© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/05 07. Januar 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Imagewandel
Karl Heinzen

Der Standort Deutschland hat nach der Ansicht europäischer Top-Manager im vergangenen Jahr deutlich an Attraktivität gewonnen. Einer regelmäßig durch das "Handelsblatt" unter Führungskräften durchgeführten Umfrage zufolge verbesserte sich unser Land von der Durchschnittsnote 3,3 auf nunmehr 2,9. Deutschland hat damit als "Aufsteiger des Jahres" den vormals einsamen letzten Platz im Ranking verlassen und liegt jetzt mit Frankreich gleichauf.

Experten rätseln nun, wie die neuerliche Wertschätzung für den hiesigen Standort, der doch eigentlich als europäischer Problemfall par excellence verschrieen war, zu erklären ist. Manche vermuten, daß im Ausland der Eindruck entstanden sein könnte, in Deutschland hätte sich spürbar etwas bewegt. Offenbar werden die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Reformen von vielen Wirtschaftsführern jenseits unserer Grenzen tatsächlich als solche aufgefaßt. Für diese These eines Wahrnehmungsirrtums im Ausland spricht, daß jene, die es im Grunde genommen durch tagtägliches Erleben genau wissen sollten, die deutschen Manager nämlich, ein deutlich negativeres Bild der Verhältnisse hierzulande zeichnen: Bei ihnen schneidet der heimische Standort gerade einmal mit der Note 3,3 ab.

Zu fragen ist allerdings, ob dieses Urteil der deutschen Wirtschaftselite wiederum wirklich fair ist. Es könnte zum Beispiel nach langjährigem Schwelgen in Miesmacherei ganz einfach ein Gewöhnungseffekt eingetreten sein, und man hätte gar nicht so schnell gemerkt, daß die exorbitanten Gewinnsteigerungen vieler Unternehmen nicht bloß auf die Leistungen des jeweiligen Managements, sondern auch auf die Rahmenbedingungen, die die Bundesrepublik bietet, zurückzuführen sind.

Ein anderes Motiv für die vergleichsweise schlechten Noten, die der deutsche Standort von Wirtschaftsführern erhält, könnte das Bemühen sein, der Politik nicht voreilig Entwarnung zu signalisieren. Sicher weiß man in den allermeisten Chefetagen, daß es zu einem Kanzler Schröder keine seriöse Alternative gibt, und man wird den Wählern auch nicht leichtfertig eine solche suggerieren wollen. Wo sich bereits rekordverdächtige Ergebnisverbesserungen erreichen ließen, kann aber vielleicht noch mehr herausgeholt werden, und daher wäre es wünschenswert, daß die Regierung weiter auf das Reformtempo drückt und die Arbeitnehmer in dem Glauben bleiben, durch ihren Verzicht sei unserer Ökonomie eine Perspektive zu geben.

Nicht ganz ausgeschlossen werden kann aber auch, daß die deutschen Manager ihr Land bloß aus einem allzu menschlichen Grund schlechtreden: Wenn der heimische Standort gar nicht so miserabel sein sollte, wie man bisher geglaubt hat, könnte man auf die Idee kommen, von ihnen mehr Kreativität und mehr Leistung zu verlangen, um etwas aus diesen Voraussetzungen zu machen. Dazu aber mag sich mancher außerstande sehen.


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