© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/04 15. Oktober 2004

Vergangenheitsbewältigung erreicht den 20. Juli
Namensstreit: Ein Student kämpft für die Umbenennung einer Schule, die nach dem Widerstandskämpfer Erich Hoepner benannt ist
Marcus Schmidt

Der einzigen Schule in Deutschland, die den Namen des Widerstandskämpfers Erich Hoepner trägt, droht die Umbenennung. Der Geschichtsstudent Geralf Gemser aus Sachsen, der sich in seiner Magisterarbeit mit der Rolle General Hoepners im Dritten Reich und im Widerstand gegen Hitler beschäftigt, hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach an die Schulleitung des im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gelegenen Gymnasiums gewandt, um eine Änderung des Schulnamens zu erreichen. Zudem hat der Student mit mehreren Senatsstellen in Berlin Kontakt aufgenommen, um sein Ziel zu erreichen. Sein Argument: Das Verhalten Hoepners im Zweiten Weltkrieg disqualifiziere ihn als Namensgeber für eine Schule.

Die Erich-Hoepner-Oberschule trägt ihren Namen seit 1956. Die Benennung nach dem Wehrmachtsgeneral, der an dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 beteiligt war und nach dessen Scheitern am 8. August 1944 hingerichtet wurde, war damals umstritten. Nach einem Bericht des Spiegel aus dem Jahr 1956 sprach sich unter anderem der damalige Schulleiter gegen Hoepner als Namensgeber aus, da dessen Rolle am 20. Juli wenig heroisch gewesen sei und er sich während des Umsturzversuches passiv verhalten habe.

Hoepner, der schon am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, stand den Nationalsozialisten von Beginn an ablehnend gegenüber - vor allem, weil er sich gegen die Vereinnahmung der Wehrmacht durch den Nationalsozialismus wandte. Im Zweiten Weltkrieg nahm Hoepner an den Feldzügen gegen Polen und Frankreich teil. Er galt neben Heinz Guderian als einer der erfolgreichsten und fähigsten deutschen Panzergenerale des Krieges.

Hitler entließ Hoepner am 8. Januar 1942 unehrenhaft aus der Wehrmacht, nachdem er als Befehlshaber der 4. Panzerarmee seine von der Einkesselung bedrohten Truppen während der sowjetischen Winteroffensive vor Moskau eigenmächtig zurückgezogen hatte. Dem General wurde wegen angeblicher "Feigheit und Ungehorsam" zudem das Recht aberkannt, seine Uniform und Orden weiterhin zu tragen. Nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht stand er im Kontakt mit dem Widerstandskreis um Ludwig Beck und Graf Stauffenberg. Für die Zeit nach dem geplanten Umsturz war für den General die Stelle des "Oberbefehlshabers im Heimatkriegsgebiet" vorgesehen. Am 20. Juli 1944 wurde Hoepner im Bendlerblock verhaftet.

Hoepner riskierte wohl kaum aus Eigennutz sein Leben

Der Enkel des Generals, Harald Potente, zeigte sich gegenüber der jungen freiheit enttäuscht von der Diskussion um eine mögliche Umbenennung der Schule, die Ende September durch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel angestoßen wurde. "In dem Artikel sind faktisch falsche Sachen geschrieben worden", kritisierte Potente. So habe etwa der Hinweis gefehlt, daß Hoepner nicht erst 1944 zum Widerstandskreis um Beck und Stauffenberg gestoßen sei, sondern schon während der Sudetenkrise 1938 bereitstand, um mit seinen Truppen gegen Hitler vorzugehen.

Der Artikel im Tagesspiegel hält Hoepner unter anderem vor, in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen zu sein, und folgt damit der Argumentation von Gemser. Konkrete Belege liefert der Tagesspiegel indes nicht. Auch Gemser wollte sich vor Abschluß seiner Arbeit nicht zu Einzelheiten äußern. Der Zeitungsartikel zieht zudem Hoepners Beweggründe für seinen Entschluß zum Widerstand in Zweifel. Es sei nicht geklärt, warum sich der General zu Widerstand entschlossen habe: "Womöglich im Hoffen auf einen eigenen Vorteil. Vielleicht aus Überzeugung. Das ist unklar." Der Enkel hat für diese Zweifel an der Aufrichtigkeit der Gründe für das Handeln seines Großvaters keinerlei Verständnis: Er habe bestimmt nicht aus Eigennutz sein Leben aufs Spiel gesetzt, ist er überzeugt.

Im Streit um eine mögliche Umbenennung sei seine Meinung allerdings nicht ausschlaggebend, sagte Potente. Selbstverständlich könne die Schule einen neuen Namen erhalten, entscheidend sei allerdings der Grund für eine mögliche Umbenennung: "Wenn man sagt, der Mann war es nicht wert, daß eine Schule heute noch seinen Namen trägt, dann sehe ich das persönlich natürlich kritisch." Potente schlägt daher vor, die Rolle des Generals im Auftrag der Schule von neutraler Seite untersuchen zu lassen.

Er sorgt sich um das Andenken seines Großvaters in Deutschland : Bereits die Erich-Hoepner-Kaserne in Wuppertal verlor vor einiger Zeit ihren Namen, als der Standort ein Opfer der Bundeswehrreform wurde. "Wenn die Schule ihren Namen ändert, erinnert nur noch die private Gedenkstätte auf dem Waldfriedhof in Zehlendorf an meinen Großvater", sagte Potente.

Bislang sind die Bemühungen des Studenten allerdings noch nicht von Erfolg gekrönt. Die Erich-Hoepner-Schule sei nicht an das zuständige Schulamt Charlottenburg-Wilmersdorf herangetreten, um eine Änderung des Schulnamen zu erreichen, teilte das Amt mit. Das sei aber notwendig, wenn der Schulname geändert werden solle. Wenn die Schule eine Namensänderung wünsche, werde sich das Schulamt aber nicht dagegen stellen. Andererseits werde der Name auch nicht gegen den Willen der Schule geändert.

Unterdessen fühlt sich Gemser falsch verstanden: Er sei nicht generell gegen den militärischen Widerstand, versichert er. Gegen eine Schule, die den Namen Stauffenbergs oder Becks trage, habe er nichts einzuwenden.


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