© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/04 12. November 2004

Erschöpft von den Mühen des Erinnerns
Kraft, Mut, Optimismus: Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Templin beklagt das Fehlen von 89er-Werten
Thorsten Thaler

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Templin hat mit Blick auf das diesjährige Jubiläum der Herbstrevolution von 1989 Fortschritte im Geschichtsbewußtsein ausgemacht. Zugleich zeigte er sich befremdet über die Kluft zwischen diesem geschichtsbewußten Erinnern und der Folgenlosigkeit. "Nach wie vor sind die Kraft, der Mut und der Optimismus des Jahres 1989 kein konstitutives Moment gemeinsamer deutscher Identität", schreibt Templin in der aktuellen Ausgabe des Stacheldraht. Die Zeitschrift wird herausgegeben in Berlin von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) und dem Bund der Stalinistisch Verfolgten (BSV).

Vor einem Jahr, schreibt Templin weiter, habe es diese Kluft bei dem Gedenken an den Volksaufstand von 1953 schon einmal gegeben. "Erschöpft von den Mühen der Geschichtsaneignung", so Templin, habe sich das Publikum zurückgelehnt und "die Folgewelle von DDR-Verklärung und historischer Klitterung nahezu widerstandslos über sich ergehen" lassen.

Der 1948 in Jena geborene Templin gehörte in der DDR seit Mitte der siebziger Jahre zu den führenden Oppositionellen. Seit 1983 mit Berufsverbot belegt, wurde der Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschrenrechte (IFM) und Mitherausgeber der Samisdat-Zeitschrift "grenzfall" .Nach Protestaktionen bei der Liebknecht/Luxemburg-Demonstration im Januar 1988 verhaftet und in den Westen abgeschoben. Im November 1989 kehrte er nach Berlin (Ost) zurück und vertrat die IFM am Zentralen Runden Tisch. Heute arbeitet er als Publizist und in der politischen Erwachsenenbildung.


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