© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/04 08. Oktober 2004

Der Selbstbedienungsladen
Steuerverschwendung: Nicht alle Fälle sind im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes zu finden / Manche seien zu "brisant"
Peter Freitag

Egal, ob in Kommunen, Ländern oder im Bund - egal, ob Politiker oder Verwaltungen verantwortlich zeichnen: Der unwirtschaftliche Umgang mit den Mitteln öffentlicher Haushalte ist ein bei staatlichen Institutionen weit verbreitetes Phänomen, so daß sich laut BdSt-Präsident Karl Heinz Däke auch keine Rangfolge der Verursacher aufstellen ließe. Allerdings, so Däke in seinem Geleitwort zum aktuellen BdST-Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung", ist zu beobachten, daß im Bereich öffentlicher Bauvorhaben die Verschwendung die größten Ausmaße annimmt.

Ebenso im Visier des Schwarzbuches ist die Vergabe von Fördermitteln für Projekte, die vollständig am Tropf der öffentlichen Hand hängen. Als besonders freigebig erweisen sich staatliche Stellen, wenn es darum geht, Werbung in eigener Sache zu machen. Hier bestehen nach Meinung Däkes so viele Mißstände, daß ein ganzes Kapitel aus Platzgründen nicht in das aktuelle Schwarzbuch aufgenommen werden konnte und statt dessen in einer gesonderten Ausgabe der Mitgliedszeitschrift des BdSt erscheinen muß. Daß die Kosten im Bereich "Regierungs-Reklame" so sehr steigen, muß augenscheinlich an den "Vermittlungsproblemen" liegen, die Politiker gern immer dann ins Feld führen, wenn die Wähler politische Entscheidungen nicht im erhofften Maße goutieren. Im Klartext bedeutet diese von den Steuer-Wächtern mißbilligte Praxis: Je weniger Zustimmung die Politik gewählter Volksvertreter findet, desto mehr Geld kostet das den Wähler (und Steuerzahler).

Erstes - und vielleicht aktuell prominentestes - Beispiel für unwirtschaftlich vergeudetes Gemeingut ist im Schwarzbuch der Bremer Space-Park. Nach nur zehnmonatiger Betriebsdauer steht der "größte Indoor-Erlebnis-Park Europas" vor dem Aus. Was zur großen touristischen Attraktion im wirtschaftlich kränkelnden Stadtstaat an der Weser werden sollte, erweist sich jetzt als Fehlinvestition ohnegleichen. Für die populärwissenschaftliche Verquickung von Achterbahn und Astronomie konnten sich bei weitem nicht so viele Besucher erwärmen, wie die Planer und Betreiber vorhergesagt hatten. Auf noch weniger - nämlich überhaupt kein - Interesse stieß das angeschlossene Einkaufzentrum, auf dessen 44.000 Quadratmetern sich kein einziger Mieter ansiedelte. So herrscht auf dem Gelände der ehemaligen Weser-Werft jetzt Katerstimmung statt Kosmonauten, und zurück bleibt laut BdSt ein verschleudertes Investitionsvolumen der öffentlichen Hand in Höhe von insgesamt 198,7 Millionen Euro. Mit dem ursprünglichen Konzept hat nur die Zukunft des Projekts noch annähernd etwas zu tun: Sie steht in den Sternen.

Berlin drohen Rückzahlungen in Milliardenhöhe

Ähnlich gelagert ist der Fall des Berliner Tempodrom, den der BdSt in seiner Veröffentlichung noch einmal aufrollt. Der Umzug des alternativen Kulturzentrums vom Zelt im Tiergarten in ein zu errichtendes festes Gebäude in Kreuzberg überstieg bald die durch eine Bürgschaft des Senats gedeckten Kosten, so daß Gelder der öffentlichen Hand nachgeschossen werden mußten. Trotz zahlreicher kostenintensiver Sanierungstätigkeiten durch Wirtschaftsberater mußte das Tempodrom 2003 Insolvenz anmelden. Dem Land Berlin droht jetzt die Rückzahlung von Fördermitteln an die Europäische Union in Millionenhöhe.

Überhaupt scheint bei Kultur- und Freizeiteinrichtungen eine generelle Schwachstelle in der wirtschaftlich sinnvollen Vergabe von Fördermitteln aus Steuergeld zu liegen. Der Ausbau des Gottlieb-Daimler-Stadions in Stuttgart verschlang 25 Prozent mehr als veranschlagt und kostet inzwischen knapp 10,5 Millionen Euro. In Schkopau, "Ostalgikern" bestens bekannt als Geburtsort der Errungenschaften "Plaste und Elaste", steht ein früherer Kulturpalast, der sanierungsbedürftig war. Da die Kommune dafür nicht aufkommen konnte, investierte ein Privater Gastronom und verwandelte die Hinterlassenschaft des werktätigen Volkes in ein "multikulturelles Zentrum" mit dem Namen "X 50". Weil sich das gut anhört, wurde neben privatem Eigenkapital und Bankkrediten auch noch Fördergeld aus dem sachsen-anhaltinischen Wirtschaftsministerium in das Projekt gepumpt: Von den geplanten 9,6 sind bisher schon 4,6 Millionen Euro nach Schkopau geflossen. Als der Bund der Steuerzahler die Verantwortlichen in Magdeburg darauf hinwies, daß im Falle des X 50 eine Förderfähigkeit im Bereich Tourismusförderung gar nicht vorliegt, stoppte man die Auszahlung der nächsten Rate. Denn das Zentrum ist weniger multikulturell als -finanziell, weil die öffentlichen Gelder in einer schlichten Großraum-Disko landeten, die auf dem besten Wege war, das zu tun, was ähnlichen Betrieben in der Region schon passiert war: nämlich pleite zu gehen.

Mit dunklen Kanälen und dem ihnen innewohnenden Odium hat auch ein vom Bund der Steuerzahler ans Licht beförderter Fall in Braunschweig zu tun. Dort hatte die Stadtreinigung ein Kanalreinigungsfahrzeug im Wert von 330.000 Euro erstanden, das allerdings nicht den Fäkalien, sondern dem Fiskus der Stadt zu Leibe rückte. Denn seit Juli 2003 mußte der Speziallaster für ein Jahr ungenutzt in der Garage stehen. Der Grund: Werden alle Tanks vollgepumpt, überschreitet der LKW sein zulässiges Gesamtgewicht von 26 Tonnen. Doch anstatt sofort die Fehlkonstruktion beim Hersteller auf dessen Kosten beheben zu lassen, blieb das Gefährt ungenutzt. Nun wurde auf Kosten der Stadt für 2.400 Euro ein computergestütztes Meßsystem eingebaut, das eine Überschreitung des zulässigen Gewichts in den Tanks verhindern soll. Außerdem behält sich die Stadt rechtliche Schritte gegen den Hersteller, bis hin zur Rückabwicklung des Kaufs, vor. Dennoch bleibt den Steuerzahlern ein Schaden von rund 17.000 Euro durch die einjährige Stillegung sowie den Wertverlust. Da das Fahrzeug jetzt aber wieder im Einsatz ist, müssen die Kloaken der Stadt nun nicht mehr stinken; Geld tut das ja bekanntlich ohnehin nicht.

Dieselfahrzeuge müssen auch nicht mehr stinken, im Gegensatz zum nächsten Beispiel, das nämlich tut dies zum Himmel: Die Bahn AG, hundertprozentige Tochter des Bundes, ließ 19 ICE-Triebwagen mit Turbo-Diesel-Antrieb für 7,5 Millionen Euro entwickeln. Wegen der seit Einführung im Jahr 2001 auftretenden Qualitätsmängel beschloß die Bahn, die Diesel-ICEs nicht mehr einzusetzen. Nun stehen die 19 Züge auf diversen Abstellgleisen und werden zu diesem Zweck von der Bahn "technisch qualifiziert betreut".

In qualifizierte Betreuung gehören auch sicher jene Verantwortlichen in der Bundeshauptstadt, die folgenden finanziell desaströsen "Brückenschlag" zu verantworten haben. 1993 mußte die Altglienicker Brücke über den Teltowkanal wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Zwei Jahre später errichtete man daneben eine Behelfsbrücke, die allerdings im letzten Jahr auch gesperrt werden mußte, da sie die erforderliche Mindesthöhe unterschritt. Einträchtig lagen also zwei ungenutzte Brücken nebeneinander, bis schließlich das Provisorium für 750.000 Euro um 80 Zentimeter angehoben wurde.

Das sind natürlich Kleinigkeiten gegenüber den Mehrkosten, die eine Überquerung in virtuelle Welten bei der Bundesagentur für Arbeit verschlingt. Die Errichtung der "Job-Plattform" im Internet durch externe Anbieter kostet nach Angaben des BdSt statt der ursprünglich avisierten 65 nun 98 Millionen Euro. Der Fall ist zwar schon in die Schlagzeilen geraten und hat seine personellen Opfer gefordert, auf den Kosten bleibt die Öffentlichkeit dennoch sitzen.

Selbstdarstellung kostet schlappe 113.000 Euro

Sitzen bleibt auch Schleswig-Holsteins Umweltminister Klaus Müller (Grüne) auf seinem wissenschaftlichen "Umwelt-Ranking". Denn die betroffenen Kommunen, die in dem "grünen" Wettbewerb seit 2001 miteinander konkurrieren sollen, haben darauf keine Lust mehr, weil viele entscheidenden Kriterien gar nicht von ihnen beeinflußbar sind. Den Steuerzahler kostet diese ministerielle Selbstdarstellung schlappe 113.000 Euro.

Dies sind nur wenige der im Schwarzbuch aufgelisteten Fälle. Manche der aus dem Fenster geworfenen Summen sind horrend, andere kleiner, zusammengenommen aber auch nicht unerheblich. Gelegentlich könnten einen manche Beispiele wegen ihrer Schildbürgerart direkt amüsieren; wie das Buswartehäuschen, das nicht an der Haltestelle stehen kann, ein versenkbarer Straßenpoller, der Autos aufschlitzte, oder der "künstlerische" Tarzanschrei, der Radfahrer erschreckte und aus dem Sattel warf: wirklich komisch, wenn es nicht so traurig wäre.

Obwohl der Bereich "Fördermittel" vom Bund der Steuerzahler als "extrem anfällig" für die Verschwendung öffentlicher Finanzmittel charakterisiert wird, schweigt sich das Schwarzbuch zu dem hier zu verortenden Thema "Kampf gegen Rechts" vollständig aus.

Mehrfach wurden in der JUNGEN FREIHEIT Beispiele angeführt, die die Spendierfreudigkeit staatlicher Institutionen in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen. Seit dem Jahr 2001 wurden vom Programm "Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" des Bundesfamilienministeriums gut 182 Millionen Euro ausgegeben, die zum Teil an Organisationen mit eindeutig linksextremer Ausrichtung flossen.

Diese politische Schlagseite und die oftmals nicht nachweisbare Verwendung solcher Mittel veranlaßten einige Landesregierungen, ihre Zuwendungen aus den Programmen abzuziehen, so etwa in Thüringen und Sachsen-Anhalt (JF berichtete). Auch der Bundesrechnungshof bezichtigte bereits im letzten Jahr die Programme einer gigantischen Geldverschwendung.

"Kampf gegen Rechts" wird ausgespart

Dieser Zeitung gegenüber wies die Pressestelle des BdSt-Präsidiums darauf hin, daß aus Platzgründen nicht alle Fälle von unsachgemäß ausgegebenen Steuergeldern, die von den einzelnen Landesverbänden gemeldet wurden, in das Schwarzbuch aufgenommen werden könnten. Allerdings gab man auf Nachfrage zu, daß es auch mit der politischen Brisanz des Themas zu tun haben könnte, wenn die finanzielle Förderung des "Kampfes gegen Rechts" in der kritischen Bestandsaufnahme des BdSt bisher ausgespart blieb.

Foto: Groschengrab Gottlieb-Daimler-Stadion in Stuttgart: Der Ausbau der Sportstätte verschlang 25 Prozent mehr als veranschlagt und kostet inzwischen knapp 10,5 Millionen Euro

Kontakt: Im Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung" werden exemplarisch Fälle von Steuergeldverschwendung im ganzen Bundesgebiet vorgestellt. Es ist erhältlich beim Bund der Steuerzahler, Französische Str. 9-12, 10117 Berlin, Telefon: 030/25 93 96-0 oder im Internet unter www.steuerzahler.de


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