© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/04 08. Oktober 2004

Wer sich parfümiert, hat mehr vom Leben
Literaturproduktion: Autoren und Verleger sollten sich verstärkt um Geruchsbücher kümmern
Richard Stoltz

Der diesjährige Nobelpreis für Medizin geht an zwei amerikanische Physiologen, Richard Axel und Linda Buck, die Bahnbrechendes über die genetischen Voraussetzungen des Riechens veröffentlicht haben. Das war schon lange fällig. Der Mensch als höheres Säugetier ist ja in Hinblick auf sein Geruchsvermögen vollkommen aus der Art geschlagen. Sämtliche Säugetiere können besser riechen als er, einige sogar tausendfach besser. Dagegen sollte endlich etwas getan werden.

Unsere "engsten Gefährten", die Hunde, leben bekanntlich in erster Linie in Geruchswelten, und sie leben nicht schlecht darin. Sie riechen, ob Herrchen bzw. Frauchen gut gelaunt ist oder nicht, was er/sie zum Frühstück gegessen hat, mit wem er/sie in der letzten Nacht zusammengewesen ist und noch vieles, vieles mehr. Könnten wir so gut riechen wie unsere Hunde, unser Leben würde einfacher, übersichtlicher und voraussehbarer. Ganze Institute zur Erforschung von "Trends" könnten eingespart werden.

Ein Blick auf die vorige Woche vom ZDF ermittelte Liste der von den Deutschen am meisten gelesenen Bücher zeigt, wie aktuell die Geruchsfrage ist. Gleich hinter Tolkien, der Bibel und Ken Follett rangiert Patrick Süßkinds Roman "Das Parfüm". Dort geht es freilich nicht so sehr um das Riechen als um das Gerochenwerden. Ein Großparfümier, angewidert vom Gestank seiner Zeit und seiner Zeitgenossen, arbeitet erfolgreich daran, selber vollkommen geruchlos zu werden, und löst dadurch eine veritable Katastrophe aus. Man muß nicht nur gut riechen können, man muß auch selber gut riechen - so lautet das Gebot der Postmoderne.

Deshalb ein Vorschlag an deutsche Buchautoren und Verleger: Investiert endlich ordentlich in die Produktion von sogenannten Geruchsbüchern! Hier und da gibt es ja schon welche. Sie werden im Augenblick allerdings fast nur von den Hunden des Hauses gelesen.


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