© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/04 06. August 2004

Bestens versorgt mit dem Staatsvertrag
Rundfunkgebühren: Immer höhere GEZ-Zahlungen der Bürger sorgen für üppige Gehälter und Pensionen und ein ins Uferlose gesteigertes Angebot öffentlich-rechtlicher Medien
Ronald Gläser

Anfang Mai meldete der Spiegel, daß die Bundesländer nun auch von Blinden die GEZ-Gebühr verlangen wollen. Die bisherige Befreiung von Blinden, schwer Sehgeschädigten und Tauben wird damit abgeschafft.

Das gibt 105 Millionen Euro mehr für ARD und ZDF. Die beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten benötigen das Geld dringend. Dadurch sinkt ihr Finanzierungsbedarf um 12 Cent pro Zuschauer. Da die von ARD und ZDF für den 1. Januar 2005 geforderte Gebührenerhöhung auf massive Ablehnung stößt, versuchen die Anstalten nun die Zahl der Befreiungen zu verringern.

Immer größer wird der Unmut der Deutschen gegen die "Abzocke" für ein Programm, das sie unter Umständen gar nicht einschalten. So berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin über die Methoden der GEZ-Außendienstler unter folgenden Überschriften: "Datenkrake GEZ - Der Inkasso-Riese mit dem Stasi-Image", "Der Pantoffelzähler geht, der Rasterfahnder naht" oder "Jagd mit Fangarmen und Fangfragen".

Auf 17,24 Euro steigt die GEZ-Gebühr, die ab Januar 2005 Monat für Monat vom Zuschauer in der ersten Reihe abgebucht werden soll. Mit zwangsweise konfisziertem deutschen Volksvermögen in Höhe von 6,6 Milliarden Euro jährlich bestreiten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre Haushalte. Und die wachsen. Nicht nur, weil ARD, ZDF & Co. ihr Angebot ständig ausweiten. Sondern auch, weil die in öffentlichen Einrichtungen stets und ständig grassierende Verschwendungssucht die öffentlich-rechtlichen Sender heimgesucht hat.

Die Idee, die dahintersteht, ist genial: Öffentlich-rechtliches Fernsehen gehört nicht einer Einzelperson wie Silvio Berlusconi, Leo Kirch oder Edgar Bronfman. Es gehört auch nicht einem Konzern wie Springer, Bertelsmann oder Time Warner. Nein, öffentlich-rechtlicher Rundfunk gehört der Allgemeinheit und ist unabhängig, staatsfern und frei von politischen sowie wirtschaftlichen Einflußnahmen.

Das Betätigungsfeld wird immer weiter ausgedehnt

Aus der Idealvorstellung vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist ein Leviathan geworden, der mittlerweile über 24.000 Festangestellte umfaßt. Die Verantwortung liegt bei einem Gewebe von Rundfunk- und Verwaltungsgremien, die mit Haupt- und Stellvertretern besetzt sind. Schon die Unübersichtlichkeit des Ganzen sorgt dafür, daß den Verwaltungsriesen niemals die Arbeit ausgeht. Trotzdem sucht sich die "öffentlich-rechtliche Krake" immer neue Betätigungsfelder. Immer neue Lücken müssen angeblich geschlossen werden - hier eine Nachtlücke, dort fehlt ein Online-Auftritt. ARD und ZDF haben ihre Sendeminuten in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Die eingesammelten Gebühren haben sich "nur" verdoppelt. Daher der Geldbedarf.

Beispiel Frühstücksfernsehen: Das ist inzwischen so gut geworden, daß seine - zugegebenermaßen hohe - Qualität den Niedergang der Tageszeitungen beschleunigt. So sieht es zumindest der frühere Welt-Chefredakteur Wolfram Weimer. Auf der Politikwissenschaftlertagung "Politik als Marke" begründete Weimer kürzlich die sinkende Auflagenstärke deutscher Zeitungen: "Zeitunglesen hat viel mit dem Frühstück zu tun, es geschieht am Frühstückstisch. Wenn Sie sich das ARD/ZDF-Frühstücksfernsehen ansehen, wissen Sie, warum sich immer weniger Menschen eine Zeitung kaufen."

Mit Arte, Phönix und 3Sat sind es bereits 21 Fernsehsender, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen ausmachen. Und wenn Sendeanstalten wie der SFB und der ORB fusionieren, entstehen neue Anstalten, die mehr als die Summe ihrer Vorgänger ausgeben. Gleich der erste Haushalt des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) überschritt diese Marke. Übrigens: Die RBB-Intendantin Dagmar Reim erklärte unlängst stolz, daß es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Eine personelle Konsolidierung des RBB wird also nicht einmal angestrebt.

Hier wiederholt sich das, was bei der Fusion von Südwestfunk und Süddeutschem Rundfunk zum Südwestrundfunk geschehen ist: Offiziell begründet wurde die Fusion mit Kostenersparnissen. Hinterher fiel aber auf, daß der Wasserkopf aus Direktoren und Abteilungsleitern anschwoll. Statt auf mehr Sparsamkeit seiner Anstalt zu setzen, forderte der SWR-Intendant Peter Voß mehr Geld.

Schon plant ZDF-Chef Markus Schächter einen Opernkanal, weil er den Hals offenbar nicht vollbekommt. 61 öffentlich-rechtliche Radioprogramme funken in Deutschland um die Wette. 1992 waren es noch 46. Viele der öffentlich-rechtlichen Infotainment-Dudelsender unterscheiden sich nicht einmal in Nuancen von ihren privaten Konkurrenten. Deswegen tragen die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die eingangs geschilderten Idealvorstellungen wie eine Monstranz vor sich her - gekoppelt mit der Behauptung, sie hätten den Auftrag, diese Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung zu liefern.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten berufen sich auf den Staatsvertrag der Länder von 1961 und später hinzugekommene Vertragswerke, die als "Rundfunkstaatsvertrag" bezeichnet werden. Hinzu kommt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die "Grundversorgung" der Bürger mit kulturellen, informativen und auch religiösen Themen festgeschrieben hat.

Diese Grundversorgung ist nicht näher definiert. Deswegen behaupten die Nutznießer der öffentlich-rechtlichen Mammutanstalten dreist, daß auch "Radio Multikulti", "Mona Lisa" und der "Marienhof" dazugehörten. Dagegen fordert die CDU, dies "im Rundfunkstaatsvertrag sowie in den Mediengesetzen der Bundesländer zu konkretisieren". Taten hat die Partei in den Ländern, in denen sie das Sagen hat, nicht folgen lassen. Tatsache ist, daß die Fernsehrealität nichts mehr mit dem zu tun hat, was die Länderchefs 1961 in den Rundfunkstaatsvertrag hineinschrieben.

Auch die Verwaltungen der Anstalten verschlingen Unsummen. So leistet sich der NDR nicht nur acht Radiosender, sondern auch eine Verwaltung, die errechnet haben will, daß die Sendeanstalt NDR-eigene Tankstellen benötigt. "Die Tankstellen ermöglichen uns Einsparungen gegenüber Fremdbetankung", sagt der NDR-Sprecher Martin Gartzke. Ganz anders sieht das Herrmann Reffken, Prüfer beim niedersächsischen Landesrechnungshof: "Für den Betrieb einer Tankstelle beim Funkhaus Hannover hat der NDR weder die betriebliche Notwendigkeit noch die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen. Der Tankstellenbetrieb sollte eingestellt werden."

175 Millionen Euro wollte die ARD für ihr Online-Angebot ausgeben - mehr, als Florian Gerster für die Weltnetzpräsentation seiner Bundesagentur für Arbeit zu zahlen bereit war. Kein Unternehmen der Privatwirtschaft kann sich eine so kostenintensive Netzseite leisten. Klarer Marktführer im Internet ist trotzdem Sevenone Intermedia, die Internettochter der ProSiebenSat1-Gruppe. Erst nach massiven Protesten senkte die ARD die Kostenprognose um 45 Millionen ab.

Aktive verdienten weniger als die Pensionen früherer Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen. 1.900 Personen, die früher beim Hessischen Rundfunk gearbeitet haben, erhielten Höchstrenten. Der Bayerische Rundfunk zahlte für verdiente Mitarbeiter bis zu 5.500 Euro Zusatzrente. Inzwischen sollen sich die Intendanten darangemacht haben, künftige Zusatzrenten auf Normalmaß zurückzuschneiden. Angesichts steigender Kosten muß gemutmaßt werden, daß die Reduktion der Selbstbedienung nur schleppend vorangeht.

Auch bei den Lohn- und Honorarstrukturen wird der Unterschied zwischen den privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern deutlich. In der Regel verdienen freie Mitarbeiter beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen mehr als ihre Kollegen in der Privatwirtschaft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschäftigt etwa 31.000 "Freie".

In der "ersten Reihe" werden die höchsten Honorare gezahlt

Weil sie sich darüber in Internetforen wie www.journalismus.com  austauschen, können Vergleiche angestellt werden: Bei privaten Fernsehproduktionsfirmen wie AZ Media ("Helden des Alltags", "Mein Baby") liegt das Tageshonorar bei 190 Euro. "Creatv" zahlt 170 Euro. Bei Sachsenfernsehen sind es sogar nur 120 Euro. Ein Tonassistent bei RTL bekommt nur 150 Euro pro Tag. Die größeren privaten Sender und die eng mit ihnen kooperierenden Produktionsfirmen zahlen schon besser: Bei Grundy ("Star Search", "Quizshow") sind es 350 Euro, bei Sat 1 etwa 220 Euro, bei Pro Sieben sogar 400 Euro.

Alles in allem sind die Honorare beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen jedoch höher: Bayerischer und Hessischer Rundfunk, etwa 215 Euro; Phoenix, 250 Euro: NDR, 270 Euro; ARD, 300 Euro; ZDF, bis zu 400 Euro. Der WDR zahlt bis zu 580 Euro, Spitzenreiter ist jedoch der Sender Arte, die bis zu 600 Euro für einen Arbeitstag seiner Freien lockermacht.

Die Vergütungsstrukturen der einzelnen Sender und Produktionsfirmen sind nicht so ohne weiteres miteinander zu vergleichen. Mithin variiert die Spanne der Tagessätze auch und basiert zudem auf freiwilligen Angaben in einem anonymen Forum. Trotzdem läßt sich die pekuniäre Besserstellung der Journalisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus diesen Angaben ablesen.

Dies wird noch deutlicher, wenn Sätze für Radiobeiträge (im Schnitt zwei- bis dreiminütige Wortbeiträge) unter die Lupe genommen werden: Kleine private Rundfunksender zahlen in der Regel bis zu 50 Euro für so einen Beitrag - so zum Beispiel Osradio, der Lokalrundfunk für Stadt und Osnabrücker Land. Bei Alsterradio sind es 40 Euro und bei Antenne Düsseldorf nur 30 Euro. Dagegen die entsprechenden Honorarsätze beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk: MDR Hörfunk, 100 bis 123 Euro; RBB, 118 bis 130 Euro; Bayerischer Rundfunk, 120 Euro; Hessischer Rundfunk, 148 Euro; NDR, 150 bis 160 Euro; Deutschlandfunk, 240 Euro. Kein Wunder, daß das Deutschlandradio über drei Prozent der GEZ-Gebühren erhalten muß. Zum europäischen Vergleich: Beim ebenfalls öffentlich-rechtlichen österreichischen ORF kostet ein solcher Kurzbeitrag eines Freien nur 96 Euro.

Die hohen Vergütungen, die von den Sendern festgelegt werden, haben noch einen anderen Grund als nur Großzügigkeit gegenüber den Freien. In der ARD wurde früher das fröhliche Spiel "Ein Mikrofon wäscht das andere" gespielt. Und das ging so: Ein Redakteur, beispielsweise vom Hessischen Rundfunk, schreibt einen Gastkommentar für einen Freund bei einem anderen Sender, beispielsweise Radio Bremen. Und dafür bekam der Autor ein Honorar, als wäre er freier Mitarbeiter statt Festangestellter. In der Folgewoche wurde das Spiel dann umgekehrt wiederholt - zu Lasten der geschröpften Zuschauer. Inzwischen hat die ARD wenigstens diese Art des Absahnens beendet.

Auch sonst sind die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einfallsreich, wenn es ums Geldverprassen geht. Der Chef vom Deutschlandradio, Ernst Elitz, der 2003 über einen 200-Millionen-Euro-Etat verfügte, leistet sich nicht einen, nicht zwei, sondern drei Amtssitze - zwei in Berlin, einen in Köln. 45 Millionen gehen jährlich für Energie, Instandhaltung der Funkhäuser, Außenstudios, EDV und vieles mehr drauf. Dabei hätten der Rias und der DDR-Rundfunksender DS-Kultur 1990 einfach "abgewickelt" werden können. Statt dessen haben die Politiker sie umbenannt und zu nationalen Nachrichtensendern ausgebaut. Insiderberichten zufolge könnten 30 Millionen Euro beim Deutschlandradio sofort eingespart werden, meldete die Zeitschrift Capital im Jahr 2000. Statt dessen ist der Etat in den letzten vier Jahren um 25 Millionen gestiegen.

Vorschläge für eine Reform landeten im Papierkorb

Ende 1999 schlug der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums eine "prinzipielle Neuordnung des Rundfunks" vor. Die Anstalten sollten sich auf ihr Kerngeschäft, nämlich niveauvolle Informations- und Kultursendungen, zurückziehen, hieß es im Papier. Der damalige Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) distanzierte sich von den Vorschlägen und ließ sie in den Papierkorb wandern. Sein Nachfolger Wolfgang Clement (SPD) gilt als Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, läßt aber seinen Worten keine Taten folgen.

Dabei liegt auf der Hand, was an Reformen in Angriff genommen werden könnte, ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gleich abzuschaffen. So forderte das Gutachten aus dem Wirtschaftsministerium bereits die Einschränkung der Programme.

Weiter sollte die Werbefinanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten beendet werden. Gerade dieser Punkt würde dem Schielen auf die Quote bei ARD und ZDF ein Ende bereiten. An der Quote kann nicht die Qualität des Programms abgelesen werden, das beweist "Big Brother". Im Umkehrschluß zeugt eine schlechte Quote natürlich auch nicht für ein wertvolles Programm. Aber durch die zunehmende Werbefinanzierung schielen die öffentlich-rechtlichen TV-Produzenten immer mehr auf die Zuschauerzahl und nehmen Boulevardnachrichten, Seifenopern und andere Formate ins Programm, die getrost den Privaten überlassen werden könnten.

Auch die Umsetzung einer weiteren Forderung des Papiers, die Privatisierung einer oder mehrerer Anstalten, könnte dazu beitragen, die Kosten zu senken und den GEZ-Beitrag wenigstens stabil zu halten. Doch schon regen sich Besitzstandswahrer - allen voran die Dienstleitungsgewerkschaft Verdi mit ihrem Vorsitzenden Frank Bsirske. Auf der gewerkschaftlichen Internetseite wird bereits gewarnt, es verschärften sich "in jüngster Zeit die Angriffe der Privatfunklobby auf das öffentlich-rechtliche System". Besonders scharf von Verdi angegangen wurde NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD), als er 2003 ein Moratorium bei der GEZ-Gebühr forderte: Unverfroren sei die Forderung nach einer Einfrierung der Gebühren.

Foto: ZDF-Intendant Markus Schächter, ARD-Vorsitzender Jobst Plog, WDR-Intendant Fritz Pleitgen und Bayerns Staatskanzleichef Erwin Huber (v.l.n.r) beraten am 20. Februar 2004 in Mainz über die Erhöhung der GEZ-Gebühren: Aus dem ursprünglichen Ideal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist ein gebührenfinanzierter Leviathan geworden, der die "Grundversorgung" um mehr als ein Vielfaches übererfüllt


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