© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/04 28. Mai 2004

Pro & Contra: Ist Anke Engelke mit ihrer Late-Night-Show ein guter Start gelungen?
Tusch für Nachtschwätzer
Steffen Königer / Ronald Gläser

Wenn die Deutschen auch auf fast allen Ebenen ihre Spitzenpositionen auf diesem Planeten abgeben mußten - egal, ob Fußball, Wirtschaft oder Reiselust -, im Meckern werden wir die ewigen Weltmeister bleiben. Besonders dann, wenn es um die kleinsten Kleinigkeiten geht, wird Otto-Normalbürger zum Oberlehrer, der sowieso alles besser weiß und Käse findet, was neu ist. Eine volle Breitseite solcher typisch deutschen Sympathie bekommt nun auch Anke Engelke zu spüren. Sie konnte vor Sendestart dementieren, soviel sie wollte: Wirklich jeder, der bei der Harald-Schmidt-Show irgendwann einmal reinzappte, sah Anke Engelke als Nachfolgerin des über zehn Jahre nachttalkenden Schwaben.

Vorvergangenen Montag war nun Premiere der "Anke Late Night"-Show, und ratlose Reaktionen gingen von "Super" bis "Grausam". Sicherlich ist es wenig einfallsreich, eine für stand-up comedy bekannte Größe in eine fast identische Schmidt-Kulisse zu stellen, ihr eine Begleitband zur Seite zu geben, denselben Sendeplatz einzuräumen und dann zu behaupten, daß man ein gaaanz anderes Konzept betreibe als mit dem Harald.

Und doch: Ein Tapetenwechsel wäre irgendwann einmal fällig gewesen. Schon so mancher Boxer hatte seinen bestmöglichen Zeitpunkt zum Abtreten verpaßt. Der berühmte "Kampf zuviel" hat schon so manchem Sternchen seinen Einzug in ewige Ruhmeshallen vermasselt. Das hat Harald Schmidt erkannt und hörte auf, als es am schönsten war. Die wandelnde ZDF-Gummibärwerbemaschine Thomas Gottschalk beginnt hingegen mehr und mehr zu nerven. Was also als Alternative zum klaffenden Loch im Nachtprogramm vorstellen? Braucht es die vierhundertfünfunddreißigste Politik-Quatschtante à la Maischberger, Illner und Konsorten? Igitt! Sollte man sich lieber von Schreinemakers' Mitleidsstimme in den Schlaf plaudern lassen? Brrr! Lieber einer Anke Engelke zuhören, die nicht wie gestanzt daherredet und bei der Schnitzer einfach sympathisch sind.

Die vom SAT1-Chef Roger Schawinski vorgegebene "Befreiung" vom Zwang, Quote zu bringen, stimmt hoffnungsfroh. Scheiterten nicht schon Thomas Gottschalk und Thomas Koschwitz mit eben solchen Formaten? War es nicht Harald Schmidt, der von allen Seiten heftig kritisiert wurde, stets und ständig einen Vergleich mit dem amerikanischen Vorbild "Letterman" auszuhalten hatte? Er wurde erst dann Kult, als er sich einen Spaß aus seiner Unbeliebtheit machte. Also, liebe Kritiker: Erst mal eine Weile abwarten, dann meckern!

Manchmal sind Erwartungen so hoch, daß sie nie und nimmer befriedigt werden können. Anke Engelke kann ein Lied davon singen. Ihr Debüt als Late-Night-Quatscherin ging in die Hose - zumindest gemessen an der Vorfreude. Mit einem Marktanteil von 22 Prozent fand die Sendung viele Zuschauer. Am meisten schauten Frauen zwischen 30 und 39 zu. Kein Wunder: Engelke ist selber 38, das weibliche Publikum identifiziert sich mit ihr. Sat1 teilte am Tag nach der "Anke Late Night"-Premiere mit: "Wir sind glücklich über die großartige Premiere ihrer Show."

Viele Entertainer haben ihr den Ratschlag erteilt, sich nicht zu sehr am Erfolgrezept Harald Schmidts zu orientieren. Und was macht sie? Kupfert alles beim Übervater ab, bis hin zum Wasserglas. "Ich sage 'Ja' zu deutschem Wasser" war Kult. Aber das Glas einfach so voll zu schütten, daß es überläuft, ist einfallslos. Die Kulisse ist eins zu eins wie bei Schmidt. Wollte sie nicht eine eigene Sendung auf die Beine stellen?

Und dann die Gäste. Als ersten lädt sie sich Bastian Pastewka in die Sendung. Der ist auch Komödiant - nur eine Klasse unter Danke-Anke. Die beiden kennen sich aus der Sat1-Wochenshow. Pastewka als Gast ist so, als hätte Harald Schmidt sich Helmut Zerlett eingeladen. Trotzdem ließ sie sich auch noch das Gespräch von Pastewka aus der Hand nehmen. Voller Befriedigung konnten die Zuschauer auch am zweiten Late-Night-Tag verfolgen, wie Engelke alle Befürchtungen noch locker übertrifft. Sie veranstaltete eine (fiktive) Buchvorstellung à la Harald mit Gerhard Schröders Buch "Gespür für Scheiße". Ein anderer Buchtitel lautete "Der alte Mann und die Maut". Autor: Manfred Stolpe. Wie witzig! Am Dienstag schaltete deswegen auch fast eine Million weniger auf SAT1. In einer Internetumfrage des Wiener Standards sagten 50 Prozent, Engelke könne Schmidt nicht ersetzen. 26 Prozent hielten zu ihr, 23 Prozent war dies egal (wahrscheinlich die öffentlich-rechtlichen Beckmann-Zuschauer).

Auch in der Tagespresse, wo Schmidts Ausstieg zum Untergang des Abendlandes hochstilisiert wurde, gab es Kritik für Anke. "Das war kein Kracher, Lady", kommentierte der Kölner Express.

Was sie gut macht, sind die Sketche. Da spielt sie sich selbst - selbst dann, wenn sie Angela Merkel oder Nena mimt. Mehr davon bitte. Andernfalls nehmen die Zuschauer Reißaus, und Anke Engelke kann jeden Abend "Sieben Tage - Sieben Köpfe" senden - nur mit Anke Engelke. Aber vielleicht kommt ja dann Harald Schmidt zurück?!


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