© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/04 24. September 2004

Christian Kracht
Der Freund
von Ellen Kositza

Christian Kracht, Jahrgang 1966, zeichnet nun als Herausgeber einer neuen Literaturzeitschrift Der Freund, die diese Woche erstmalig erscheinen wird. Der gebürtige Schweizer, Salem-Schüler und Kosmopolit mit wechselnden Wohnsitzen in Kanada, Indien und Thailand verspricht ein außergewöhnliches Magazin und ein "Zurück zur Prämoderne". Die Zeitschrift wird ohne Werbung und unter Verzicht auf Fotos erscheinen. Den Überdruß an Abbildungen ("Wir verlieren unsere Seele") hatte Kracht schon früher beklagt - da beschrieb er das Bilderverbot des Islam als vorbildlich.

Der Freund erscheint im Springer-Verlag, ihren Sitz hat die Redaktion aber im fernen Nepal. Warum ausgerechnet Katmandu, fragte Die Welt jüngst den Herausgeber. Dessen Antwort war so kurz wie beredt: Katmandu zeige wie keine andere Stadt dem Menschen, wo seine Grenzen liegen. Außerdem: Dort gebe es kein MTV.

Krachts literarische Karriere begann als Speerspitze der Mitte der neunziger Jahre ausgerufenen Popliteratur. Junge Menschen der Erben-Generation, vorwiegend männlichen Geschlechts und gern adeliger Abkunft, gerierten sich dandyesk als Bohemiens eines neuen Typus: Keine Designermarke, deren Qualität sie nicht beurteilen konnten, keine Droge, die sie nicht genossen, kein Promi-Club, den sie nicht besucht hatten. Dieses satte Schöpfen aus dem Vollen jedoch wurde nicht rauschhaft abgefeiert, im Vordergrund stand vielmehr - oft unbenannt - die innere Leere und der müde Ekel am Überdruß. Krachts Roman "Faserland" (1995), der die Deutschlandreise eines humanistisch gebildeten Snobs durch Parties und Exzesse der upperscene beschrieb, stellte den gültigen Prototyp jenes Genres dar. Hier, wie in seinen wenigen folgenden Büchern, erwies sich Kracht als Begründer einer ästhetisch motivierten, jedoch ganz und gar hintergründigen "Poetik der Oberfläche".

Dieser Gestus des modernen Décadent galt der Massenkultur rasch als hip, mittelmäßige Erlebnisberichte wie die eines Benjamin von Stuckrad-Barre verkauften sich in hohen Zahlen, während die Kritik dazu tendierte, Kracht & Co. als blasiert und elitär abzulehnen. Erst recht, als sich eine Handvoll dieser Geburts-und Wahlaristokraten zur mittlerweile metaphorisch verwendeten Gesprächsrunde "Tristesse Royal" zusammenfanden und über die Langeweile eines Lebens referierten, das sich schwer nur steigern lasse. Was sollte man auch von jungen Menschen halten, die "die Kollektivierung des Individualismus" als Schwäche ihrer Zeit begreifen und ausgerechnet "Krieg" (Kracht) als möglichen Ausweg benennen?

Die neue Zeitschrift solle von "Menschen, die in deutscher Sprache etwas über die Welt weit, weit jenseits von Guido Westerwelle erfahren möchten", am besten "sonntags bei einer Zigarette und Tee in der langsam erkaltenden Badewanne" gelesen werden. Man darf gespannt sein auf Krachts Freund.


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