© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/04 18. Juni 2004

Wo der Mohn so prächtig blüht
Bundeswehr: Der Einsatz von 2.300 deutschen Soldaten in Afghanistan ist bislang wenig erfolgreich / Drogenhandel im Schutz der Militärs
Paul Rosen

Seitdem Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die Devise ausgegeben hat, daß Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, hat die Bundesregierung den Worten Taten folgen lassen. 2.000 deutsche Soldaten versehen derzeit im Rahmen des ISAF-Mandates in Kabul ihren Dienst. Weitere 300 sind im nordafghanischen Kundus tätig. Demnächst soll noch ein weiteres regionales Wiederaufbauteam in Faisabad ebenfalls im Norden des Landes hinzukommen. Erfolge des militärischen Engagements sind jedoch bisher kaum feststellbar. Im Gegenteil: Afghanistan scheint unsicherer, die politische Situation instabiler zu werden.

Jüngster Fall: 30 Kilometer südlich von Kundus wurden am 10. Juni zehn chinesische Gastarbeiter von einer Gruppe unbekannter Täter erschossen. Es spricht einiges dafür, daß es sich bei den Tätern um Einheiten der Taliban oder al-Qaida-Terroristen handelt. Das deutsche Team in Kundus konnte nicht helfen, sondern nur noch Unterstützung bei der Versorgung von Verwundeten leisten. Einziger Kommentar der Bundesregierung: es sei "wichtig, das Netz dieser Stabilitätsinseln (gemeint sind die Orte mit ausländischen Truppenkontingenten) noch enger zu knüpfen", so ein Regierungssprecher.

Die CDU/CSU-Opposition war kritisch: "Meine Skepsis, ob ein Bundeswehr-Wiederaufbauteam nach bisherigem Zuschnitt in Faisabad die richtige Planung ist, steigert sich", sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Schmidt. Allerdings hat die CDU/CSU in der Vergangenheit stets allen Truppenentsendungen der rot-grünen Koalition zugestimmt.

Terroristen und Kriminelle scheinen mit den fremden Truppen Katz und Maus zu spielen. Ständig werden ISAF-Kontingente in Kabul angegriffen. Auch die Deutschen hatten bei einem Selbstmordanschlag im letzten Jahr mehrere Tote zu beklagen. Als Struck Kabul besuchte, wurde das als "Camp Warehouse" bekannte Lager der Bundeswehr in Kabul mit Raketen angegriffen. Auch danach gab es regelmäßig Angriffe. Die deutschen Soldaten fragen sich nur, ob das Lager absichtlich verfehlt wurde, oder ob die Angreifer nicht in der Lage sind, das avisierte Ziel zu treffen.

Die Ergebnisse des Engagements sind jedoch dürftig: Die Deutschen bilden ein afghanisches Panzerbataillon aus - zu wenig, damit sich die Regierung von Präsident Karsai angreifenden Kräften widersetzen könnte. Im Bereich der Entwicklungshilfe schreiben die Bilanzen von einigen gebohrten Brunnen, von der Wiederinbetriebnahme einiger Schulen und von einer Verbesserung der ärztlichen Versorgung. Über 200 Afghanen wurden stationär im Bundeswehr-Lazarett behandelt, weitere 10.000 ambulant. In Kabul scheint das massive Auftreten ausländischer Truppen zu einer Verbesserung der Sicherheit geführt zu haben; wenige Kilometer außerhalb der Hauptstadt regiert jedoch weiter das Faustrecht.

Als befriedet kann das Land noch lange nicht bezeichnet werden. Über 100.000 Kämpfer stehen noch unter Waffen und unter dem Kommando sogenannter Warlords, von denen einige sogar im Kabinett von Karsai sitzen. Sie sollen entwaffnet werden. Die Maßnahmen kommen aber genausowenig voran wie die Vorbereitungen für eine landesweite Wahl. 10,5 Millionen Afghanen sollen für die Wahlen registriert werden. Da die Registrierung nicht fortschreitet (bisher nur zwei Millionen), mußten die Wahlen erneut verschoben werden. Regelmäßige Unruhen wie zum Beispiel in Herat im Westen des Landes oder auch in der Nordregion beweisen, daß Karsai keine Kontrolle über sein Land hat und ohne die ausländischen Truppen nicht einmal Bürgermeister von Kabul sein könnte.

Gravierender ist ein anderer Punkt: trotz der massiven internationalen Militärpräsenz ist Afghanistan einer der Hauptlieferanten für Rauschgift nach Europa. Die Bundeswehr darf gegen Mohnanbau und Drogenhandel nicht vorgehen. Im Umkehrschluß bedeutet dies: Das geringe Mehr an Sicherheit, für das die Soldaten sorgen, kommt auch den Drogenbaronen im Lande zugute, die ihre Geschäfte mit weniger Störungen abwickeln können. Jede reparierte Straße bedeutet, daß Drogen besser zum Ziel kommen.

Afghanistan ist nicht zu kontrollieren

Daß afghanische Teilnehmer an der letzten Afghanistan-Konferenz in Berlin zu den Hauptfiguren des Drogenhandels gehören, ist der Bundesregierung bekannt, wie ein Vertreter im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages einräumte. Die Regierung weigerte sich jedoch, Namen bekanntzugeben. Der Verdacht der Komplizenschaft drängt sich hier auf.

Afghanistan ist, das wird seit Beginn des ISAF-Mandates immer deutlicher, nicht zu kontrollieren und nicht zu sichern. Sowjetische Truppen hatten dies früher genausowenig geschafft wie vor ihnen britische Kolonialherren. Was die Bundeswehr in Afghanistan auf Veranlassung der politischen Führung in Berlin tut, ist nichts anderes als das Erwecken des schönen Scheins, man sei militärisch ein "Global Player" und tue etwas für den Weltfrieden. Die Ergebnisse des Engagements und die Verhältnisse in Afghanistan zeigen jedoch, daß so die Freiheit der Deutschen auf keinen Fall verteidigt werden kann.


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