© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/04 05. November 2004

Eine Hand wäscht die andere
Kampf gegen Rechts: Das Bundesinnenministerium sorgte bei dem SPD-eigenen Antifadienst "Blick nach Rechts" für eine umfangreiche Förderung
Manuel Ochsenreiter

Der Finanzskandal um den SPD-eigenen Mediendienst Blick nach Rechts geht in die nächste Runde. Nachdem die Unionsfraktion im Bundestag mit einer kleinen Anfrage die Verstrickung des Blick nach Rechts mit der linksextremistischen Szene sowie dessen Förderung mit etwa 28.000 Euro durch das Bundesinnenministerium aufs Korn nahm, steht jetzt der Vorwurf der verdeckten Parteienfinanzierung im Raum; denn der Blick nach Rechts gehört zum SPD-eigenen Verlagsimperium (JF 36/04).

Gleich dreimal wand sich in einer Fragestunde im Bundestag der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium Fritz Rudolf Körper (SPD) um eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob denn nun der Blick nach Rechts und dessen Internetseite Eigentum der SPD sei. Dabei ist die Antwort darauf wohl klarer, als Körper lieb ist. Die Internetseite des Blick nach Rechts ( www.bnr.de ) ist Eigentum der Berliner Vorwärts Verlagsgesellschaft mbH - und diese gehört wiederum zu 100 Prozent zur SPD-eigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG). "Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Was Sie hier unterstellen wollen, daß das eine versteckte Parteienfinanzierung ist, entbehrt jeglicher Grundlage", verteidigte sich Körper im Bundestag gegen die ständig wiederkehrende Frage, ob der Blick nach Rechts nun SPD-Eigentum sei oder nicht.

Offensichtlicher geht es kaum mehr

Körpers heftige Abwehrreaktionen verwunderten nicht nur die Unionsabgeordneten. Natürlich gehört der Blick nach Rechts zur SPD. Die Redaktion des Antifa-Dienstes ist im Vorwärts-Verlag in der Berliner Stresemannstraße untergebracht. Seine Chefredakteurin Gabriele Nandlinger ist unter einer ganz normalen Durchwahl des Vorwärts-Verlages erreichbar - wie jeder andere Mitarbeiter des Verlages. Offensichtlicher geht es kaum.

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT bestätigte Nandlinger die Förderung durch das Innenministerium - allerdings sei dies im Jahr 2000 ausschließlich "projektbezogen" für die damals neu konzeptionierte und erstellte Internetseite gewesen. Beauftragt wurde damit das Internet-Unternehmen Wegewerk, das heute den Blick nach Rechts als Referenz angibt - etwa 96 Prozent der Fördersumme wurden direkt an Wegewerk für dessen Leistung bezahlt, so die Auskunft des Bundesinnenministeriums. "Wegewerk betreut bnr.de seit 2000 und realisierte den technisch umfangreichen Relaunch. Dafür entwickelte Wegewerk eine Software zur Online-Abonnentenverwaltung, die z. B. den Abonnenten ermöglicht, jederzeit selbst Adresse oder Kontoverbindung zu ändern. Sicher bezahlt werden kann per Bankeinzug, Rechnung und Kreditkarte. Die Inhalte von bnr.de werden über ein agentureigenes Redaktionssystem gepflegt. Zusätzlich erhielt bnr.de ein neues, frischeres Design", heißt es dazu bei den Wegewerk-Referenzen.

Zu den Dienstleistungen Wegewerks gehörte beispielsweise die Erstellung eines Internetspiels mit dem Namen "Ploppattack". Hierzu Wegewerk: "Das Informationsmedium Blick nach Rechts suchte 2000/2001 im Rahmen seines Relaunches nach einem speziellen Onlineangebot, das Jugendliche dazu motiviert, sich mit rechten Platitüden und Parolen auseinanderzusetzen und sie vor allem zu erkennen. Wegewerk lieferte zunächst eine Ideenskizze, die die Unterstützung des Bundesministeriums des Innern fand und schließlich finanziell gefördert wurde".

Praktisch sieht die Idee, die man im Innenministerium für unterstützenwert hält, so aus: Auf den Spruch "Die deutsche Eßkultur stirbt aus", der eine "rechte Platitüde" sein soll, heißt die korrekte Antwort: "Es ist kein Aussterben, sondern eine Bereicherung" - klickt der Besucher der Seite diese Antwort, wird er durch Punkte belohnt.

Doch inzwischen wird auch das Unternehmen Wegewerk immer mehr in Strudel des SPD-Finanzierungsskandals hineingezogen. Denn das Unternehmen war selbst bis zum 25. Juni 2003 Eigentum der Vorwärts Verlagsgesellschaft - also auch zu dem Zeitpunkt, als der Auftrag für die Seitengestaltung des Blick nach Rechts einging. Folglich wurde das aus Steuertöpfen erhaltene Fördergeld nur SPD-verlagsintern verschoben.

"Ich bin Juso, sei auch Du so!"

Das wäre nicht das erste Mal, daß die SPD sich über das trojanische Pferd des allgemein akzeptierten Antifaschismus den Vorwurf der verdeckten Parteienfinanzierung einhandelt. Im Herbst 2002 ließ sich der zur Brandenburger SPD gehörende Verein "Brandenburg gegen Rechts" einen Schülerkalender von der Brandenburger Landeszentrale für politische Bildung (etwa 10.000 Euro) und dem "Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" (5.000 Euro) finanzieren. "Ich bin Juso, sei auch Du so!" warb die SPD-Jugendorganisation aggressiv für sich. Die Aufdeckung des Mißstands brachte den Verein "Brandenburg gegen Rechts" ins Straucheln. Davon ist man derzeit beim Blick nach Rechts weit entfernt.

Vor solchen Hintergründen ist es plausibel, daß sich Körper schützend vor die Vorgänge in seiner Partei und seinem Ministerium stellt. Daß ihm während der Fragestunde der "Rechtsextremismusbeauftragte" der SPD, Sebastian Edathy, zur Seite springen wollte, sorgte im Plenum dagegen für ein Schmunzeln. Edathy fragte Körper, ob er ihm zustimme, daß die Öffentlichkeit es "befremdlich" finden müsse, "daß in einer Zeit, in der das Thema Rechtsextremismus an Brisanz und Relevanz gewinnt", mehr gegen "einen Informationsdienst gegen Rechtsextremismus" gewettert werde als gegen NPD und DVU in Sachsen und Brandenburg.

Die Antifa-Arbeit soll "besser gewürdigt werden"

Ergebnis- und konsequenzenlos verstrich diese Fragestunde im Bundestag. Staatssekretär Körper betonte mehrmals den "wichtigen Beitrag", den der Blick nach Rechts für die "Zivilgesellschaft" leiste. "Ich wäre froh, wenn Sie die Arbeit des Informationsdienstes entsprechend würdigen würden", so Körper in Richtung CDU/CSU.

Bislang würdigten neben dem Bundesinnenministerium (mit Fördergeld) vor allem Linksextremisten die Dienste des antifaschistischen Mediendienstes der Sozialdemokraten - und der verwies dafür auf seinen Netzseiten auf ihrer Initiativen. Dabei hat die Redaktion des Blick nach Rechts die umfangreiche mit Extremisten durchsetzte Verweisliste jetzt zensiert. Indes ist Körpers Kollegin, die Staatssekretärin im Innenministerium Ute Vogt, nach wie vor Schirmherrin des Blick nach Rechts. Von ihr war bislang keine Stellungnahme zu dem Skandal zu hören.


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