© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/04 03. Dezember 2004

Frisch gepresst

Friedrich Hielscher. Ina Schmidt ist Mitbegründerin des Lübecker feministischen Frauenbildungszentrums. Ferner ist sie die Verfasserin eines Aufsatzes, der idealtypisch das selbstgestrickte Weltbild dieses Milieus expliziert: "Die Matriarchats-Patriarchats-Geschlechteregalitätsdiskussion unter NationalsozialistInnen in der Weimarer Republik und NS-Zeit". Nun liegt ihre bei Stefan Breuer entstandene Dissertation über den Nationalrevolutionär Friedrich Hielscher (1902-1990) vor, die derartige Befürchtungen widerlegt (Der Herr des Feuers. Friedrich Hielscher und sein Kreis zwischen Heidentum, neuem Nationalismus und Widerstand gegen den Nationalsozialismus, SH Verlag, Köln 2004, 335 Seiten, Abbildungen, 29,80 Euro). Natürlich flossen in den Text feministische oder linke Idiosynkrasien ein, etwa wenn sie sich über die Diskriminierung Homosexueller beschwert, weil man ihnen "Altersgrenzen" für ihre "Beziehungen" vorschreibe, was sich wie ein Plädoyer für Päderasten liest. Aber insgesamt liegt mit dieser Arbeit dank exzessiver Befragung vieler gegen Ende des 20. Jahrhunderts noch lebender Zeitzeugen und gründlicher Auswertung zahlreicher in Privatbesitz befindlicher Nachlässe ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der "Konservativen Revolution" vor. Dies gilt vor allem für den mit detektivischem Gespür rekonstruierten, von der Forschung bisher bezweifelten Anteil Hielschers und seiner Freunde am Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

 

Juden und Polen. In Mittelosteuropa - dort, wo sich vor 1939 der Schwerpunkt jüdischen Lebens befand - ruhte die Erinnerung an die eigene Rolle beim Holocaust während des Zweiten Weltkriegs jahrzehntelang unter der bleiernen Decke des Sozialismus. Es reichte, diese Untaten beim "faschistischen" Deutschland und seinen SS-Schergen verortet zu wissen. Der polnische Historiker Jan Tomazs Gross eröffnete 2001 mit seinem Buch über die Morde im masowischen Jedwabne eine immer noch verbissen geführte Debatte über die Rolle vieler Polen bei der Verfolgung und Ermordung ihrer jüdischen "Nachbarn", wie Gross sein Buch titelte. Der Literaturwissenschaftler Karol Sauerland zeichnet diese Ausbrüche des polnischen Antisemitismus, die sogar in der Nachkriegszeit unter Gomulka anhielten, nach und geht auf die gegenwärtige Rezeption in Polen ein (Polen und Juden. Jedwabne und die Folgen. Philo Verlag, Berlin 2004, 332 Seiten, broschiert, 24,90 Euro).


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