© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/04 24. September 2004

Der Adler bleibt rot
Landtagswahl I: In Brandenburg haben Union und SPD kräftig verloren / PDS gewinnt hinzu / DVU wieder im Landtag / Platzeck bleibt Ministerpräsident
Hans Christians

Im Wahlkampf haben sie erbittert gestritten - am Wahlabend waren sich alle einig. Eine große Koalition von Etablierten aus SPD, CDU und PDS verurteilte einhellig "den schlimmen Wahlerfolg" der rechtsgerichteten Deutschen Volksunion (DVU).

Die Partei des Münchner Verlegers Gerhard Frey hat geschafft, was vor Monaten noch als undenkbar galt - den Wiedereinzug in den Brandenburger Landtag. Vor vier Jahren erhielt die Truppe 5,3 Prozent der Stimmen, diesmal konnte sie sich leicht auf 6,1 Prozent verbessern. Und dies bei einer gestiegenen Wahlbeteiligung auf 56,6 Prozent (1999: 54,4). Ein ähnlicher Erfolg war vorher nur den Republikanern gelungen, die von 1992 bis 2001 im Landtag von Baden-Württemberg saßen.

Der Erfolg der DVU kam allerdings nicht überraschend. Schon in den vergangenen Wochen kletterte die Partei in den Umfragen über die Fünf-Prozent-Hürde. Daß das Ergebnis nicht noch besser ausfiel, führen Beobachter auf die schwache Struktur der DVU zurück. Zwar beteiligte sich die Partei im vergangenen Juni punktuell an den Kommunalwahlen, nennenswerte regionale Aktivitäten brachte sie während ihrer ersten Landtagspräsenz aber nicht zustande. Der Wiedereinzug gelang der Frey-Partei nach altem Muster. 97.000 Plakate wurde geklebt, mehr als bei allen anderen Parteien zusammen. Für Wirbel sorgte die DVU mit der Ausstrahlung eines Wahlwerbespots, in dem die verstorbene SPD-Politikerin Regine Hildebrandt als mögliche DVU-Sympathisantin bezeichnet wurde.

Abseits vom rechten Erfolg leckten die Etablierten ihre Wunden. Die SPD feierte ihren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, weil er nur sieben Prozent verlor und seine Partei mit 31,9 Prozent erneut zur stärksten Kraft wurde. Zugewinne konnte dagegen die PDS - deren Auftreten mittlerweile zum guten Ton gehört - feiern. Doch mit 28 Prozent blieben die Linksaußen weit hinter ihren Erwartungen zurück. Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann, die sich bereits als Ministerpräsidentin wähnte, bot sich noch am Wahlabend der SPD als Juniorpartnerin an.

Die Wähler in Brandenburg hätten der PDS offensichtlich nicht die Kompetenz zugebilligt, das Land regieren zu können und seien deshalb quasi in letzter Sekunde wieder zu Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) umgeschwenkt. Dies glaubt zumindest der Politikwissenschaftler Jürgen Dittberner von der Universität Potsdam. "Trotz Stimmenzuwachs überwogen die Zweifel, daß die PDS fähig zu einer anderen Politik als SPD und CDU ist", sagte Dittberner gegenüber der Berliner Morgenpost. Die SPD-Einbußen hält er "für verkraftbar", da sie im Vergleich zu den Wahlen in anderen Bundesländern geringer ausgefallen seien: "Ich wäre aber vorsichtig mit der Einschätzung, daß die SPD bundesweit die Talsohle erreicht hat."

Ein Desaster erlebte die CDU mit ihrem unglücklichen Spitzenkandidaten Jörg Schönbohm. Dem ehemaligen Bundeswehrgeneral ist es nicht gelungen, aus seiner Rolle als kleiner Koalitionspartner Kapital zu schlagen. Der brandenburgische CDU-Chef macht bundespolitische Gründe für den Wahlausgang verantwortlich. Experten verweisen allerdings auf andere Faktoren wie das geringe Ansehen der Partei. Nur neun Prozent der Wähler hielten die CDU für "sozial" und gerecht.

Die Kampagne der Union sei am Wähler vorbeigegangen, urteilt Forsa-Chef Manfred Güllner. Die CDU trat als "Brandenburg-Partei" an, überließ die öffentlichen Plätze aber Platzeck. Sie scheute die offene Auseinandersetzung über Hartz IV, mit der die PDS punktete, kritisierte Güllner.

Jetzt ist Schönbohms Zukunft ungewiß. Innerhalb der Union mehren sich die Stimmen, die einen Neuanfang in der Opposition fordern. "Es wird Diskussionen geben", meinte etwa der Landtagsabgeordnete Dieter Helm.

Ministerpräsident Platzeck will jedenfalls sowohl mit der CDU als auch mit der PDS verhandeln. Einfach wird dies nicht. Der Union täte eine Regeneration in der Opposition gut, und die PDS hat sich bei der SPD mit ihrer Anti-Hartz-IV-Kampagne viele Sympathien verscherzt. "Es werden schwierige Verhandlungen. Das Ende ist offen", meinte Platzeck.

Vor einer ungewissen Zukunft stehen auch die Landesverbände von Grüne und FDP. Anders als in Sachsen gelang ihnen der Einzug in den Landtag nicht. Während die sächsischen Liberalen ähnlich wie schon zwei Wochen zuvor im Saarland als "bürgerliche Protestpartei" auftraten und am Wahlabend belohnt wurden, blieb die brandenburgische Kampagne beliebig-liberal. Ohne Konzept hatte sich Spitzenkandidat Hans Lanfermann als Koalitionspartner ins Gespräch gebracht, was CDU-General Thomas Lunacek zu der Bemerkung veranlaßte, "daß die Leuten dann doch besser gleich die Union wählen sollten".

Auffallend hoch waren die Ergebnisse der "Sonstigen". 7,7 Prozent erzielten die Bewerber von Allianz Freier Wähler (AfW) bis Pro Brandenburg (BRB) nach Auszählung aller Stimmen. Aus den Einzelergebnisse ragte wie schon vor 14 Tagen im Saarland das Abschneiden der Familienpartei Deutschlands heraus. 2,6 Prozent konnte die Partei um den Kinderarzt Franz-Josef Breyer auf sich vereinigen. In Brandenburg hatte sich die Gruppierung vor allem dem Kampf gegen die Erhöhung von Kita- und Hortgebühren verschrieben und die Abschaffung des Berufspolitikertums gefordert. Parteienforscher halten die Familienpartei für eine klassische Ein-Thema-Partei, deren Aktivisten nach Meinung des Berliner Politologen Oskar Niedermayer "durchaus ernsthafte, meist bürgerliche Leute" sind. Deshalb sei die Partei eine Alternative für Leute, die von CDU und SPD enttäuscht seien. "Dort, wo die Familienpartei im Stadtbild präsent ist - wie in Saarbrücken oder Potsdam - werden Leute angelockt, die sich nicht als Extremwähler hinstellen lassen wollen", analysierte Niedermayer gegenüber Spiegel-Online. Nach den drei Prozent an der Saar kommt die Partei nun bereits in einem zweiten Bundesland in den Genuß der Wahlkampfkostenrückerstattung, was den Aufbau weiterer Strukturen vereinfachen dürfte.

Die frühere Schill-Partei kam über 0,3 Prozent nicht hinaus

Die Allianz Unabhängiger Bürger Brandenburg (AUB), eine Plattform von 16 Wählergruppen, die vor allem den Flughafenausbau in Schönefeld stoppen will, landete mit 0,8 Prozent nahezu gleichauf mit der Allianz Freier Wähler. Die AfW erhielt ein Prozent der Stimmen: Sie gilt als größtes der freien Wählerbündnisse im Land Brandenburg und wird angeblich von knapp siebzig Bürgerinitiativen unterstützt.

Überraschend auch das Abschneiden der vollkommen unbekannten Wählerinitiative "50 plus", die forderte, "weniger Ausländer ins Land zu lassen". Sie erzielte ein Prozent der Stimmen und kommt nun ebenfalls in den Genuß staatlicher Gelder. Das blieb der ehemaligen Schill-Partei verwehrt. Magere 0,3 Prozent konnte die Partei Rechtsstaatlicher Offensive auf sich vereinigen. Ein ähnliches Ergebnis erzielte Spitzenkandidat Klaus Häßler bereits vor fünf Jahren, als er für den Bund Freier Bürger ins Rennen ging. Der Abwärtstrend der Partei dürfte sich damit noch beschleunigen, obwohl die ehemaligen Schill-Jünger noch im Juni den ein oder anderen Achtungserfolg bei den Kommunalwahlen erzielen konnten.


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