© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/04 09. Juli 2004

Winkeladvokat
Raubkunst: Ed Fagan will Deutschland verklagen
Ivan Denes

Feuilletonisten verirren sich manchmal im Sprachgebrauch, so auch als kürzlich berichtet wurde, der New Yorker "Staranwalt" Ed Fagan habe im Namen einer Organisation AHVRAM (für: Association of Holocaust Victims for Recovery of Artwork and Masterpieces) dem Bundesfinanzministerium eine Klageschrift über 18 Milliarden US-Dollar überreicht. Vor amerikanischen Gerichten soll die Rückerstattung von über 2.000 Kunstwerken erstritten werden. Dabei geht es um "Raubkunst", das heißt um Kunstwerke aus ehedem jüdischen Besitz, die angeblich widerrechtlich in den Besitz des NS-Regimes gelangt sind und die sich bis heute in deutschen Museen befinden.

Fagan will aber nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich und Österreich verklagen. Der Anwalt beruft sich auf einen Grundsatzstreit, den Österreich jüngst vor dem Obersten Gerichtshof der USA verloren hat. Der Supreme Court in Washington entschied am 8. Juni, daß die 88jährige jüdische Emigrantin Maria Altmann ihre Klage auf Herausgabe von sechs Klimt-Bildern vor US-Gerichten weiterverfolgen kann.

Inzwischen hat Fagan nach eigenen Angaben Zivilklage vor einem Gericht in New York eingereicht. Die Klage richtet sich gegen das österreichische Kulturministerium, die Zentralbank und drei der wichtigsten Wiener Museen: das Dorotheum, das Museum Leopold und das Kunsthistorische Museum. Nach Ansicht der Regierung in Wien sind die Bilder "Eigentum des österreichischen Staates".

Widerspruch kommt auch aus dem Finanzministerium in Berlin: Der Versicherungswert der noch nicht rückerstatteten Kunstobjekte - über eine Million wurden seit Kriegsende zurückgegeben - belaufe sich auf etwa 60 Millionen Euro, die Liste könne im Internet in der Datenbank LostArt.de, die von der Washingtoner Fachkonferenz vor Jahren eingerichtet wurde, eingesehen werden.

Überraschend ist nicht, daß Ed Fagan erneut einen theatralischen Auftritt in Berlin (und Wien) inszenierte, überraschend ist, daß Zeitungsredakteure, die es besser wissen müßten, Fagan erneut auf den Leim gegangen sind. Denn Fagan ist keineswegs ein "Staranwalt", über eine Organisation namens AHVRAM ist nichts bekannt, und die 18 Milliarden US-Dollar sind ebenso phantastisch wie frei an den Haaren herbeigezogen. Unwahr ist auch die Behauptung, Fagan sei der Mann, der den Anstoß für die 1,25 Milliarden schwere Wiedergutmachungszahlung der Schweizer Großbanken gegeben habe.

Wer ist der derart verkannte Mann? Der heute 49jährige wurde in Texas geboren, wanderte nach Israel aus, kam nach Amerika zurück, begann 1980 sein Jurastudium, machte sich in 1994 selbständig und spezialisierte sich als "Rettungswagenanwalt" - das sind die Anwälte, die nach Unfällen dem Rettungswagen nachlaufen, um als erste ein Mandat für eine Klage auf Schadenersatz zu bekommen.

Fagan fristete ein kümmerliches Dasein als Winkeladvokat, bis ihm Gisela Weißhaupt über den Weg lief. Die in Rumänien geborene Jüdin, ein Holocaustopfer, hatte in den Zeitungen über den Kampf des Jüdischen Weltkongresses mit den Schweizer Banken gelesen, meinte ein eigenes "schlafendes Konto" geerbt zu haben und beauftragte Fagan, gegen die Banken zu klagen. Fagan organisierte die erste sogenannte Sammelklage, sprang aber nur auf den fahrenden Zug des World Jewish Congress auf.

Frau Weißhaupt entzog ihm später das Mandat - wie zahlreiche andere Mandanten, die ihn sogar wegen Vernachlässigung der Anwaltspflicht auf Schadenersatz verklagten. Sein überaus aggressives Auftreten, seine spektakulären Pressekonferenzen unter freiem Himmel, auf Treppen von Bankhäusern oder Industriekonzernen etwa, veranlaßten sechs angesehene Anwaltskanzleien den Versuch zu unternehmen, Fagan aus den Verfahren gegen die Schweizer Banken auszuschließen.

Seitdem hat sich Ed Fagan durch unzählige Einzel- und Sammelklagen bemerkbar gemacht. Er war nicht nur Mitankläger in der Sache der Zwangsarbeiter in Deutschland und in Österreich, er klagte gegen japanische Konzerne wegen der Ausbeutung amerikanischer Kriegsgefangener (und ging leer aus), er klagte auf Schadenersatz für die Nachfolger und vermeintlichen Erben von US-Sklaven aus vergangenen Jahrhunderten (und versagte), er verklagte internationale Banken und Konzerne wegen Unterstützung des Apartheid-Regimes in Südafrika (er wurde dann von den anderen Anwälten im Verfahren ausgebootet).

Er klagte im Namen der Opfer des Tunnelunglücks im österreichischen Kaprun (das Mandat wurde ihm entzogen), er wollte die Klage von österreichischen Bürgern gegen die Inbetriebnahme des tschechischen KKW Temelin einleiten, er verklagte die Hypo Alpe Adria-Bank auf 1,3 Milliarden US-Dollar im Namen von Anklägern, die sich von der Kärtner Bank hinters Licht geführt empfinden. Die Klagenfurter Bank ihrerseits erstattete gegen Fagan Anzeige wegen des Verdachts versuchter schwerer und gewerbsmäßiger Erpressung. Denn bei Fagan geht nichts ohne Drohungen, politische Inszenierungen, Pressekonferenzen und Zusammenballungen interessierter Mandanten - und Journalisten. Fürs Sommerloch ist er allerdings immer gut.

Der Mann leidet offenbar an einer gewaltigen Profilneurose und ist weniger als "Staranwalt" denn vielmehr als Clown zu betrachten. Allerdings als lästigen. Wer ihn ernst nimmt, ist selbst schuld.


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