© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/04 29. Oktober 2004

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Alarmsignal
Karl Heinzen

Mit einem spontanen Aufstand ist es den Bundesliga-Vereinen gelungen, den regulierungswütigen Deutschen Fußball-Bund in seine Schranken zu weisen. Dieser hatte versucht, den Einsatz von Nicht-EU-Ausländern in der obersten Spielklasse auf vier und in der Zweiten Liga auf drei Akteure zu begrenzen. Manche Proficlubs, die in ihrer Personalplanung in erster Linie auf osteuropäischen, balkanisch-levantinischen oder kaukasischen Nachwuchs zu bauen scheinen, wären damit kaum noch in der Lage gewesen, mit einer wettbewerbsfähigen Equipe aufzulaufen.

Der den Betonköpfen des Verbandes abgerungene Kompromiß sieht nun keinerlei Beschränkung für Bürger europäischer Staaten mehr vor. Enger limitiert wird jedoch der Einsatz von Akteuren, die aus anderen Kontinenten eingekauft wurden: Derzeit dürfen noch fünf Namen aus dieser Kategorie auf dem Spielberichtsbogen stehen. In der nächsten Saison werden vier, in der übernächsten gar nur noch drei das Maximum sein.

Auch wenn Schlimmeres verhindert wurde, stimmt der Mangel an marktwirtschaftlichem Verständnis, den der DFB aufs neue offenbart hat, nachdenklich. Die Verbandsspitze scheint immer noch nicht begreifen zu wollen, daß der ökonomische Sachverstand nicht bei ihm, sondern dezentral bei den sich als Unternehmen verstehenden Vereinen anzutreffen ist. Und diese haben nun einmal durch jahrelanges Experimentieren am Markt herausgefunden, daß die Identifikation des Publikums mit "seinem" Verein offenkundig nicht darunter leidet, wenn das jeweilige Trikot überwiegend von Spielern getragen wird, die keinen deutschen Paß besitzen. Im Gegenteil: Manche Clubs profitieren sogar von ihren "Exoten", weil sie ihr Underdog-Image verstärken.

Auch den Nachweis, daß die Qualität der Nationalmannschaft verbessert werden könnte, wenn der Einsatz von Ausländern begrenzt wird, bleibt der DFB bislang schuldig. Anstatt hier Jürgen Klinsmann durch bürokratische Bestimmungen assistieren zu wollen, sollte er lieber zur Kenntnis nehmen, daß nicht ein egoistisches Verhalten der Bundesligavereine, sondern das Zusammenspiel aus demographischer Entwicklung und neuen, individuellen Lebensentwürfen die Hoffnungen auf weitere Glanzzeiten der DFB-Auswahl trübt. Es gibt halt immer weniger junge deutsche Männer, und von diesen wissen die meisten mit ihrer Jugend etwas besseres anzufangen, als mit dem Ball am Fuß einer ungewissen Zukunft hinterher zu jagen.

Die neue Ausländerregelung wird dem "deutschen" Fußball also kaum auf die Beine helfen. Sie stößt aber zahlreiche Menschen vor den Kopf, die in der ganzen Welt davon träumen, über den grünen Rasen bei uns den sozialen Aufstieg zu schaffen. Welchen Sinn haben dann noch die von Innen- und Sportminister Otto Schily angeregten Auffanglager in Nordafrika, wenn die Talentsucher der Bundesliga-Clubs in ihnen gar nicht aus dem Vollen schöpfen dürfen?


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