© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/04 18. Juni 2004

Denkmal
Der verschollene Reichspräsident
Dieter Stein

Manche wünschten sich, über die ihnen unangenehmen Dinge der Vergangenheit sprichwörtlich Gras wachsen lassen zu können. Nun beschäftigt ein Denkmal die thüringischen Lokalblätter, das 60 Jahre lang echter Rasen bedeckt hatte. Am 7. Juni stieß Paul Breul nämlich im Garten seines Hotels mit dem Spaten auf einen harten Gegenstand. Es war das vollständig erhaltene, zehn Tonnen schwere und fünf Meter große Denkmal Paul von Hindenburgs, das sowjetische Soldaten hier 1945 umgestoßen und verscharrt hatten. Eine Sprengung soll wegen der Härte des verwendeten Porphyrs unmöglich gewesen sein.

Die Statue des 1934 verstorbenen zweiten Reichspräsidenten und als Helden der Schlacht bei Tannenberg verehrten Generalfeldmarschalls war von dem berühmten Berliner Bildhauer Hermann Hosaeus geschaffen und 1939 am Fuße des Kyffhäuser-Ehrenmals aufgestellt worden, das der Verehrung des Reichsgründers Kaiser Wilhelm I. dient.

Man hatte den von Hosaeus markig und kühl geschaffenen Reichspräsidenten mit Igelfrisur in Stein schon fast vergessen, als 1975 Arbeiter beim Bau eines Stasi-Urlauberheims darauf stießen. Man schippte das Loch aber schnell wieder zu und verschwieg den Fund. Seitdem verstummten die Gerüchte um den Verbleib nie völlig. Der aus Remscheid zugezogene Hotelier Paul Breul, der vor zwei Jahren die zum "Kyffhäuser Hotel" gewandelte MfS-Herberge erwarb, hörte die Geschichten um den sagenumwobenen steinernen Hindenburg und machte sich auf die Suche.

Nachdem Breul den Schatz gefunden hat, herrscht große Aufregung. Die Menschen um den Kyffhäuser sind begeistert und wollen den alten Reichspräsidenten lieber heute als morgen an seinem angestammten Platz wieder aufrichten. Natürlich verbinden der pfiffige Hotelier und andere Gastronomen mit der Entdeckung die Hoffnung auf einen weiteren Anziehungspunkt für Touristen in der Region.

Doch anstelle heller Freude dominieren in der veröffentlichten "Öffentlichkeit" Irritationen und Beklemmungen. "Am besten wieder einbuddeln oder weit weg ins Museum", schlagzeilt die Thüringer Landeszeitung. Das Blatt orakelt von "schwarz-braunen Horden", die aufmarschieren könnten, wenn das Denkmal wiedererrichtet würde. Konsequenterweise müßte man dann gleich das ganze Kyffhäuser-Ehrenmal dem Erdboden gleichmachen, denn es zählt zu den kolossalsten steinernen Zeugen von Patriotismus und Kriegerverehrung in Deutschland.

Nun mahlen erst einmal die Mühlen deutscher Bürokratie, die Denkmalämter streiten sich, ob der vergrabene Hindenburg überhaupt ein Denkmal sei. Statt die Leistung des Bürgers Breul zu loben, mokiert sich Sven Ostritz vom Landesamt für archäologische Denkmalspflege, die Grabungsarbeiten seien "hart an der Grenze zur Ordnungswidrigkeit". Man wird sehen, wann Gras über diese deutsche Posse gewachsen ist.

Informationen: Kyffhäuser-Hotel, Paul Breul, Kyffhäuser 3, 06567 Steintalleben, Tel. 03 46 51 / 39 30


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