© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/05 14. Januar 2005

Das verunsicherte "starke Geschlecht": Auslaufmodell der Evolution?
Männer können einpacken
Curd-Torsten Weick

Deutsche Männer sind wahre Putzmuffel. Wenn es um den Haushalt geht, halten sie sich - wie schon ihre Väter - vornehm zurück und putzen lieber ihr Auto, statt sich dem Wischtuch und Staubsauger hinzugeben. Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft brachte es an den Tag: Deutsche Männer widmen der täglichen Hausarbeit "nur knapp zwei Stunden" und belegen zusammen mit Briten und Franzosen im europäischen Vergleich einen der hinteren Plätze.

Männer können alles - nur nicht waschen, sagt auch die Firma Bauknecht (die bekanntlich "weiß, was Frauen wünschen") und versucht den Männern unter www.Maenner-Waschkurs.de  auf die Sprünge zu helfen.

Auf den ersten Blick scheint sich somit weder an der traditionellen Rollenverteilung noch am Rollenverständnis der Männer viel geändert zu haben, was ein Blick in die Statistik belegt. Auch der zeigt nur männliches Ungemach. Jede einzelne Todesursache - wenige Ausnahmen bestätigen die Regel - schlägt bei Männern stärker zu Buche. Kein Wunder. Männer kümmern sich wenig um ihre Gesundheit, Männer rauchen mehr, trinken zuviel Alkohol, sind zu übergewichtig, haben häufiger Bluthochdruck, erleiden fünfmal so viele Herzinfarkte und sterben konsequenterweise bis zu sechs Jahre früher als Frauen.

Auch die hohe Zahl erfolgreicher männlicher Selbstmorde bestätigt das perfekte Männerbild. Männer sind risikobereiter und sind sogar bei Blitzschlag stärker gefährdet als ihre weiblichen Pendants: Die Angewohnheit, bei Gewitter Golf zu spielen, macht vielen den Garaus. Damit nicht genug: Für Jungen mit vier Jahren besteht ein doppelt so hohes Risiko, einen gewaltsamen Tod zu sterben, als für Mädchen. Nun heißt es vielerorts: Testosteron - die negative Macht urwüchsiger Männlichkeit. Oder auch: Man(n) zahlt einen hohen Preis für seine Hormone.

Zur Beruhigung sei zwar gesagt, daß sich vieles von dem, was den Mann schneller dahinraffen läßt als die Frau - Alkohol, Tabak, ungesundes Essen und Aufschneiderei -, durchaus verändern läßt. Doch zeigt sich "Mann" auch heute noch größtenteils veränderungs- und therapieresistent - alles wie zu Adam und Evas Zeiten also.

Betrachtet man sich "die Männer" von heute aber genauer, kommt man dennoch ins Grübeln. Männer benutzen Nachtcremes, bringen sich mit Tips für "Waschbrettbauch, Bizeps, Wampe weg, Marathon, Ironman, Flirten, Rauchstopp, Freizeit ..." in Form und sehen sich dennoch auf immer mehr Gebieten als Opfer kämpferischer Weiblichkeit. Die Rolle des Mannes in der westlichen Welt verändert sich rapide, und Eingeweihte fragen sich: Hat das weibliche Zeitalter nicht schon längst begonnen?

Wegen Mordes forderte der Staatsanwalt eine lebenslange Haft. Gisela K. (63) bekam jedoch ein eher mildes Urteil: neun Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Gisela K. hatte ihren Mann Klaus (65) mit dem Fleischklopfer erschlagen. Dies nicht genug! Gisela hatte ihn über Jahre mit diversen Küchenutensilien malträtiert und ihm dabei fast alle Rippen und das Brustbein gebrochen. Doch Richterin Dorothee P. (38) sah es milde und erblickte eine erhebliche Mitschuld des Opfers: Auch die Angeklagte hätte "kein schönes Leben gehabt. Die Unfähigkeit zu lieben und die zunehmende Sprachlosigkeit hat sie durch mehr und mehr körperliche Gewalt ausgeglichen", so die Richterin. Gisela sitzt nun im Frauenknast, und Klaus ist tot.

Pech für Klaus, daß er sein erbärmliches Dasein in Deutschland fristen mußte. In Österreich wäre es ihm vielleicht anders ergangen. Gibt es hier doch seit mehr als drei Jahren die "Männerpolitische Grundsatzabteilung" im freiheitlich geprägten Bundesministerium für soziale Sicherheit. An sie hätte sich Klaus in seiner Sprach- und Wehrlosigkeit wenden können - wenn er es denn ge-wollt hätte. Welcher Mann "outet" sich schon gern in seiner Misere? Erwartete ihn doch seitens seiner Geschlechtsgenossen nur Häme, während die emanzipatorische Seite auf ihr Klischee von "Männer sind immer die Täter" pochen würde.

Trotzdem gibt es genug "geschlechtsspezifische Zumutungen" für Männer. Vor allem bei der schulischen Bildung, bei Erziehungs- und Beziehungsfragen, im Rentenrecht oder bei der Wehrpflicht sieht "Mann" sich im Nachteil.

Speziell bei den frustrierten Vätern geraten die eingefahrenen Männerklischees dann auch schon einmal ins Wanken. Vor allem wenn es um Umgangsrechte und Unterhaltsfragen geht oder wenn wie dieser Tage die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein Verbot geheimer Vaterschaftstest "andenkt", zieht es immer mehr Männer auf die Barrikaden.

Doch allem Unmut zum Trotz: Die Ressourcen der "Männerlobby" sind knapp, und die "geschlechtsspezifische" Wühlarbeit der alteingesessenen "Frauenlobby" ist weitaus erfolgreicher. "Männerdämmerung" nennt dies der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher und diagnostiziert den Zerfall der Gesellschaft, der mit der Übernahme der "Bewußtseinsindustrie" durch die Frauen bereits voll im Gange sei.

Auch der Schriftsteller Hans Christoph Buch läßt seiner männlichen Frustration freien Lauf. Deutlich sieht er die Verdrängung des auf Härte und Aggressivität beruhenden Männlichen durch weibliche Werte wie Konsens und Kompromiß heraufziehen: "Nicht nur männlich besetzte Themen wie Krieg und Gewalt fallen unter das weibliche Artikulationsverbot, auch schwer verständliche Texte haben keine Chance gegen eine von Frauen produzierte Wohlfühl-Literatur, die nett und flüssig geschrieben, aber an Harmlosigkeit kaum zu überbieten ist. Wellness heißt das Modewort dafür."

Parallel dazu schlagen Forscher Alarm und rufen die "Jungenkatastrophe" aus, der Spiegel titelte "Schlaue Mädchen, Dumme Jungen" - derweil die oftmals vaterlosen Jungen mit miserabler Ausbildung, "tief verunsichert und ohne männliche Vorbilder" in die Zukunft taumeln.

Der Mann als Auslaufmodell der Evolution? Fest steht, daß das archaische Bild vom starken Mann Risse bekommen hat. Sein über Jahrtausende geprägtes genetisches Programm "Frauen, Kinder und die Sippe beschützen, jagen, gegen Rivalen kämpfen, längere Wege gehen ..." kommt nicht mehr an. Und spätestens seit Klonschaf Dolly ist klar, daß Männer sogar zur Erzeugung von Nachwuchs überflüssig werden könnten.


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