© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

Januskopf des Wahnsinns
Horst Mahler vor Gericht
Doris Neujahr

Seit Februar 2004 muß Horst Mahler sich vor der 22. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates verantworten. Jetzt will das Gericht prüfen lassen, ob "eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung, Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit vorgelegen hat, die die Einsichtsfähigkeit oder Hemmungsfähigkeit" bei Mahler ausgeschlossen oder vermindert haben könnte. Anlaß dazu haben antisemitische Ausfälle Mahlers gegeben wie: "Milliarden Menschen wären bereit, Adolf Hitler und dem Deutschen Volk den Völkermord an den Juden zu verzeihen, wenn er ihn denn begangen hätte." Wen wundert's, daß das Gericht sich mit seinem Latein am Ende sieht und nach dem Psychiater ruft?

"Die Staatsschutzkammer irrt nicht, wenn sie 'zwanghafte Züge' an meinem Verhalten erkennt", verkündete Mahler. Zur Selbstreflexion ist er also weiterhin fähig. Ohnehin gibt es keinen Zweifel, daß dieser überdurchschnittlich intelligente Mann genau weiß, was er tut. Das wirft die Frage nach dem Bedingungsgefüge auf, in dem seine Zwanghaftigkeit sich herausgebildet hat und auf das sie sich nach wie vor bezieht. Es geht also um die Dialektik von persönlichem Wahnsinn und der Paranoia der Gesellschaft.

Man muß dazu an den Erfolg erinnern, den Daniel J. Goldhagen mit seiner These vom "eliminatorischen Antisemitismus" der Deutschen, deren tiefster Wunsch es seit Jahrhunderten gewesen sei, die Juden umzubringen, hierzulande feierte. Obwohl diese Ungeheuerlichkeit nicht viel anders klingt als die von Mahler, nur daß sie unter entgegengesetztem Vorzeichen steht, sah keine Behörde sich aufgerufen, Goldhagens psychischen Zustand zu begutachten oder zu überprüfen, wie weit er den Straftatbestand rassistischer Volksverhetzung erfüllt. Im Gegenteil, sein öffentlicher Siegeszug durch Deutschland wurde ausdrücklich gefördert. Nicht zu reden von dem tonangebenden Narrensaum aus falschen Leas und halbseidenen Michels.

Horst Mahler ist dazu die unvermeidliche Komplementärgestalt. Es ist der Januskopf des ganz normalen Wahnsinns in Deutschland, der einem aus seinen Tiraden entgegenstarrt.

Horst Mahler (Foto)


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