© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/04 27. August 2004

Ernst Thälmann
Die DDR lebt
Dieter Stein

Wer am Abend des 18. August die 20-Uhr-Tagesschau sah, konnte eine Überraschung erleben. Nach der Meldung über die neue Ölpreissteigerung und einem Bericht über die Dopingaffäre der griechischen Sprintstars Kenteris und Thanou verlas Sprecher Jens Riewa folgenden Text:

"Gedenken an den ehemaligen KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann: An seinem sechzigsten Todestag legte der PDS-Vorsitzende Bisky im ehemaligen KZ Buchenwald einen Kranz nieder. In Buchenwald wurde Thälmann im August 1944 ermordet. Bisky warnte anläßlich dieses Todestages vor einem Erstarken des Rechtsextremismus. Schulen und Medien sollten sich mehr damit auseinandersetzen, sagte Bisky." Unterlegt wurde dieser Beitrag mit Bildern von der Kranzniederlegung und Aufnahmen des PDS-Politikers beim Vortrag seiner Rede in Buchenwald.

Die Weise, wie dieser Termin der linksradikalen PDS in der öffentlich-rechtlichen Hauptnachrichtensendung vermeldet wird, wirft ein Schlaglicht auf die politische Lage in Deutschland. Die PDS ist die organisatorische Fortführung der SED, der Partei, die die Verantwortung für das System von Mauer und Stacheldraht in der DDR trug. Mit der Namensänderung in "Partei des demokratischen Sozialismus" sollte ein Wandel angedeutet werden hin zu einer demokratischen Position. Mit Gregor Gysi und Lothar Bisky präsentierte man gemäßigt argumentierende Frontleute.

Am Todestag des einstigen KPD-Vorsitzenden Thälmann vor einem Erstarken des Rechtsextremismus zu warnen, ist an Kaltschnäuzigkeit kaum zu überbieten und zeigt das wahre Gesicht der PDS. Es scheint kaum noch jemandem bekannt zu sein, daß KPD und NSDAP gemeinsam daran gearbeitet haben, das "System von Weimar" zu vernichten; daß die KPD über weite Strecken die Nationalsozialisten weniger bekämpft hat als die als "Sozialfaschisten" verunglimpften Sozialdemokraten; daß unter der Verantwortung von Ernst Thälmann beim berühmten BVG-Streik vom 3. bis 7. November 1932 ein gewisser KPD-Abgeordneter Walter Ulbricht, späterer SED-Chef und Staatsratsvorsitzender der DDR, gemeinsam mit dem Berliner Gauleiter der NSDAP, Joseph Goebbels, aufgetreten ist. Daß die PDS im Namen Ernst Thälmanns, der deutschen Symbolfigur des Kommunismus, gegen eine Erstarkung des Rechtsextremismus aufrufen kann, ohne sich in der Öffentlichkeit der totalen Lächerlichkeit preiszugeben, zeigt, wie lebendig die DDR und wie tot der antitotalitäre Konsens in Deutschland ist.

Während der Nationalsozialismus zurecht restlos desavouiert ist, leben die Mythen der kommunistischen Terroridee beinahe ungehindert "in der Mitte der Gesellschaft" fort. So kann PDS-Chef Bisky befriedigt am 18. August festhalten: "Nicht alle der zahlreichen Denkmale und Erinnerungstafeln (Thälmanns) fielen den Bilderstürmern von 1989/1990 zum Opfer."

Es ist eine traurige Pointe der Weltgeschichte, daß die Sozialdemokraten, einst Hauptopfer von Thälmanns KPD, diesen Genossen den roten Teppich zur Rückkehr an die Macht bereitwillig ausrollten.


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