© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

Teilabzug der US-Truppen
Die Angst vor der Souveränität
Peter Lattas

Ami go home" - das war einmal. Zum deutschen Sonderweg gehört, sich nicht zu freuen, wenn sechzig Jahre nach Kriegsende Besatzungstruppen ihren Teilabzug ankündigen. Da löst der Plan der US-Regierung, im Zuge einer globalen Umgruppierung ihrer Streitkräfte zwei Divisionen aus der Bundesrepublik abzuziehen und einige Stützpunkte dichtzumachen, vielmehr "Unruhe" in den betroffenen Städten aus. Ein Gemisch aus kleinkariertem Eigennutz und irrationalen Verlustängsten treibt die auf Uncle Sam als Vaterfigur sozialisierte politische Elite des Landes um und läßt sie vom Provinzbürgermeister und Landesduodezfürsten bis zum Oppositionssprecher oder Bundesminister flehen: "Yankee, bitte bleib!"

Warum eigentlich? Weil die Dollars der GIs und ihrer Familien ein bißchen Kaufkraft in strukturschwache Gemeinden spülen, wie Lokal- und Landespolitiker barmen? Weil mehrere tausend Arbeitsplätze für deutsche Hiwis verlorengehen könnten, wie die Verdi-Gewerkschaftler menetekeln? Volkswirtschaftlich betrachtet sind das Milchmädchenrechnungen. Die weltweite Militärpräsenz der USA ist nämlich kein Strukturhilfeprogramm für klamme Kommunen im Hunsrück. Jeden Dollar, den ihre Truppen in Deutschland ausgeben, lassen sie sich vorher direkt oder indirekt bezahlen. Rechnet man zu den Stationierungskosten auch indirekte Alt- und Folgelasten dazu wie die kostenlose Überlassung von Liegenschaften oder deren Rückgabe mit garstigen ökologischen Belastungen, dann sind die vermeintlichen Vorteile teuer selbst erkauft.

Ohnehin diskutiert die politische Klasse am Problem vorbei. Wenn ein Staat Truppen auf dem Gebiet eines anderen unterhält, geht es nicht um volkswirtschaftliche Gewinn- und Verlustrechnungen. Es geht um die Souveränität. Und vor der haben deutsche Politiker offenbar bis heute Angst. Sonst wäre wohl der Unionsverteidigungsexperte Christian Schmidt nicht so besorgt ob des "Auseinanderlebens" zwischen Alteuropa und den USA, sonst klagte wohl Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) nicht über den "schweren Verlust", sonst müßte Karsten Voigt als deutsch-amerikanischer Koordinator im Auswärtigen Amt wohl nicht beschwören, daß Deutschland schließlich weiterhin "das größte US-Stationierungs­gebiet in Europa" bleiben werde. Stimmt: Nur ein Drittel, maximal die Hälfte der 73.000 US-Soldaten wird abgezogen. Der Rest bleibt und bildet einen Staat im Staate, eigenen Gesetzen und eigener Gerichtsbarkeit unterworfen, den Interessen der USA dienend. Deutschland bleibt logistische Drehscheibe der US-Weltpolitik, Planung und Führung völkerrechtswidriger Angriffskriege von deutschem Boden aus inbegriffen, ohne daß die deutsche Regierung entscheidend mitreden könnte, wenn es ernst wird. Unserer politischen Elite scheint dieser Zustand so sehr zu gefallen, daß sie sich ängstlich daran festklammert. Das sollte uns mehr zu denken geben als kleinliche Bürgermeistersorgen.


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