: Der Goethe-Schüler Spengler hat eine Religion als Basis jeder Kultur und diese als tausendjährige Lebensgeschichte definiert, an deren Anfang die Bereitschaft, für die Religion zu sterben, steht. Daher erleben wir heute keinen ökumenischen Djihad, sondern die moslemischen Selbstmordattentäter sind Anzeichen für den Beginn einer aus dem Islam sich entwickelnden Neu-Religion, deren genauer Gehalt noch nicht deutlich ist. 

Wolfgang R. Thorwirth, Gummersbach


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