© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/04 20. August 2004

Rechtschreibung I: Der Zankapfel schmeckt auch in Österreich nicht so recht
das bunte zeichen labürint
Jörg Fischer

Nach der Ankündigung des Springer-Konzerns, des Spiegel-Verlags und der Süddeutschen Zeitung, in Kürze wieder zu der bewährten deutschen Rechtschreibung zurückkehren zu wollen (die JF berichtete), hat die Debatte nun auch Österreich erreicht. Jedoch wurde sie hier eher zaghaft und unentschlossen angegangen. Dazu kommt noch, daß man in der Alpenrepublik die Rechtschreibreform nie so kontrovers und leidenschaftlich diskutiert hat wie in Deutschland.

Die Chefredakteure der verschiedensten österreichischen Zeitungen und Magazine waren zunächst - trotz des Paukenschlags aus dem Norden - ein und der selben Ansicht, nämlich alles beim neuem zu belassen. "Wir sind nicht die Institution, die darüber zu richten hat", meinte Gerfried Sperl, Chefredakteur der linksliberalen Wiener Tageszeitung Der Standard. Auch Michael Kuhn, ehemaliger Sportressortleiter und vom Essener WAZ-Konzern (hälftiger Eigentümer und Reformbefürworter) eingesetzter geschäftsführender Chefredakteur des mit Abstand größten österreichischen Blattes, der Kronen Zeitung, sprach sich "Zähne knirschend" für die Beibehaltung der Reform aus. Doch am 11. August deutete sich dem aufmerksamen Krone-Leser ein Sinneswandel an: "Ich binn almälich gans, verwirt wie richdig Rechd geschriben wirt", reimte Kolumnist Wolf Martin. "Drumm schär ich mich jezd nichd mer Viel! und schreibe einfach nach gefül."

Am 12. August war dann offiziell Schluß mit der Gemütlichkeit. Die Krone titelte mit dicken Lettern: "Schluß mit neuer Rechtschreibung", wobei sich das "ß" in roter Farbe vom Rest der Schrift abhob. Damit hatte nun auch in Österreich der Kampf zwischen den Befürwortern und Gegnern der Rechtschreibreform begonnen.

Sogleich kursierten Umfragen, wonach sich 66 Prozent der Österreicher gegen die Reform aussprechen - nur zwölf Prozent schreiben nach den neuen Regeln. Wie aussagekräftig diese Umfragen tatsächlich sind, ist schwer zu beurteilen. Den entscheidenden Impuls lieferte aber der Senior-Chefredakteur der Krone, Hans Dichand: "Immer mehr bei uns und überall dort, wo deutsch gesprochen wird, sieht man, daß diese Reform offenbar in überflüssiger bürokratischer Regelungswut entstanden ist", schrieb der als hälftiger Krone-Eigentümer noch immer einflußreiche 83jährige in alter Rechtschreibung in seiner "Cato"-Kolumne. Die Politiker hätten einmal mehr "an der Bevölkerung vorbeiregiert". Im August nächsten Jahres werde der "uns aufgezwungene Irrsinn verbindlich", warnte Dichand: "Also Schluß damit. So schnell wir können!"

Auch der Ressortleiter für Innenpolitik, Dieter Kindermann, begrüßt nun die Rückkehr der Kronen Zeitung zur alten Schreibweise, jedoch schrieb er seinen Artikel nach der neuen Regelung, weil man angeblich die PCs erst wieder auf die alte Schreibweise umstellen müsse. Allerdings stellt sich nun die Frage, wie nun WAZ auf Dichands erklärten "Boykott" reagieren wird. Der geschäftsführende Chefredakteur, Michael Kuhn, hat sich noch nicht offiziell zur Umstellung geäußert, jedoch kann man mit einem Eklat innerhalb der österreichischen Boulevardzeitung rechnen, da die WAZ-Gruppe demonstrativ bei der neuen Rechtschreibung bleibt.

Bislang hat sich nur das österreichische Magazin News der Krone angeschlossen. Die bürgerliche Presse oder die SPÖ-nahe Boulevardzeitung Kurier verteidigen unisono die neue Rechtschreibregelung - eine "Reform der Rechtschreibreform" würde sich negativ auf die Schüler auswirken.

Viel bunter ist hingegen das politische Stimmengewirr zur Rechtschreibreform. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und sein schwarz-blaues Kabinett, das ansonsten nicht viele Gemeinsamkeiten mit Gerhard Schröder und seiner rot-grünen Regierung pflegt, sind bei der Rechtschreibreform voll auf Berliner Linie: Kein Zurück!

Von den Parteien in Österreich steht hingegen inzwischen nur die Kanzler-Partei ÖVP einig zur Reform. Bei der SPÖ sprach sich Parteichef Alfred Gusenbauer gegen die Reform aus, da sich die Österreicher ohnehin nicht an die neuen Regeln hielten. Aber nicht alle Genossen teilen die Ansicht ihres Vorsitzenden. FPÖ-Bildungssprecherin Mares Rossmann forderte eine Verlängerung der Übergangsfrist für die Reform über den 1. August 2005 hinaus. Man solle noch einmal über deren "Sinnhaftigkeit" nachdenken. Vizekanzler Hubert Gorbach (FPÖ) spricht sich - ganz auf Kabinettslinie - für die Beibehaltung der neuen Rechtschreibung aus. Er gibt jedoch zu, nie ein großer Freund davon gewesen zu sein. Dieter Brosz, Bildungssprecher der Grünen, forderte hingegen sogar die Einführung der Kleinschreibung.

Trotz allem wird das Thema Rechtschreibreform in Österreich im Gegensatz zur Bundesrepublik nicht so überschwenglich diskutiert. Selbst bei Dichand ist nicht völlig klar, ob sein Rechtschreibvorstoß allein der Sache gewidmet oder nur ein Stachel ist, um die ungeliebten Essener Teilhaber zu ärgern und der von ihm ebensowenig gemochten Schüssel-Regierung eins auszuwischen. Und einer hat sich bislang noch gar nicht geäußert: Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hüllt sich - ganz ungewohnt - in Schweigen. Sollte er sich äußern, dann dürfte die Diskussion wohl erst richtig in Fahrt geraten.


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