© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/04 27. August 2004

Frisch gepresst

Hererokrieg. Nicht erst mit der tränenreichen Geste von Heidemarie Wieczorek-Zeul bei der Gedenkfeier der "Schlacht am Waterberg" in Namibia ist der vor hundert Jahren stattgefundene Hererokrieg in den aktuellen Fokus gerückt worden. Die publizistische Aufbereitung dieses Kolonialkrieges wird schon seit Monaten betrieben. Und nicht wenige gehen der anklagenden These nach, daß der Hererokrieg das Maß des Kolonialkrieges überschritten hatte und einen genozidartigen Charakter aufwies. Im neuesten Band 8 der Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte gehen verschiedene kompetente Beiträger in nüchterner wissenschaftlicher Form sowohl auf den Konflikt vor hundert Jahren als auch auf seine Rezeption bis heute ein. So wird auch der These eines Völkermords an den Herero widersprochen, da alle darauf hindeutenden Quellen auf das "Blaubuch" der britischen Regierung während des Ersten Weltkrieges zurückgehen, welches von den Briten selbst wenige Jahre später als Mittel der Propaganda eingestanden wurde. Auch die die Völkermordthese stützende Arbeit des DDR-Historikers Horst Drechsler von 1966 kann heute nur als "Kampfinstrument gegen den Imperialismus" statt als wissenschaftlich ernstzunehmende Studie eingestuft werden. Aus den vielen Veröffentlichungen, die entweder der Völkermordthese anhängen wie das Buch von Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller (JF 02/04) oder eher kolonialverherrlichend erscheinen wie Claus Nordbruchs Erzeugnis (JF 06/04), ist das unter der Leitung des Kolonialexperten Wilhelm Steffan publizierte Werk als historischer Leitfaden am eindringlichsten zu empfehlen (Völkische Ansprüche und Erwartungen. Abwegige Begründungen und rechtliche Sachverhalte beim Deutsch-Herero-Konflikt im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, in: Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte, Band 8, Windhoek, Gelnhausen 2004, 106 Seiten, broschiert, 18 Euro).

Afrikanischer Grenzkrieg. Nicht allzu häufig mußten auf der Welt Karten und Atlanten in den Jahren nach 1991 verändert werden. Nach der Neuordnung der Sowjetunion und Jugoslawiens, der Vereinigung Jemens und Deutschlands wurden kaum bestehende Grenzen angetastet. Eine Ausnahme bildet der Staat Eritrea, der weitestgehend unbemerkt seit einigen Jahren eine Veränderung der afrikanischen Topographie am Roten Meer bewirkte. Patric Cremer führt in sehr kurzer Form in die Geschichte dieser "abtrünnigen Provinz" Äthiopiens ein und beschreibt den langjährigen Unabhängigkeitskampf der knapp vier Millionen Eritreer. Den blutigen Grenzkrieg von 1998 bis 2000 mit Äthiopien - ein seltener "symmetrischer" Konflikt - beschreibt er als "Stellvertreterkrieg", bei dem die USA eine unrühmliche Rolle gespielt haben sollen. Den konkreten Beleg für diese Behauptung bleibt Cremer jedoch schuldig - mit Ausnahme des von den USA in der Uno durchgesetzten Waffenboykotts für Eritrea (Der Stellvertreterkrieg. Der äthiopisch-eritreische Grenzkrieg. Haag + Herchen Verlag, Frankfurt am Main 2004, 69 Seiten, broschiert, 9 Euro).


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