© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/04 10. Dezember 2004

"Das werde ich nie akzeptieren"
Mauergrundstücke: Fünfzehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer kämpft Joachim Hildebrandt noch immer um sein Eigentum
Jörg Fischer

Am 9. November feierte Deutschland den 15. Jahrestag der Öffnung der Berliner Mauer. Joachim Hildebrandt und seiner 95jährigen Mutter Charlotte war allerdings nicht zum Feiern zumute. Denn noch immer weigert sich die Bundesrepublik Deutschland, ihr Berliner Grundstück zurückzugeben, das 1961 durch den Bau der Berliner Mauer von den DDR-Behörden enteignet worden war (JF 35/99). Die 5.600 Quadratmeter große Liegenschaft in Berlin-Treptow an der Harzer Straße/Ecke Bouché-Straße ist daher weiterhin Brachland.

Denn nach der Wiedervereinigung waren die enteigneten Grundstücke im Todesstreifen durch das umstrittene Mauergrundstücksgesetz (BGBl. I 1996, 980) dem Bund zugefallen. Und der will sie den Alteigentümern zurückverkaufen. "Das ist Hehlerei", klagte Hildebrandt in einem Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. "Was sich der Unrechtsstaat DDR widerrechtlich angeeignet hat, kann doch heute die Bundesrepublik nicht 'zurückverkaufen'."

Seine Mutter stamme aus Westpreußen, erzählt Hildebrandt. Durch den Fall des Eisernen Vorhangs habe sie zumindest wieder die Chance, in der alten Heimat begraben zu werden. Daß die deutschen Ostgebiete "weg sind", habe man inzwischen akzeptiert, aber daß sein Berliner Grundstück ebenfalls verloren sein soll, "das werde ich nie akzeptieren!"

Kurz bevor sein Vater 1974 in Wien starb - die Kriegsereignisse hatten die Familie nach Österreich verschlagen -, prophezeite er seinem Sohn, er werde bestimmt noch erleben, daß die Mauer falle und er dann alles zurückbekomme. Der 66jährige Hildebrandt hat seine Hoffnung nicht aufgegeben, noch zu erleben, daß auf seinem Grund und Boden einmal altersgerechte Wohnungen entstehen, deren Ertrag dann das Leben seiner behinderten Tochter absichert. Neue Hoffnung schöpft er aus einem Beschluß des Oberlandesgericht Brandenburg vom 4. August 2004 (5 U 78/03-ZOV 2004, 242), der zivilrechtliche Ansprüche aufzeigt. Ob auch Hildebrandt solche geltend machen kann, will spätestens Anfang 2005 das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.

Fällt auch dieser Beschluß für Hildebrandt negativ aus, so will er möglicherweise sogar ein US-Gericht anrufen - denn die Enteignungen durch das DDR-Verteidigungsgesetz hätten auch dem damaligen Alliierten-Recht in Berlin widersprochen: "Die Grenze zwischen dem Sowjetsektor und den Westsektoren Berlins ist keine Staatsgrenze. Die Regierung der Vereinigten Staaten betrachtet daher die von den ostdeutschen Behörden verfügten Maßnahmen vom 13. August als illegal. Sie wiederholt, daß sie die Behauptung der Sowjetsektor Berlins bilde einen Teil der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik und Berlin liege auf diesem Territorium, nicht anerkennt", hieß es in einer Note der US-Regierung an die sowjetische Regierung vom 16. August 1961. 

Foto: Hildebrandt vor umstrittenem Mauergrundstück: "Hehlerei!"


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