© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/53 04 17./24. Dezember 2004

Frisch gepresst

Juden in Königsberg. Mitunter wirken schon Vorworte wissenschaftlicher Arbeiten politisch provozierend. So ist es Andrea Ajzensztejn in ihrer Hamburger Dissertation über "Die jüdische Gemeinschaft in Königsberg" (Von der Niederlassung bis zur rechtlichen Gleichstellung. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2004, 364 Seiten, 98 Euro) ein ausdrückliches Anliegen zu "betonen", "daß die Ortsnamen in meiner Arbeit nur im historischen Kontext zu verstehen sind. Mein Respekt gilt den heutigen neuen Städtenamen, insbesondere Kaliningrad." Ein schöner Fall von Überanpassung an den geschichtsentsorgenden Zeitgeist, wenn die deutsche Ehefrau eines jüdischen Immigranten aus der ehemaligen UdSSR Respekt vor Kalinin, dem Gehilfen des Massenmörders Stalin, bekundet und sich für die Verwendung des deutschen Namens Königsberg entschuldigt - in einer geschichtswissenschaftlichen Arbeit, deren Untersuchungszeitraum 1870 endet! Trotzdem ist, abgesehen von kleineren Bekundungen solcher Gesinnungstüchtigkeit in der Einleitung und am Rande der Darstellung, eine im besten Sinne positivistisch solide Geschichte jüdischer Existenz in Ostpreußens Hauptstadt vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, die man als wertvollen Beitrag zum nahenden 750jährigen Stadtjubiläum Königsbergs begrüßen darf.

Ungarn. In diesem Jahr hat die Südosteuropa-Gesellschaft in München in ihrer teilweise ausgezeichnet zu nennenden Reihe "Ost- und Südosteuropa. Geschichte der Länder und Völker" eine bis dahin klaffende Lücke geschlossen. Der an der Universität Köln lehrende Historiker Janos Hauszmann hat sich seines Heimatlandes an Donau und Theis angenommen. Von der Zeit der "Landnahme" des aus den östlichen Weiten stammenden Reitervolks im neunten Jahrhundert bis zum Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft zeichnet Hauszmann ein lebendiges Bild der ungarischen Geschichte. Ein besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die Rolle des "einsamsten Volks Europa" sowohl in der langen Zeit der Habsburger als auch im Konzert der "Brudervölker" nach 1945. Den eigentlichen Schwerpunkt stellt allerdings die lange Zeit zwischen dem Freiheitshelden Ferenc II. Rákóczi und dem Ausgleich mit Österreich 1867 dar, in der das Volk mit seinem finno-ugrischen Zungenschlag auch seine politische Sprache formulieren und durchzusetzen vermochte (Ungarn. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2004, 312 Seiten, Abbildungen, broschiert, 24,90 Euro).


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