© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/04 17. September 2004

Leserbriefe

Zu: "Die stärkere Dosis" von Dieter Stein, JF 38/04

Demagogische Welle

Die Zugewinne der NPD im Saarland lassen aufmerken. Für die bevorstehenden Wahlen in Mitteldeutschland, besonders in Sachsen, steht gar ein Einzug dieser Partei in den Landtag zu befürchten. Dabei segeln die selbsternannten NPD-Patrioten auf derselben demagogischen Protestwelle, die auch den SED-Erben eine erschreckende Renaissance beschert. NPD und SED-PDS stehen sich geistig nahe, sie vertreten die Position des national beziehungsweise international gefärbten Sozialismus und Kollektivismus. Doch ein tiefgreifender Umbau des sklerotischen deutschen Sozial-, Regulierungs- und Umverteilungsstaats ist überfällig, will man der Wirtschaft wieder neue Luft zum Atmen und den Arbeitslosen Chancen zur Entfaltung ihrer Talente geben. Die von der Regierung betriebenen Reformen sind - trotz aller handwerklicher Fehler - ein Schritt in die richtige Richtung, wenngleich nur ein zaghafter Anfang. Mag es auch schwerfallen, der Abschied von der Illusion, der Staat könne oder solle den Bürgern die Sorge und Verantwortung um ihr Lebensglück abnehmen, ist unvermeidlich. Nur durch eine Wiederbesinnung auf die Dynamik der sozialen Marktwirtschaft kann Deutschland zu alter nationaler Kraft zurückfinden. Während die alte NPD der sechziger Jahre unter Führung Adolf von Thaddens ein starkes bürgerlich-konservatives und nationalliberales Element aufwies (und die Partei so durchaus eine achtbare Wahlalternative war), erscheint die heutige NPD als Sammelbecken ressentimentgeladener Verlierertypen. Wahre Patrioten, die Deutschlands Zukunft sichern wollen, sehen anders aus.

Hans-Werner Zimmermann, München

 

 

Zu: "Die Wende ist möglich" von Günter Zehm, JF 37/04

Flakhelfer der 68er

Günter Zehms Aufmacher trifft ins Schwarze, mit Ausnahme zweier Punkte. Erstens fehlt mir seine Hoffnung auf eine Reform der Elite aus der Elite. Ich fürchte vielmehr , daß es dazu massiver Einschnitte durch eine Naturkatastrophe, eine kriegerische Bedrohung oder dergleichen bedürfte. Der zweite Punkt ist die angebliche Verantwortung für die Misere bei den heute 40 bis 60jährigen Führungskräften. Das ist eine rechnerische Fehlleistung von mindestens zehn Jahren; denn wer von diesen heute noch unter 50 ist, war 1968 ein Kind. Aus dieser Alterskohorte wurden allenfalls noch "Flakhelfer" der sogenannten Studentenrevolte rekrutiert. Zehms Altersgenosse Helmut Kohl hatte damit auch nichts zu tun, ist aber als "geistig-moralische Planierraupe" das taktische Vorbild für den achtzehn Jahre jüngeren Joseph Fischer gewesen. Und einen besseren "68er" als den greisen Walter Jens hat es nicht gegeben. Vorsicht mit modischen Generationsmythen!

Dr. Elmar Schmidt, Bad Schönborn

 

Ist es wirklich so leicht?

Herr Zehm scheint sich nicht allzu oft in den Sphären des gemeinen deutschen Volkes aufzuhalten. Als jemand, der ständig in diesem verkehrt, finde ich seine Schönfärberei nicht besonders realitätsnah. Die bundesrepublikanische Elite hat etliche Defizite. Nur, das Volk steht diesen Defiziten nicht unbedingt mit Ablehnung gegenüber. Die Eigenschaften, die Herr Zehm unserem Volk geben will, kann ich so in der breiten Masse nicht vorfinden. Es sind nur noch Vereinzelte, die so sind. Es gibt auch kaum noch die erwähnten deutschen Stammtische, wenn überhaupt, dann eher in der älteren Generation. In der jungen sucht man Disziplin und Traditionsbewußtsein vergebens. In Wirklichkeit wollen die meisten auch gar keine Veränderung, solange der "Rubel rollt". Die überbewerteten "Montagsdemos" werden von relativ wenigen, zumeist Arbeitslosen, die sich nun gänzlich ihrer Existenz beraubt sehen, ausgetragen. Es werden sicher bald mehr werden, aber reicht Pfeifen und Transparente Schwingen aus? Die meisten bleiben zu Hause, weil sie es eigentlich in der Bundesrepublik ganz okay finden. Das deutsche Volk, sofern es das noch im tieferen Sinne und Bewußtsein gibt, ist sehr wohl müde und satt geworden. Das haben die "Eliten" gut hinbekommen.

Stephan Bollmeyer, Bamberg

 

 

Zu: "Bromberger Ouvertüre" von Stefan Scheil, JF 37/04

Opferzahlen zu hoch

Die vom Autor genannte Zahl von 13.000 Ermordeten wurde von allen renommierten Sachkennern mit Nachdruck zurückgewiesen. Ursprünglich hielten sie in den fünfziger Jahren die durch die Autorität des Auswärtigen Amtes gedeckte Zahl von 12.857 für richtig. Ende Dezember 1939 ging die Posener Gräberzentrale unter dem Posener Historiker Dr. Kurt Lück von 5.437 Ermordeten aus. Im Februar 1940 wurde dann durch Erlaß Hitlers angeordnet, daß in Zukunft die Zahl der "mit Sicherheit identifizierten Ermordeten" 12.857, die der Vermißten mit 45.000 anzugeben sei. Es gab zwar bis zur Auflösung der Gräberzentrale 1942 zahlreiche Suchfahrten nach versteckten Gräbern, doch dadurch erhöhte sich die Zahl der furchtbar zugerichteten Opfer nur um wenige hundert. Die in Posen aufgefundene Kartei der Gräberzentrale umfaßte 5.702 Karten und wurde 1959 vom polnischen West-Institut dem Bundesarchiv (BA) übermittelt. In der Kartei sind auch ermordete volksdeutsche Soldaten aufgelistet; allerdings nicht vollständig. Lück ging allein von annähernd 5.000 Soldaten aus, die dem Kameradenmord zum Opfer fielen. Die Zahl des BA liegt niedriger, da nach 1945 durch den Tod der meisten Zeugen nicht mehr alle Mordfälle aufklärt werden konnten. Eine umfassende Untersuchung der Landeskundlichen Kommission für Polen wird wohl nie erscheinen. Ihr Bearbeiter Dr. Müller starb 1989 als 95jähriger. Seine unveröffentlichte Untersuchung ergab - Name für Name einwandfrei belegt - etwa über 4.500 Ermordete. Durch die maßlose Erhöhung der Opferzahlen wurde und wird die Glaubwürdigkeit aller deutschen Angaben in Zweifel gezogen.

Markus Krämer, Allendorf

 

 

Zu: "Ja zu Homo-Rechten" von Angelika Willig, JF 33/04

Nicht genetisch bedingt

Über ein Probeabo kam ich an die JF und war über die für meinen Geschmack "mittelalterliche" Behandlung der Themen "Homo-Ehe" und Fristenlösung sowohl durch die Redaktion als durch die Leserschaft etwas unschlüssig. Dann der Artikel von Frau Willig, und ich war begeistert. Das beste, was ich seit langem zu diesem Thema las. Der Contra-Beitrag: ohne ein einziges schlagendes Argument. Die Leserbriefe zu dem Thema (inzwischen kaufe ich ihr Blatt fast regelmäßig) veranlassen mich auch zu schreiben. Beeindruckend etwa die Erkenntnis von Leserin Annemarie Kirsche (JF 35/04), daß es sich bei Homosexualität um keine genetisch bedingte Orientierung handelt - das sagte schon meine Oma. Übersättigung und Dekadenz sind die Ursachen.
Auch wundert mich, daß nur über homophile Männer geschrieben wird. In zahlreichen Untersuchungen kommt man zu dem Schluß, daß Frauen viel empfänglicher für gleichgeschlechtliche Abenteuer und Beziehungen seien. Was nimmt eine gleichgeschlechtliche anerkannte Partnerschaft einer Ehe weg ? Rechte und Pflichten zu haben wie etwa ein kinderloses Ehepaar, ist ja wohl kein "Privileg", sondern selbstverständlich. Zum Thema Abtreibung möchte ich nur sagen: Lieber hundert Föten abgetrieben als ein ungeliebtes und ungewolltes Kind zur Welt gebracht, welches mißhandelt, mißbraucht und vielleicht totgeschlagen wird. Dann sind zwei Leben vernichtet, das der Mutter und das des Kindes.

Rainer Ruby, Düsseldorf

 

 

Zu: "Nagelprobe islamischer Toleranz" von Karsten Jung, JF 37/04

Islam nicht der Hauptgrund

Die Ursachen für die Lage der Christen in der Türkei sind diesmal nicht im Islam zu suchen. Nicht der Islam, sondern der nationale Sicherheitsvorbehalt der Türkei gegenüber vom Ausland unterstützten separatistischen Bewegungen hat einen Außendruck auf Armenier und Armenier mit Geboten und Verboten aufrechterhalten. Der Autor verschweigt den Hauptgrund für den Umgang mit Christen: die traumatischen Erfahrungen der Türken (und Kurden) von Bürgerkrieg, Separatismus, Zerteilung, Vertreibung und Tod beim Niedergang des Osmanischen Reichs durch erfolgreiche Nationalbewegungen. Diese auch als Sevres-Syndrom bezeichneten und durch den Zerfall des Osmanenreiches genährten traumatischen und nicht unberechtigten Ängste vor erneutem Separatismus in der jungen Republik Türkei waren Ursache für den ethnischen und nationalen Sicherheitsvorbehalt der Türken gegenüber Armeniern und Griechen. Da diese Gruppen nun mal Christen sind, werden ihre Einrichtungen nicht aus religiösen, sondern aus politisch-nationalen Gründen eingeschränkt.
Eine Bemerkung zum "Völkermord" an Armeniern. Es starben bei dem wechselseitigen (!) Abschlachten zwischen Armeniern und osmanischen Moslems zwischen 1914 bis 1922 neben Armeniern auch etwa zwei Millionen Türken, Kurden und Aseris, was von den Historikern Erich Feigl und Justin McCarthy bestätigt werden kann. Somit läßt sich nicht von einem einseitigen Völkermord an Armeniern sprechen. Aber ein Völkermord, wie von Armeniern behauptet, ist dann gegeben, wenn die eine Seite nur "Opfer" und die andere Seite nur "Täter" war.

Burak Gümüs, Radolfzell

 

 

Zu: "Ungeliebte Heimkehrer" von Kurt Zach, JF 37/04

Mangelnder Integrationswille

Allen Statistiken und der Geschichte zum Trotz habe ich bei vielen jungen Rußlanddeutschen nicht das Gefühl, daß sie richtige Deutsche sind. Mit Sicherheit gibt es viele Rußlanddeutsche, die im Zorn auf Rußland zurückschauen, aber der auffälligere Teil nistet sich in einer Parallelgesellschaft ein. Gesprochen wird Russisch - ein klares Zeichen gegen einen vorhandenen Integrationswillen. Leider wissen viele nicht mehr, was sie mit Deutschland zu tun haben, und können keine emotionale Bindung zu unserem Land aufbauen. Oder genauer gesagt: Ein überwältigender Teil der Rußlanddeutschen hat mit Deutschland nichts mehr zu tun.

Bernd Schmidt, Karlsruhe

 

Sprache als Trennungslinie

Allgemein stimme ich dem Inhalt des Beitrages weitgehend zu. Die Maßnahmen unseres Staates reichen bei weitem nicht aus, diesen Leuten hier das Gefühl der Heimat zu geben. Unser Staat verhält sich vielmehr weitgehend kalt und abweisend gegenüber diesen ungeliebten lästigen Kindern, die er lieber weiterhin in Kasachstan sähe. Aber die sogenannten Rußlanddeutschen tun leider auch selbst einiges dafür, hier nicht unbedingt zu den Einheimischen zu gehören. Das liegt zunächst an der mangelhaften Bereitschaft, sich einzugliedern. Dabei sind sie doch hier "nach Hause" gekommen.
Die Trennungslinie ist aber hauptsächlich die Sprache. Wenn von den Leuten vor der Einreise ausreichende Sprachkenntnisse gefordert werden, ist hier davon fast nichts zu merken. Diese Leute, die sich verständlicherweise gern in gemeinsamen Wohnvierteln zusammenfinden, bleiben überwiegend unter sich und sprechen dabei grundsätzlich Russisch.

Karl Schönberg, Berlin

 

 

Zu: "Empörung vor allem in Deutschland" von Carl Gustaf Ströhm jr. und "Man kommt nur mit Schockstrategie weiter", Interview mit Jürgen Hösl, JF 36/04

Niveaulos und politisch unklug

Das Thema tangiert mich in mehrfacher Weise. Zum einen durch meine Herkunft aus Bunzlau, wo Herr Hösl verhaftet wurde. Sodann durch die guten persönlichen Beziehungen, die ich im Verlauf der letzten zwölf Jahre dorthin aufgebaut habe, als langjähriger Organisator eines Schüleraustauschs und als Vorsitzender der Bundesheimatgruppe Bunzlau zu Siegburg. Schließlich als Mitinitiator und -veranstalter einer Gedenkveranstaltung in Bunzlau (Boleslawiec), die der Lage der Deutschen 1945/46 in Bunzlau und insbesondere dem Schicksal des durch polnische Haft umgekommenen katholischen Priesters Paul Sauer gewidmet war. Diese Veranstaltung wurde unter anderem von den Bunzlauer Stadt- und Kreisbehörden und der Bundesheimatgruppe Bunzlau durchgeführt. Sie fand nicht bei Nacht und Nebel wie die Aktionen des Herrn Hösl, sondern tagsüber im alten Stadttheater in Anwesenheit zahlreicher polnischer und deutscher Bürger statt. Lokale und überregionale polnische Medien waren bei der Veranstaltung gut vertreten. Sie haben über das Ereignis sachlich und fair berichtet. Bunzlauer Gewährsleute schreiben von einer positiven Wirkung auf die bis dato reservierte Stadt-Öffentlichkeit.
Die nächsten - gemeinsam mit unseren polnischen Partnern und Freunden - angestrebten Ziele sind die Anbringung einer Gedenktafel und die Rehabilitation der 40 weiteren Opfer, die 1946 der vom polnischen Geheimdienst UB inszenierten antideutschen Verfolgungswelle in Bunzlau zum Opfer fielen. Es geht also auch anders mit der Aufarbeitung der deutsch-polnischen Vergangenheit. Aber mit dem Holzhammer schockierender Plakate, verbunden mit Strafdrohungen, kann man keine Politik machen, da kann man nur Porzellan zerschlagen.

Peter Börner, per e-Mail

 

 

Zu: "Nachdenklichkeit" von Werner H. Krause, JF 37/04

Auf den Kopf gestellt

Die Aufnahme von Wehrmachtsdeserteuren in den Kreis der Entschädigungsberechtigten bewertet die Feigheit als Tugend und stellt die Militärgerichtsbarkeit auf den Kopf. Mit der per Gesetz aufgehobenen Einzelfallprüfung wurden alle Militärstraftaten, auch die Kriminellen, in die Nähe des politischen Widerstandes gerückt und Gehorsam, Disziplin und Pflichterfüllung als verwerflich gewertet und damit Millionen tapfere Soldaten ins Unrecht gesetzt. Aus Untersuchungen, die von Behörden in Norwegen, Schweden und der Schweiz mit deutschen Deserteuren vorgenommen wurden, geht hervor, daß nur wenige überzeugend darlegen konnten, daß ihr Motiv die Opposition gegen den Nationalsozialismus war, und dem größten Teil der vollstreckten Urteile statt Fahnenflucht bürgerliche Verbrechen wie Mord und Vergewaltigung zugrunde lagen.

Konrad Zimmer, Königsberg in Unterfranken

 

 

Zu: "Politischer Irrsinn" von Eva Glawisching und "Keine Erneuerung" von Hans Kronberger, JF 34/04

Vernunft und Vorsicht

Einmal mehr werden die Kernkraftwerke angegriffen, ohne sich die Mühe zu nehme, ihre tatsächlichen Auswirkungen auf die Umwelt objektiv zu betrachten. In diesem Fall wird sogar behauptet, sie seien keine Lösung für den Treibhauseffekt. Dabei sind die Kernkraftwerke jene wirtschaftlich ausnutzbare Stromerzeugungsform, die keinen schädlichen Stoff mit Treibhauseffekt ausstößt, sondern ausschließlich Wasserdampf und eine bescheidene Erwärmung des Kühlwassers verursacht. Bleibt allerdings die Frage des radioaktiven Mülls; quantitativ ist sie aber sicher in vernünftiger Weise beherrschbar. Die Gefährlichkeit ist auf jeden Fall viel geringer als jene der zahlreichen (meist schlecht kontrollierten) Deponien mit riesigen Mengen von Müll aus der chemischen Industrie, die eine steigende, auf längere Zeit wahrscheinlich tödliche Gefahr für das Grundwasser - folglich auch für die Menschheit - bedeutet.
Jeder Mensch soll Energie nicht wie eine gegebene Selbstverständlichkeit, sondern wie ein zur Verfügung stehendes persönliches Vermögen behandeln, das mit Vernunft und Vorsicht eingesetzt werden muß.

Ernest Meyfarth, Chemin des Vignes, Schweiz

 

 

Zu "Vergebung für unsere Schuld", JF 35/04

Wichtiger Satz

Die Darstellung des Herero-Aufstandes ist unvollständig. General von Trothas "Vernichtungsbefehl" enthielt den wichtigen Satz: "Das Schießen auf Frauen und Kinder ist so zu verstehen, daß über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu bewegen." Er verbot ausdrücklich jede Grausamkeit gegen "Weiber und Kinder" (Claus Nordbruch: Der Herero-Aufstand 1904, 2002). Die Behauptung, daß von Trotha "das Verdursten Tausender Menschen in der Wüste" bewußt in Kauf nahm, ist falsch. Die Umfassungslinie betrug 100 Kilometer, während das deutsche Kontingent nicht stärker war als 1.500 Mann. Es boten sich also viele Lücken im Kessel an, die Herero machten sich aber aus eigenem Antrieb auf den Weg durch die gefährliche Omahake in die Schutz gewährende britische Kolonie Betschuanaland.

Friedrich Karl Pohl, Lüneburg


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