© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/04 27. August 2004

Die Einzelkämpferin
Entschädigungen: Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, scheint sowohl in ihrem Verband als auch in der Union isoliert
Peter Freitag

Die Ansicht der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, wonach die Entschädigung der deutschen Heimatvertriebenen mittels eines Gesetzes zur "innerdeutschen Angelegenheit" gemacht werden solle, ist offenbar auf Widerspruch im Präsidium des BdV gestoßen.

Steinbach hatte auf einer Pressekonferenz am 6. August zunächst die Aussagen Bundeskanzler Schröders kritisiert, die Bundesregierung werde individuellen Ansprüchen Vertriebener auf Entschädigung durch den polnischen Staat entgegenwirken.

"Nullösung" wurde einhellig abgelehnt

Im weiteren Verlauf forderte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schröder auf, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu ändern, daß für derartige Klagen, die die Beziehungen zu Polen beeinträchtigen könnten, keine Notwendigkeit mehr bestünde; Steinbach wörtlich: "Von meiner Seite und seitens des BdV werden ihm keine Steine in den Weg gelegt werden - für welche Lösung auch immer, wenn sie denn endlich Rechtssicherheit auf beiden Seiten schafft."

Solche Lösungen, so die BdV-Präsidentin, könnten auch aus einer "symbolischen Geste" der Bundesregierung oder einer "Nullösung" bestehen. Es gehe den meisten deutschen Heimatvertriebenen schließlich nicht "um Geld und Gut", sondern um Mitgefühl und die Würdigung des erlebten Leids.

Auf einer BdV-Präsidiumssitzung am 18. August sollen diese beiden Möglichkeiten jedoch nach einer Meldung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von den übrigen Mitgliedern der Verbandsführung zurückgewiesen worden sein. Insbesondere der Vorschlag einer "Nullösung" sei "einhellig" abgelehnt worden, zitiert das Blatt den BdV-Vizepräsidenten Hans-Günther Parplies. Weiter heißt es im Bericht, Steinbachs Aussagen, die "Beschlußlage und Satzung" des BdV widersprächen, seien mit dem Präsidium nicht abgesprochen gewesen und die Präsidentin sei deswegen in den eigenen Reihen isoliert.

Nach bisheriger Auffassung des BdV sind die Entschädigungsfragen nach wie vor offen und könnten mit Unterstützung von offizieller deutscher Seite individuell gegenüber den Vertreiberstaaten geltend gemacht werden. Zudem könne das Recht auf Heimat nicht "in Deutschland innerstaatlich" verwirklicht werden, so Parplies gegenüber der FAS. Steinbach sei aufgefordert worden, in einer Pressemitteilung die bisherige Linie des BdV wiederzugeben.

Auch Steinbachs Parteifreunde sind nach diesen Informationen von den Lösungsvorschlägen der BdV-Präsidentin abgerückt. So soll der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, gegenüber der Abgeordneten klargemacht haben, daß die Union "keine Veranlassung sehe, einen Gesetzesentwurf zur innerstaatlichen Regelung" der Entschädigung auf den Weg zu bringen. Dieser Meinung soll sich auch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel angeschlossen haben.

Wegen der möglicherweise unabsehbaren Kosten, die eine solche Entschädigung für den deutschen Steuerzahler nach sich ziehen könnte und die eine spätere CDU-geführte Bundesregierung eventuell zu verantworten hätte, geht die Unionsspitze zu solchen Plänen auf Distanz. Statt dessen hält man die bisherige Beschlußlage des BdV bezüglich der Unterstützung privater Vermögensforderungen - zum Beispiel gegen Polen - auch von seiten der Christdemokraten für besser.

Die dem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung folgenden Presseberichte, in denen von "Unmut" und "Tadel" gegenüber Steinbach innerhalb des BdV-Präsidiums die Rede war, wies der Bund der Vertriebenen in einer Presseerklärung vom vergangenen Dienstag zurück. "Solche Darstellungen sind unzutreffend und falsch", teilte BdV-Pressesprecher Strathmann auf Anfrage der JUNGE FREIHEIT mit. Weder sei Steinbach getadelt, noch zu einer Pressemitteilung gedrängt worden.

BdV-Mitglieder halten an Kritik fest

Wörtlich heißt es in der Mitteilung des Vertriebeneverbandes: "Richtig ist vielmehr, daß die Sitzung des Präsidiums auf Initiative der BdV-Präsidentin einberufen wurde, um über die Äußerungen des Bundeskanzlers zu beraten und die Meinungen untereinander abzustimmen. Es war ein gutes und offenes Gespräch, in dem alle Aspekte möglicher Lösungsansätze erörtert wurden; auch das Für und Wider einer innerstaatlichen Regelung und die ganze Bandbreite möglicher Lösungen."

Wegen der "verzerrenden Berichterstattung" betont der BdV, Erika Steinbach genieße im Verband "volles Vertrauen" und das Präsidium stehe hinter ihr. Ungeachtet dieser Solidaritätsadresse bestätigten führende Mitglieder des BdV inhaltlich die Kritik an ihrer Präsidentin. Hans-Günther Parplies bekräftigte auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT, der Bericht der FAS sei "die Wiedergabe der Tatsachen".

Foto: Erika Steinbach: Die Politikerin sitzt derzeit zwischen allen Stühlen


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