© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/04 18. Juni 2004

"Außerordentlich gefährliche Tendenzen"
Sterbehilfe: Arbeitsgruppe des Justizministeriums für mehr Selbstbestimmung / Kritik von Lebensrechtlern
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Die Arbeitsgruppe "Patientenautonomie am Lebensende" des Bundesjustizministeriums hat sich für mehr Selbstbestimmung beim Sterben ausgesprochen. Es geht vor allem um die Frage, ob lebenserhaltende Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder Sondenernährung fortgeführt werden sollen.

Die von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) eingesetzte Arbeitsgruppe aus Medizinern, Juristen, Ethikern und Kirchenvertretern betont in ihrem am 10. Juni in Berlin vorgestellten Bericht, daß der Patient auch solchen lebenserhaltenden Maßnahmen zustimmen müsse. Zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens etwa einer bewußtlosen Person sollen in erster Linie Patientenverfügungen dienen: Der Arzt habe sich bei allen Behandlungen nach ihnen oder dem eingesetzten Vorsorgebevollmächtigten zu richten. Im Strafgesetzbuch sollte die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen auf Wunsch des Patienten als "nicht strafbar" bezeichnet werden. Weiter empfiehlt die Arbeitsgruppe, daß ein Arzt eine Selbsttötung nicht mehr um jeden Preis verhindern muß, wenn sich ein Patient aus eigener Verantwortung dazu entschließt. Allerdings wandten sich die zur 25köpfigen Arbeitsgruppe gehörenden Kirchenrepräsentanten in einem Minderheitenvotum gegen diesen Punkt.

Zypries betonte vor Journalisten, daß sich die Arbeitsgruppe klar gegen aktive Sterbehilfe ausgesprochen habe. Die Bundesregierung werde zügig ein Gesetz zu Patientenverfügungen erarbeiten. Angesichts des ethisch und rechtlich sensiblen Themas sei aber eine breite gesellschaftliche Debatte nötig, um Mißbrauchsfälle auszuschließen. Die Schmerzbehandlung soll Teil des Medizinstudiums werden sowie das Hospizwesen ausgebaut werden.

Kritik an den Empfehlungen übte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Lebensrechtler Hubert Hüppe. Es seien "außerordentlich gefährliche Tendenzen", wenn Maßnahmen zur Lebensverlängerung nur nach Einwilligung des Patienten möglich seien. Der Vorrang des Lebensschutzes werde herabgestuft, wenn ein Arzt, der einer Selbsttötung zusehe, straffrei bleibe. Durch Interpretationsspielräume würden Ausnahmen vom Tötungsverbot möglich. Hüppe ist stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission "Ethik und Recht in der modernen Medizin" sowie der Christdemokraten für das Leben (CDL).

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar auf Seite 2


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