© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/04 10. September 2004

Erika Steinbach
Allein gegen alle
von Thorsten Hinz

Seit 1998 steht Erika Steinbach an der Spitze des Bundes der Vertriebenen (BdV). Sie hat gute Chancen, als letzte relevante Präsidentin und tragische Figur in seine Geschichte einzugehen. 1943 als Tochter eines Luftwaffenoffiziers in Westpreußen geboren, weiß sie Prinzipienfestigkeit mit politischem Pragmatismus zu verbinden. Die professionelle Orchestermusikerin, die zuletzt als Informatikerin in der Stadtverwaltung Frankfurt am Main tätig war, trat 1974 der CDU bei. Seit 1990 gehört sie über die Landesliste dem Bundestag an. Kollegen schildern sie als "schwierig" - es irritiert sie, daß Steinbach sich in manchen Fragen eine dezidiert eigene Meinung leistet. So empfahl sie etwa CDU-Mitglied Michel Friedman den Parteiaustritt, als dieser das "C" im Parteinamen in Frage stellte. Angriffe der PDS parierte sie mit dem Hinweis, an der Partei klebe das Blut zahlloser Opfer der DDR. Und anläßlich der weiterhin gültigen Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete läßt sie nicht locker, die Regierungen in Deutschland und Europa immer wieder mit diesen Menschenrechtsdefiziten zu konfrontieren.

Ebenso gelang es ihr, Gesprächsfäden zur rot-grünen Bundespolitik zu knüpfen. Die Idee eines Zentrums gegen Vertreibungen geht vor allem auf sie zurück. Resolut und beharrlich hat sie öffentliche Unterstützung für dieses Projekt mobilisiert - viel mehr, als angesichts der marginalen Rolle des BdV zu erwarten war. An dessen Einflußlosigkeit aber hat sie nichts ändern können. Der BdV besitzt kein numerisches oder politisches Gewicht mehr, und ihm das moralische Gewicht einzuräumen, das ihm zusteht, ist die Post-Achtundsechziger Gesellschaft der Bundesrepublik nicht bereit.

Trotzdem hält Steinbach an der traditionellen Partei- und Staatsnähe des BdV fest und kommt den Zumutungen des Zeitgeistes weit entgegen - zu weit, wie auch hochrangige Vertriebenenfunktionäre meinen. 2001 hat sie ihren Vizepräsidenten Paul Latussek wegen angeblich mißverständlicher Äußerungen zum Holocaust aus dem Präsidium geworfen (JF 50/01). Obendrein berief sie den Kollektivschuld-Theoretiker Ralph Giordano in das Kuratorium für das Zentrum. Den Beginn der Vertreibungen der Deutschen hat sie politisch-korrekt auf 1933 - statt auf 1918/19 - datiert. Gedankt hat man ihr das nicht. Für die polnische Öffentlichkeit und zunehmend auch für die deutschen Medien ist sie zur Reizfigur geworden. Das Zentrum, wenn es überhaupt je kommt, wird wohl die übliche Geschichtsklitterung propagieren.

Auf der anderen Seite sind Selbsthilfeorganisationen wie die Preußische Treuhand zu der Meinung gelangt, daß es für die Parteien- und Staatsnähe keine Grundlage mehr gibt und Vertriebenenorganisationen, wenn sie wieder zu Subjekten der Politik werden wollen, sich als Partisanen im Hinterland betätigen müssen. Dazwischen steht Erika Steinbach - allein gegen alle und auf verlorenem Posten. 


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