© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/05 07. Januar 2005

Schlimmer, als der Verfassungsschutz erlaubt
Parteienfreiheit: Ein bemerkenswerter Aufsatz in der Zeitschrift "Merkur" verteidigt das Recht auf Opposition
Thorsten Thaler

Wieviel Opposition verträgt das Land? Vor allem aber: Welche Opposition? Nur eine gemäßigte oder auch eine radikale bzw. extreme?

Diesen Fragen ist der Jurist und Autor Horst Meier in einem bemerkenswerten Beitrag für die Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Merkur nachgegangen. Den Hintergrund seiner Rechtskolumne "Über die Parteienfreiheit" bildet das 2003 gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD, die Meier unter den Begriff "Opposition" subsumiert. Dazu rechnet er streng formal "jede organisierte politische Aktivität, die sich gegen die Regierung richtet - einerlei, ob darin Links- oder Rechtsradikalismus, Reformismus oder Systemgegnerschaft, loyale Opposition oder 'Opposition aus Prinzip' zum Ausdruck kommt".

Dieses Recht auf Opposition sei der Test für das demokratische Selbstverständnis einer Gesellschaft. Es bleibe nachhaltig gestört, so Meier, solange jede Opposition, die sich "aus der Zone der gemäßigten Kritik" wagt, vor allem die reflexhafte Frage provoziert, ob solches Treiben nicht unverzüglich verboten gehöre. So sei fraglich, ob es mit dem Recht auf Opposition vereinbar sei, daß die Regierung ihr verdächtig erscheinende Parteien systematisch durch einen Inlandsgeheimdienst ausforschen läßt. Meier wörtlich: "Es ist absurd, die Legalität politischer Minderheiten zu widerrufen, nur weil sie den Legitimitätsvorstellungen der herrschenden Mehrheit nicht gehorchen. Es ist anmaßend, Oppositionelle auf die 'richtige' Gesinnung, auf ein freiheitlich demokratisches Glaubensbekenntnis einzuschwören." Von einer Opposition, die der Regierung aus der Hand frißt, sei nichts zu erwarten. Mit Opposition, so der Autor weiter, "die nicht schlimmer ist, als der Verfassungsschutz erlaubt, ist etwas faul". Meiers Fazit: "Opposition, die nicht entschieden zu weit geht, ist keine. So wie Demokratie keine ist, die solche Opposition nicht zu integrieren versteht."


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